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# taz.de -- Schwimm-EM in Berlin: Der Papa wird's schon richten
> Auf der Freiwasserstrecke greift Thomas Lurz über zehn Kilometer nach
> seiner 32. internationalen Medaille. Den 34-Jährigen treibt ein großes
> Ziel an.
Bild: Macht nur sein Bronzemedaillengesicht: Thomas Lurz nach dem Fünf-Kilomet…
BERLIN/KÖLN taz | Der Erste-Hilfe-Experte ist auch bei der EM in Berlin
wieder dabei. Auf einen psychologischen Sondereinsatz von Thomas Lurz würde
Schwimm-Chefbundestrainer Henning Lambertz bei der EM in Berlin allerdings
gerne verzichten. Vor einem Jahr, bei der WM in Barcelona, rief Lambertz
den Vorzeigeschwimmer aus dem Freiwasser noch kurzfristig an seine Seite,
um den wankelmütigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Becken ins Gewissen
zu reden.
Lurz hatte zuvor binnen einer Woche seine WM-Titel Nummer elf und zwölf
geholt, darüber hinaus noch Silber und Bronze eingepackt – und sollte nun
die Pool-Abteilung des DSV etwas aufmuntern. „Bei den Beckenschwimmern lief
die Sache, um es nett zu formulieren, nicht ganz rund an“, erinnert sich
Lambertz, „da ist Thomas eben eingesprungen, um mit seinem
Erfahrungsschatz, den er im Freiwasser hat, noch einmal Motivation in die
Gruppe reinzutragen“. Bei der EM 2014 hofft Lambertz aber, „dass es gar
nicht zu so einer Notfallmaßnahme kommen muss“.
Für Thomas Lurz ist der Notfall anno 2014 die Veranstaltung selbst. „Da
schauen uns höchstens ein paar Wölfe zu“, lästerte er über die fernab des
Stadtzentrums gelegene Regattastrecke in Berlin-Grünau, mit der sich der
34-Jährige inzwischen arrangiert hat. Noch schwerer fiel ihm das bei der
abstrusen Terminierung, die sich der europäische Verband für die
Freiwasserschwimmer ausgedacht hat. So liegen bei den Männern zwischen dem
Rennen über fünf Kilometer und dem über die doppelte Distanz gerade mal 20
Stunden.
„Das ist nicht unbedingt sportlerfreundlich“, kommentiert der für die
Langstrecke zuständige Bundestrainer Stefan Lurz, Thomas’ älterer Bruder,
diplomatisch. An den Start ging Thomas Lurz zum EM-Auftakt am Mittwoch über
die fünf Kilometer trotzdem – und gewann Bronze, hinter Daniel Fogg aus
Großbritannien und dem Magdeburger Rob Muffels. Es wird sich zeigen, ob
sich der Start über die kürzere Distanz beim deutlich wichtigeren Rennen am
Donnerstag (10 Uhr) rächen könnte. „Es täte mir im Herzen weh, eine
mögliche Medaillenchance auszulassen – auch wenn es zulasten der zehn
Kilometer gehen könnte“, hatte Lurz vor der EM gesagt.
Dabei hat er doch schon acht EM- und zwanzig WM-Medaillen gewonnen. Thomas
Lurz hat alles erreicht in seinem Sport, allein Gold bei Olympia fehlt ihm
noch – und das ist der Grund, warum der gebürtige Würzburger überhaupt noch
Morgen für Morgen für sein Tagespensum von knapp zehn Kilometern ins Becken
steigt. Schließlich holte Lurz 2008 in Peking Bronze, vier Jahre später in
London Silber. Die konsequente Fortsetzung dieser Reihe wäre der
Olympiasieg 2016 in Rio.
## Erst mal EM
„Er hat zwar schon wieder sehr gute Weltcups in diesem Jahr abgeliefert,
aber Thomas wird natürlich nicht unbedingt jünger, und mit bald 35 Jahren
ist es mittlerweile auch nicht mehr ganz so einfach“, sagt Bruder Stefan.
Nach der EM wolle man sich zeitnah zusammensetzen und entscheiden, ob es
bis 2016 weitergeht.
„Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es ganz gut aussieht. Und wenn er eine
ordentliche EM schwimmt – das heißt: die eine oder andere Medaille gewinnen
kann –, wird er sich sicherlich entscheiden, noch zwei Jahre dranzuhängen“,
glaubt Stefan Lurz. Eine Einschätzung, die Thomas Lurz prinzipiell
bestätigt. „Ich weiß nicht“, sagt er, „ob ich es mir verzeihen könnte,…
ich das nicht noch versuche.“
Daran ändert auch sein Sohn Felix nichts, der im April zur Welt kam und
seinem Papa seitdem immer wieder mal den Schlaf raubt. Auch mit seinem Job
als Personalentwickler bei einem Würzburger Bekleidungsunternehmen ließe
sich das Leben als Extremsportler noch zwei Jahre lang vereinbaren. Die
Verantwortlichen im DSV, denen ihre Medaillenbank so noch ein bisschen
erhalten bliebe, wären von Lurz’ Entscheidung pro Olympia begeistert –
ebenso wie Stefan Lurz.
„Für mich als Vereins- oder Bundesstützpunkttrainer, wo die anderen jeden
Tag sehen, wie viel er trainiert, ist er eine extreme Hilfe. Denn für meine
Sportler ist es ganz normal, sieben, acht oder neun Kilometer pro Einheit
zu schwimmen, weil ein Thomas Lurz das eben auch, ohne zu meckern,
schwimmt. Also schwimmen die mit und kennen gar nichts anderes“, sagt
Stefan Lurz, für den beim Blick auf die nachrückende Generation allerdings
feststeht: „Ein zwölffacher Weltmeister wie Thomas Lurz wird in Deutschland
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wahrscheinlich nicht rauskommen – so
ehrlich muss man sein.“
14 Aug 2014
## AUTOREN
Andreas Morbach
## TAGS
Fußball-EM 2024
Schwimmen
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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