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# taz.de -- Missbrauchsvorwürfe bei Schwimm-EM: Trainer im Visier der Justiz
> Die EM in Budapest wird überschattet von Missbrauchsvorwürfen gegen den
> Bundestrainer Stefan Lurz. Die Funktionäre geben sich erst einmal vor
> allem "schockiert".
Bild: Freiwasserschwimmer Thomas Lurz (re) mit seinem Trainer und Bruder Stefan…
BUDAPEST taz | Ihre Sonnenbrille hatte Christa Thiel gestern Mittag ganz
fest auf ihrer Nase verankert. Und dort blieb der modische Lichtschutz auch
durchgehend positioniert, als die Präsidentin des Deutschen
Schwimm-Verbandes (DSV) im Budapester Alfred-Hajos-Schwimmkomplex über das
ausgesprochen unangenehme Thema Stefan Lurz sprach. Der Bruder und Trainer
des Freiwasser-Spezialisten Thomas Lurz, zudem Ehemann der früheren
Weltklasse-Schwimmerin Annika Lurz, war am Montag, nach seiner Rückkehr von
der EM, in Deutschland von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft empfangen
worden.
Laut einem Bericht der Mainpost ist Stefan Lurz, der verantwortlicher
DSV-Trainer für die im Freiwasser schwimmenden Langstreckler ist, wegen
sexuellen Missbrauchs ins Visier der Justiz geraten. Der Schwimmtrainer
soll sich zwei Mal - im November bei einem Wettkampf in Essen und während
eines Trainingslager-Aufenthalts Ende März 2010 in Singapur - an einer 15
Jahre alten Schwimmerin vergangen haben. Die Mutter des Mädchens, das nicht
direkt von Lurz betreut wird, hat den 33-Jährigen offensichtlich angezeigt.
Seitdem die katholische Kirche von Missbrauchsfällen bei Jugendlichen
erschüttert wurde, sind sexuelle Belästigungen von Minderjährigen auch im
Sport immer mehr zum Thema geworden. Das Schwimmen, bei dem die
Körperlichkeit nicht erst seit dem Verbot der Ganzkörperanzüge durch den
Weltverband wieder besonders ausgeprägt ist, sorgte dabei zuletzt für
spezielles Aufsehen: Im Mai veröffentlichte der amerikanische
Schwimmverband eine Liste mit 46 lebenslang gesperrten Trainern. Den
Betreuern war neben Dopingvergehen und Betrug auch sexuelle Belästigung
vorgeworfen worden.
Der US-Verband musste zu so viel Offenheit allerdings erst gedrängt werden
- nachdem amerikanische Medien zu Beginn des Jahres von
Missbrauchsvorfällen berichtet hatten. Nun schwappt diese Welle womöglich
über den Atlantik nach Deutschland hinüber. Als Chefin des nationalen
Schwimmsports zeigte sich Christa Thiel gestern jedenfalls zunächst einmal
sehr erschrocken. "So blöd das klingen mag: Aber jetzt, wo die EM läuft,
kommt so eine Nachricht natürlich zum unpassenden Moment. So etwas sorgt
für Schlagzeilen, aber das soll es ja vielleicht auch", kommentierte die
Präsidentin die Vorwürfe gegen Lurz in der ungarischen Mittagshitze.
"Es soll in Deutschland ja auch schon Freisprüche gegeben haben", hofft
Thiel erst einmal auf ein glimpfliches Ende der unerfreulichen Geschichte -
und ins gleiche Horn bläst auch Lutz Buschkow. "Solange nichts Definitives
feststeht, gilt in die Deutschland die Unschuldsvermutung", sagte der
Sportdirektor, der sich die Nachricht aus Würzburg gerade in diesen Tagen
gerne erspart hätte. "Es läuft die EM, und eigentlich wollten wir uns hier
auf den Sport konzentrieren", betonte Buschkow, bekannte aber zugleich:
"Als Verband ist man bei so etwas immer erst einmal schockiert."
Im Frankenland erklärte Lurz, der ohne Hinzuziehung eines Anwalts am Montag
sofort in ein Verhör einwilligte und anschließend wieder auf freien Fuß
gesetzt wurde, derweil: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst." Am
Dienstagabend um halb neun rief er bei Lutz Buschkow im Team-Quartier an
und informierte ihn über die Vorfälle. "Das ist immer erschreckend, wenn
man so etwas hört", räumte der Sportchef ein, als er sich nach den
gestrigen Vorläufen auf der Margareteninsel der Presse erklärte. "Man muss
ja auch sagen, dass die Eltern ihre Kinder in unsere Obhut geben", sorgt
sich der Mann dabei verständlicherweise - wegen denkbarer Folgen einer
möglichen Verurteilung von Lurz, der sich inzwischen einen Anwalt genommen
hat.
Im kleinen Kreis wurde über die angeblichen Intimitäten zwischen Stefan
Lurz und der 15-jährigen Schwimmerin zunächst nur hinter vorgehaltener Hand
getratscht. Während der nationalen Meisterschaften Ende Juli in Dachau
sollen aus dem Tratsch dann aber konkrete Anschuldigungen und ein Brief an
die Vereinsführung geworden sein.
Wie das Ganze ausgeht, bleibt abzuwarten. Bis auf Weiteres hängt aber erst
einmal eine schwarze Wolke über der Budapester EM - und DSV-Präsidentin
Christa Thiel, selbst Juristin, drückt sich und ihrem Verband nun feste die
Daumen. "Es besteht ja die Möglichkeit", sagt sie, "dass Stefan Lurz
freigesprochen wird. Das muss in diesem Fall nicht so sein, aber es ist
auch nicht auszuschließen."
11 Aug 2010
## AUTOREN
Andreas Morbach
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