# taz.de -- Kommentar Urteil zu Cannabis-Anbau: Zeit zu legalisieren | |
> Einige Patienten dürfen nun Cannabis anbauen. Dieses Urteil zeigt, wie | |
> veraltet das Verbot ist. Besser wäre die Legalisierung – nicht nur von | |
> Gras. | |
Bild: Entspannt: Marihuana. | |
Man muss nicht bekifft sein, um über dieses Urteil des Kölner Gerichts in | |
hysterisches Kreischen auszubrechen. Jaja, dass jetzt drei kranke Deutsche | |
erstmals überhaupt legal Cannabis in ihrer Wohnung anbauen dürfen, ist ein | |
Fortschritt, schon recht. Aber die Bedingungen, die das Gericht | |
formulierte, sind so absurd wie die rechtliche Lage rund um die | |
Cannabispflanze. | |
Da soll ein Patient, der die Pflanzen ja nur deshalb selbst züchten will, | |
weil ihm das Apothekencannabis, was die Krankenkassen nicht zahlen, zu | |
teuer ist, einen Tresor in seine Wohnung einbauen, um die Droge vor dem | |
Zugriff Dritter zu schützen. Einem anderen wurde die Genehmigung | |
verweigert, weil seine Zwei-Zimmer-Wohnung einfach zu klein sei, einem | |
weiteren, weil er noch nicht alle möglichen Behandlungsalternativen | |
ausgeschöpft habe - als ob es irgendwie besser wäre, mit starker Chemie | |
chronische Schmerzen zu bekämpfen als mit Joints. | |
So ist das Urteil nur auf den ersten Blick fortschrittlich – vor allem aber | |
dokumentiert es, wie unglaublich von vorgestern der Einschluss von Cannabis | |
in die Reihe verbotener Substanzen ist – und weitergedacht, wie unsinnig | |
die Existenz solch einer Liste überhaupt ist. | |
Dem Gericht war offensichtlich sehr daran gelegen, auch nicht den leisesten | |
Verdacht aufkommen zu lassen, es könne in Deutschland eine ähnliche | |
Entwicklung einsetzen wie beim „medical Marihuana“ in den USA. In den | |
Bundesstaaten, in denen das legal möglich ist, allen voran Kalifornien, | |
kann praktisch jeder Kiffer in darauf spezialisierten Arztpraxen eine | |
Bescheinigung bekommen, zur Behandlung seiner Rücken-, Knie- oder | |
Nackenschmerzen, seines Grauen Stars oder welcher realen oder behaupteten | |
Krankheit auch immer legal Marihuana kaufen zu können. | |
Das ist nicht ehrlich – Washington und Colorado, die seit diesem Jahr auch | |
den Verkauf von Marihuana zur Entspannung legalisiert haben, sind da besser | |
– aber immerhin: der Marihuanamarkt ist raus aus der Illegalität. | |
Allerdings: diejenigen, die wirklich zur Behandlung echter Krankheiten auf | |
Cannabisprodukte angewiesen sind, gehen dabei unter. | |
Die Lösung all dieser Probleme wäre so einfach: Cannabisverkauf wird legal, | |
reguliert, die Waren kontrolliert und besteuert. Wer sich daran berauschen | |
will, kann das tun, wer es braucht, um Krankheitssymptome zu lindern - und | |
da kann dann gern penibel geprüft werden, ob die Krankheit und die Wirkung | |
von Cannabis echt sind – bekommt sein Gras von der Krankenkasse bezahlt. | |
## Nicht nur Cannabis | |
Niemand wäre mehr gezwungen zweifelhafte Produkte bei zweifelhaften | |
Verkäufern zu erwerben, der Staat würde Unsummen für die Durchsetzung | |
unsinniger Verbote einsparen, gleichzeitig satte Einnahmen aus der | |
Besteuerung erzielen. | |
Es müsste nicht bei Cannabis stehen bleiben. | |
Schon lang weisen Angehörige von Drogenabhängigen darauf hin, dass die | |
meisten Probleme der Abhängigen nicht durch den Drogenkonsum entstehen, | |
sondern durch dessen Kriminalisierung. Längst erklären Experten in allen | |
Kontinenten die Prohibitionspolitik für gescheitert, ihre Folgen für das | |
eigentliche Problem. Und das eben nicht nur in Ländern wie Mexiko, wo die | |
Toten infolge des Kriegs gegen die Drogen in die Zehntausende gehen. | |
Die Öffentlichkeit ist, auch in Deutschland, längst viel weiter als die | |
Gesetzeslage. In kaum einem Bereich gibt es weltweit einen solchen | |
Reformstau wie bei der Drogenpolitik. Die Ängste der Politiker vor einer | |
„Dieser Mann will unsere Kinder vergiften!“-Schlagzeile in der Bild sind | |
noch immer zu groß und schlagen politische Vernunft. Das Urteil aus Köln | |
erinnert in bizarrer Weise daran, dass bei uns eine Gesetzeslage herrscht, | |
die eigentlich nur unter extremem Alkoholeinfluss irgendwie sinnvoll | |
erscheinen mag. | |
22 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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