# taz.de -- Tour de France-Teilnehmer Andriy Grivko: Auf Friedensfahrt | |
> Der Ukrainer darf sich nicht mehr zum Krieg in seiner Heimat äußern. Die | |
> Regierung Kasachstans ist an seinem Rennstall beteiligt – und moskautreu. | |
Bild: Andriy Grivko (zweiter Fahrer von links) muss sich nun wortlos ins Team e… | |
PAU taz | Vincenzo Nibali hatte lobende Worte für seinen Teamkollegen | |
Andriy Grivko parat. „Er hat mir auf dem ersten Teil der Etappe sehr | |
geholfen. Die Mannschaft war wieder da“, sagte der Gesamtführende der Tour | |
nach der anstrengenden Kletterpartie am Mittwoch durch die Pyrenäen hinauf | |
ins 1.654 Meter hoch gelegene Saint-Lary Pla d’Adet. Grivko, vielfacher | |
Zeitfahrmeister seines Landes, ist ein Garant dafür, das Peloton für seinen | |
Chef zu kontrollieren. | |
Für die Zivilcourage seines Helfers hatte Nibali aber keine Worte. Vor | |
wenigen Tagen wagte Grivko sich weit aus der Unterhaltungsblase der Tour de | |
France heraus und gab dem Sportblatt L’Equipe ein politisches Interview. | |
Grivko bezeichnete den Abschuss der malaysischen Verkehrsmaschine als | |
„terroristischen Akt von Russland“. In dem Interview holte der langjährige | |
Profi, der auch schon für Alberto Contador und Alexander Winokurow | |
Helferdienste leistete, aber noch viel weiter aus und stellte die | |
Hintergründe der Konflikte in der Ukraine aus seiner Sicht dar. „Eine | |
Parodie auf eine Volksabstimmung“, nannte Grivko, dessen Frau von der Krim | |
stammt, das Referendum über die Unabhängigkeit der Halbinsel. „Ich kenne so | |
viele Leute auf der Krim, die nicht wählen waren. An diesem Tag waren ganz | |
zufällig viele Straßen gesperrt. Staus wurden in der Nähe der Wahllokale | |
produziert. Sie wollen uns unter dem Einfluss von Moskau halten, während | |
viele Leute auf der Krim und in der Ukraine bereits tief in Europa | |
verankert sind“, erklärte er. | |
Die Loslösung der Krim aus der Ukraine hält er für eine Katastrophe – für | |
Einwohner und Wirtschaft der Region. Den Menschen dort werde der russische | |
Pass aufgezwungen, erzählt er. Seine Schwester und die Familie seiner Frau | |
weigerten sich aber, den russischen Pass anzunehmen. „Das ist, als würdest | |
du aus deinem Haus vertrieben“, schildert er die Situation. Für die Zukunft | |
der Krim sieht er schwarz. „Unser Wohlstand basiert auf dem Tourismus. Aber | |
wer will heute dort seinen Urlaub verbringen?“, fragt er. | |
Mit den russischen Profis ist das Verhältnis durch den Krieg getrübt. | |
Grivko betont zwar, dass alle Berufskollegen seien und sich schon lange | |
kennen. „Ich kann sie auch nicht für die Politik von Putin verantwortlich | |
machen“, bemerkt er. Aber wenn sie ihn fragen, wann er denn seinen | |
russischen Pass bekomme, ziehe er es doch vor zu schweigen. | |
## „Politische Laufbahn" angekündigt | |
Die Tour de France wollte Grivko eigentlich nutzen, um weiter auf die | |
Situation in seinem Heimatland hinzuweisen. Nach dem Interview war aber | |
plötzlich Schluss damit. „Keine politischen Interviews mehr. Wir | |
konzentrieren uns auf die Tour de France“, teilte Astanas Pressesprecher | |
der taz mit. | |
Im Hause Astana ist Russisch Amtssprache. Und die Regierung Kasachstans, | |
die über staatliche Firmen Finanzier des Rennstalls ist, achtet auf enge | |
Verhältnisse zu Russland. Ein Astana-Sprecher wies die taz auch darauf hin, | |
dass Teile der russischen Presse auf das L’Equipe-Interview mit Artikeln | |
reagiert hätten, in denen dem 30-Jährigen unterstellt wird, mit dem Krieg | |
in seiner Heimat von seinen angeblich schlechten Leistungen ablenken zu | |
wollen. Offenbar ein Warnschuss, der angekommen ist. Grivko wird seitdem | |
von Journalisten ferngehalten. | |
Für die Zeit nach seiner Radsportkarriere kündigt er zwar eine „politische | |
Laufbahn“ in seiner Heimat an. Jetzt jedoch wolle er sich ganz darauf | |
konzentrieren, seinen Chef Nibali sicher im Gelben Trikot nach Paris zu | |
bringen. „Ich möchte, dass dem Mann im Leadertrikot der gebührende Respekt | |
zuteil wird“, meinte er. | |
25 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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