# taz.de -- Gaza-Israel-Konflikt: Hamas stellt neue Bedingungen | |
> Die Islamisten wollen dem Waffenstillstand nicht einfach so zustimmen. | |
> Israels Regierungschef Netanjahu bekommt Druck aus den eigenen Reihen. | |
Bild: Hat von der Verweigerung der Hamas nichts: eine Palästinenserin in Trän… | |
JERUSALEM taz | Nach dem Scheitern des Waffenstillstands intensiviert die | |
israelische Luftwaffe die Angriffe auf den nördlichen Gazastreifen. Mit | |
Flugblättern forderte die Armee am Mittwoch erneut die Bevölkerung in drei | |
Ortschaften auf, ihre Häuser zu verlassen. | |
Nach Auskunft eines UN-Sprechers sind derzeit 20.000 Menschen auf der | |
Flucht, die in insgesamt 24 Schulen – zum Teil in der Stadt Gaza und im | |
Flüchtlingslager von Jabalia – notdürftig untergebracht werden. | |
„Gestern Nacht war es am schlimmsten“, schimpft Isra Almodalal, ehemals | |
Sprecherin der Hamas im Gazastreifen. „Jeden Tag sterben weitere Menschen, | |
und die humanitäre Krise verschärft sich.“ | |
Die traurige Bilanz der Kampfhandlungen bis gestern: 205 Tote und über | |
1.500 Verletzte. Auch in Israel gab es am Dienstag ein erstes Todesopfer. | |
Der 37-jährige Zivilist hatte Soldaten am Grenzübergang Erez Lunchpakete | |
bringen wollen. | |
## „Linke Weichheit“ | |
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte am Dienstag dem ägyptischen | |
Kompromissvorschlag, der eine Waffenruhe und Verhandlungen vorsah, umgehend | |
zugestimmt. Damit setzte er sich harscher Kritik aus dem eigenen Lager aus. | |
Der stellvertretende Verteidigungsminister Danni Danon verurteilte | |
Netanjahus „Zögern“ bei der Militäroperation und warf ihm „linke Weichh… | |
vor. Dafür warf der Regierungschef ihn kurzerhand aus dem Amt. | |
Als einen „tragischen Helden“ bezeichnete der politische Kommentator Jossi | |
Verter in der Zeitung Ha’aretz den Regierungschef, der sich „in direktem | |
Gegensatz zu den Interessen seiner Wähler im rechten Lager“ verhalte. Die | |
Zustimmung zu dem ägyptischen Waffenstillstandsvorschlag begrabe Netanjahus | |
Image als „starker und entschlossener Führer“, der weiß, „wie man dem | |
Terror mit eiserner Hand entgegenwirkt“. | |
## Ex-Mossad-Chef will verhandeln | |
Die linke Wählerschaft werde es ihm kaum danken. Der frühere Mossad-Chef | |
Efraim Halevy sprach sich in einem Interview mit CNN für direkte | |
Verhandlungen mit der Hamas aus. | |
Die Islamisten der Hamas und des Islamischen Dschihad in Gaza schickten, so | |
berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur Maan, unterdessen eine | |
Liste mit Bedingungen für einen Waffenstillstand an die Regierung in Kairo, | |
dem derzeit zentralen Vermittler zwischen den Konfliktparteien. Dazu gehört | |
der Rückzug der Panzerbrigaden, die im Umfeld vom Gazastreifen stationiert | |
sind. | |
Israel hatte in Vorbereitung auf eine eventuelle Bodenoffensive 40.000 | |
Reservisten mobilisiert. Die Forderung, die Truppen abzuziehen, ergibt sich | |
daraus, denn Israel würde im Fall einer erfolgreichen Feuerpause die | |
Soldaten automatisch wieder nach Hause schicken. | |
## Hamas fordert Freilassungen | |
Als Zweites verlangen die Islamisten die Entlassung sämtlicher | |
palästinensischer Häftlinge, die im Rahmen des Geiselhandels für den | |
entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit im Oktober 2011 auf freien | |
Fuß kamen und inzwischen wieder hinter Gittern sitzen. Einige Dutzend der | |
über 500 Palästinenser, die israelische Truppen während der Suche nach den | |
drei Mitte Juni entführten Teenagern festgenommen hatten, gehören dazu. | |
Außerdem sollten die Haftbedingungen für alle Palästinenser in israelischen | |
Gefängnissen erleichtert werden. Laut der palästinensischen Zeitung | |
Al-Hajat al-Dschadida sind bereits sechs der jüngst verhafteten Männer | |
erneut zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden. | |
Die wichtigste Bedingung, die unmittelbar die Lebensqualität der Menschen | |
im Gazastreifen verbessern würde, ist die Öffnung der Grenzen. In beide | |
Richtungen, nach Israel und Ägypten, ist eine Ausreise nur mit | |
Sondergenehmigung, nach mühsamen bürokratischen Prozessen und Wartezeiten | |
möglich. Kaum 20 Schwerverletzte, für die es im Gazastreifen keine | |
Behandlungsmöglichkeiten gibt, hat Ägypten seit Beginn der Krise ausreisen | |
lassen. | |
## Gegenseitiger Boykott | |
Israel ermöglicht zwar den Import von Produkten nach Gaza: Trotz der | |
Kampfhandlungen werden Nahrungsmittel, Medikamente und Treibstoff | |
geliefert. Für eine wirtschaftliche Stabilisierung wäre jedoch nötig, die | |
Grenzen auch für den Warentransport in die andere Richtung, nach Israel und | |
von dort aus weiter ins Westjordanland oder ins Ausland zu ermöglichen. | |
Problematisch ist, dass sich die Hamas und Israel gegenseitig boykottieren; | |
deshalb finden nur indirekte Absprachen beim Grenzverkehr statt. Um Israel | |
zu umgehen, wären ein Schiffs- und ein Flughafen nötig – der vierte Punkt | |
auf der Forderungsliste der Hamas. Außerdem verlangen die Islamisten das | |
Recht für die Palästinenser aus Gaza, die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem zu | |
besuchen. | |
„Israel braucht den Waffenstillstand dringend“, spekuliert | |
Hamas-Funktionärin Almodalal, sonst hätte Netanjahu „nicht so schnell klein | |
beigegeben.“ Sie gibt zu, dass die ägyptischen Vermittler sich nicht direkt | |
mit ihrem Kompromissvorschlag an die Hamas gewandt haben. „Kairo unterhält | |
derzeit keine Verbindung zu uns“, sagt sie, „wohl aber zum Islamischen | |
Dschihad, wo das Angebot einging“. | |
Nach Berichten der liberalen israelischen Tageszeitung Ha’aretz sei man in | |
Kairo nicht sehr erpicht darauf, überhaupt eine Rolle im aktuellen Konflikt | |
zu spielen. Außerdem sei man davon ausgegangen, dass, „wenn Israel | |
zustimmt, die Hamas keine Wahl hat, sondern auch positiv reagieren muss“. | |
Genau das Gegenteil war der Fall. | |
16 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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