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# taz.de -- Deutsche Familie in Gaza gestorben: Ignoriert und enttäuscht vom S…
> Der Vater der Geschwister Kilani aus Siegen ist in Gaza ums Leben
> gekommen. Auf eine Stellungnahme deutscher Behörden warten die Kinder bis
> heute.
Bild: Rauch steigt auf nach einem israelischen Luftangriff auf Gaza.
SIEGEN taz | Drei Wochen ist es her, dass ihr Vater, dessen Frau und ihre
fünf Kinder, allesamt deutsche Staatsbürger, durch einen israelischen
Luftangriff getötet wurden. Ihr Wohnblock in Gaza-Stadt war bombardiert
worden, als sich die Familie gerade zum abendlichen Fastenbrechen im
Ramadan auf dem Dach versammelt hatte. Auch drei Geschwister der Ehefrau
kamen dabei ums Leben. Doch von deutschen Behörden haben Ramsis Kilani, 22,
und seine Schwester Layla, 21, bis heute „keine Stellungnahme, geschweige
denn eine Beileidsbekundung“ erhalten. „Wir sind zutiefst enttäuscht“,
sagen sie.
Ihr Vater Ibrahim al-Kilani, 53, hatte in Siegen studiert und dort eine
deutsche Kommilitonin geheiratet. Später arbeitete er einige Jahre als
Architekt in Nordrhein-Westfalen. „Mein Vater war in einem größeren
Architekturbüro beschäftigt. Als sein Chef starb, wurde dieses geschlossen.
Seine Versuche, als freier Architekt zu arbeiten, schlugen fehl.
Ein paar Jahre danach trennten sich meine Mutter und er“, sagt Ramses
Kilani über seinen Vater. „In Deutschland sah er für sich keine Perspektive
mehr, in Gaza hingegen wurde er schnell wieder ein bekannter und gefragter
Architekt. Uns sagte er immer, in Deutschland schiene ihm zu wenig die
Sonne. Er hat in Palästina Wurzeln geschlagen und fühlte sich dort am
wohlsten.“
Nachdem ihr Vater vor 14 Jahren zurück zu seinen Eltern nach Palästina
gezogen war, hatte er ein zweites Mal geheiratet und eine neue Familie
gegründet. Doch den Kontakt zu seinen Kindern in Deutschland hielt er auch
aus der Entfernung noch aufrecht, soweit es ging. Getroffen haben die
Kinder ihren Vater zwar seit vielen Jahren nicht mehr, aber einen Tag vor
seinem Tod hatte er noch mit ihnen telefoniert. „Er versicherte uns, wir
sollten uns keine Sorgen machen“, sagt sein Sohn.
Dreimal hätten sein Vater, dessen Frau sowie ihre fünf Halbgeschwister im
Alter von vier oder zwölf Jahren aus Angst vor den israelischen
Bombardements den Wohnort gewechselt. „Ich habe von ihrem Tod erfahren, als
meine Schwester und meine Mutter mir auf dem Weg zur Arbeit im Auto
entgegenkamen. Meine Schwester hatte über Facebook die Nachricht eines
Ingenieurs und Arbeitskollegen meines Vaters erhalten“, erzählt Ramses
Kilani. „Er berichtete vom Tod der Familie Kilani und schickte einen Link
zu einer arabischen Website, auf der die Liste der Toten und ein Video der
Bergungsversuche zu sehen waren.“
## Tote zweiter Klasse?
Nachdem im Juli der Tod der deutschen Familie in Gaza bekannt wurde, seien
er, seine Schwester und seine Mutter von den Medien überrannt worden,
berichtet Ramsis Kilani. Die Bild-Zeitung befände sich sogar im Besitz von
Fotos der Familie – berichtet hat sie über ihr Schicksal allerdings bis
heute nicht. Stattdessen porträtierte sie jüngst alle israelischen
Soldaten, die bei dem Einsatz im Gazastreifen ums Leben gekommen sind.
Auch bei der Bundesregierung sieht Kilani einen doppelten Standard. Nach
anderen vergleichbaren Tragödien – etwa nach dem Absturz eines
französischen Flugzeugs in der Sahelzone Ende Juli, bei dem auch eine
vierköpfige Familie aus Deutschland ums Leben kam, drückte Angela Merkel
den Angehörigen öffentlich ihr Mitgefühl aus. Und nach dem Abschuss eines
malaysischen Passagierflugzeuges im Osten der Ukraine, bei dem ebenfalls
vier Deutsche ums Leben kamen, verlangte sie sogar eine Klärung der
Todesumstände und drohte Putin, die Sanktionen gegen sein Land zu
verschärfen. Nicht einmal eine offizielle Benachrichtigung durch die
Polizei, dass ihr Vater in Gaza zu Tode gekommen ist, wie sie in solchen
Fällen zumindest üblich ist, haben die Geschwister bis heute erhalten.
Ramsis Kilani sieht das als Beleg dafür, dass in Deutschland nicht jeder
Staatsbürger gleichwertig sei. „Deutsche Tote ohne ’Migrationshintergrund�…
haben anscheinend einen höheren Stellenwert“, glaubt er.
Diese Erfahrung hat Ramsis Kilani politisiert. „Es geht hier nicht um
Mitleid, sondern um Mitschuld“, findet er und spielt dabei auf die
Waffenlieferungen an, mit denen die Bundesregierung Israel regelmäßig unter
die Arme greift. Dagegen will sich der 22-Jährige jetzt stärker engagieren:
„Ich will nicht, dass andere Familien Ähnliches durchmachen.“
15 Aug 2014
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