Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hungerstreik im Abschiebegefängnis: Kampf ums Überleben
> Im Abschiebegefängnis befindet sich seit 13 Tagen ein Mann im
> Hungerstreik. Elf Jahre lebte er illegal in Bonn. Muss er nach Algerien
> zurück, fürchtet er um sein Leben.
Bild: Das ehemalige DDR-Frauengefängnis in Grünau ist heute der Berliner Absc…
Dem äußeren Erscheinungsbild von Mokhtan Meguitif sind die 13 Tage
Hungerstreik nicht anzumerken: Sein Händedruck ist kräftig, die Augen
blicken wach hinter der olivgrünen, eckigen Brille. Während des Gesprächs
im Grünauer Abschiebegefängnis gibt sich der 48-Jährige tapfer: „Ich fühle
mich zwar langsam schwach, aber Lachen muss ich immer. Mir bleibt ja sonst
auch nichts“, sagt er und verzieht seinen großen Mund zu einem hilflosen
Grinsen.
Aus Angst vor der Abschiebung in seine frühere Heimat hat der Algerier nach
eigenen Angaben seit dem 4. August keine feste Nahrung mehr zu sich
genommen. Am Tag nach seiner Ankunft in Berlin, am 27. Juli, hat er sich
die Pulsadern aufgeschnitten – zwei bläuliche Narben quer unter beiden
Handgelenken bezeugen das. In Algerien sei sein Leben in Gefahr, sagt
Meguitif, weil er nach fünf Jahren Gefängnis in den 90er Jahren seine
damalige Organisation „Islamic Salvation Group“ verraten habe. Nun fürchte
er deren Rache. „Ich hatte den falschen Weg eingeschlagen“, distanziert er
sich von den Islamisten. In seinen 14 Jahren in Deutschland habe er sich
ein neues Leben aufgebaut. „Alles ist hier: Familie, Freunde, Arbeit“,
erklärt er verzweifelt.
Meguitifs letzte Hoffnung ist der Asylfolgeantrag, den er vor vier Tagen im
Gefängnis gestellt hat. Ob dieser seine Abschiebung verhindern kann, ist
fraglich. Seine Bonner Anwältin war am Freitag nicht zu erreichen. Der
erste Asylantrag des Mannes aus Oman wurde 2003 abgelehnt, seitdem lebte er
illegal in Bonn. Trotz dieser widrigen Umstände gelang es ihm, ein fast
normales Leben zu führen, wie er erzählt: Er habe eine Freundin, deren fünf
Kinder er liebe „wie meine eigenen“, und einen Job in einem Imbiss. Wegen
der Angst vor Entdeckung beschränkte sich sein Leben auf einen engen Kreis
um Familie und Arbeit. „Aber ich habe alles gehabt.“
Am 23. Juli wurde Meguitif auf seiner Arbeitsstelle verhaftet. Ihn habe
wohl jemand bei der Polizei verraten, vermutet er. Er kam ins
Abschiebegefängnis in Büren (NRW). Dieses musste allerdings zu Ende Juli
geschlossen werden, weil es nach jüngsten Urteilen des Europäischen und des
Bundesgerichtshofs unzulässig ist, Flüchtlinge, die abgeschoben werden
sollen, zusammen mit normalen Häftlingen unterzubringen. So kam Meguitif
mit 20 weiteren Flüchtlingen nach Berlin.
Schon seit längerem wird das hiesige Abschiebegefängnis, das Platz für 214
Gefangene hat, von anderen Bundesländern genutzt. Am Freitag wurden in
Grünau laut Senatsinnenverwaltung 15 Personen festgehalten: sieben aus NRW,
sechs aus Sachsen-Anhalt, ein Fall der Bundespolizei und einer aus Berlin.
Von den zusammen mit Meguitif aus NRW überstellten Menschen sind 14 wieder
entlassen, sie konnten offenbar erfolgreich Haftbeschwerde einlegen.
Für viele Flüchtlinge hat die eigentlich positive Gerichtsentscheidung
fatale Folgen: Nach dem Schock der Inhaftierung werden sie durch die
Verlegung nach Berlin von ihrem sozialen Umfeld abgeschnitten. Für Meguitif
ist das fast so schlimm wie die Angst vor der Abschiebung: „Meine Freundin
kann mich nicht besuchen, das ist zu teuer. Alle sind in Bonn. Hier habe
ich niemanden.“
Nach Auskunft der Innenverwaltung wird der Hungerstreikende seelsorgerisch
und ärztlich beobachtet. Eine Zwangsernährung im Gewahrsam sei
ausgeschlossen, so ein Sprecher, notfalls werde der Mann ins Krankenhaus
gebracht.
15 Aug 2014
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Flüchtlinge
Abschiebehaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach BGH-Urteil zu Abschiebegefängnissen: Flüchtlinge verlassen Zellen
30 Abschiebehäftlinge durften aus den Knästen raus. Eine Grünen-Ministerin
fordert das Ende der Abschiebehaft, die CSU pocht weiter darauf.
Abschiebehaft in Deutschland: Tür an Tür mit Kriminellen
Der Europäische Gerichtshof beanstandet die deutsche Praxis, Flüchtlinge in
Gefängnisse zu sperren. Doch nicht alle Bundesländer reagieren darauf.
Abschiebeknast: Zimmer ohne Aussicht: 65 Euro
In Grünau sitzen mehr Abschiebehäftlinge ein – weil andere Bundesländer das
Gefängnis mitnutzen. Das Land verdient daran.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.