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# taz.de -- Altonas Stadtjubiläum: Abwärts seit Napoleon
> So richtig geblüht hat Altona nur zur Dänenzeit – weil Dänemark mit
> Hamburg wirtschaftlich konkurrieren wollte.
Bild: Wie Hamburger in Altona Aufnahme fanden, zeigte Jens Bundsen 1814.
ALTONA taz | Am Anfang stand die Konkurrenz. Das heißt, am Anfang stand
natürlich das Fischerdorf Altona in der Nähe des heutigen Fischmarkts. Das
war eine 1537 gegründete Siedlung mit Kneipe direkt an der Grenze zu
Hamburg, und dieser „Krug“ entfachte bald Streit: Das Gasthaus sei zu nah
und mache den Hamburger Wirten Konkurrenz, klagten die Hansestädter. Aber
wenn manch einer heute sagt, „Altona“ komme von „all to nah“ („allzu
nahe“), dann stimmt das wohl nicht. Viel wahrscheinlicher hieß es „all ten
au“ („bei dem Bach“).
Beherrscht wurde das Gebiet von den Grafen von Schauenburg, und die hatten
schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Glaubensflüchtlinge aus
Spanien und den Niederlanden aufgenommen. Die später sprichwörtliche
Toleranz hat also eine lange Tradition. 1603 erlaubte der Graf den
eingewanderten Handwerkern, sich ohne Zunftzwang niederzulassen. Eine frühe
Form der Gewerbefreiheit; ein Privileg, das günstiger produzieren und
verkaufen ließ als in Hamburg. Der Altonaer Wirtschaft half’s.
## Der dänische König wollte was rausholen
Als die Schauenburger ausstarben, fiel Altona an den dänischen König, und
der wollte natürlich etwas herausholen aus der so weit südlichen Stadt,
wollte dem reichen Hamburg Paroli bieten. Aber woher das Personal nehmen?
1620 hatte Altona gerade mal 1.500 Einwohner, war weder systematisch bebaut
noch befestigt; von Großstadt mit Standortvorteil keine Spur.
1664 hatte der dänische König Frederik III. die rettende Idee: Die
Verleihung der Stadtrechte würde es richten, ein Vorab-Lob, eine
Aufforderung, ein Dokument voller Privilegien und Möglichkeiten. Das würde
die Menschen locken, besonders portugiesische und niederländische
Glaubensflüchtlinge, viele von ihnen qualifizierte, wohlhabende Kaufleute,
exzellent vernetzt. Die Altonaer „mit Gericht, Gerechtigkeit und Freiheyten
zu begnaden“ habe man beschlossen, steht in der schwungvoll gemalten
Urkunde vom 23. 8. 1664, zu sehen in der aktuellen Ausstellung des Altonaer
Museums zum 350-jährigen Jubiläum des Akts.
Und der Trick funktionierte: Alsbald ließen sich Mennoniten, Reformierte,
Quäker, Katholiken und Juden in Altona nieder, die sofort mit
Geschäftemachen begannen; die prunkvollen Sephardengräber auf Altonas
jüdischem Friedhof zeugen davon.
Das lief eine Zeit lang gut, bis die Schweden 1713 im Großen Nordischen
Krieg Altona niederbrannten. Wiederaufgebaut wurde es repräsentativer als
zuvor.
Der Gaststatus der Flüchtlinge war vorbei, sie wurden integriert. Das
befruchtete, und bald brach die Aufklärung auch im Norden aus: Lehrer des
Altonaer Gymnasiums Christianeum verkehrten mit Gotthold Ephraim Lessing
und Moses Mendelssohn, auch Klopstock schaute vorbei, es war Altonas
„Goldenes Zeitalter“. Der Altonaer Johann Friedrich Struensee, politisch
einflussreicher Leibarzt des dänischen Königs Christian VII., setzte in
dieser Zeit nicht nur medizinische Reformen durch, sondern auch die
Pressefreiheit und ein Strafrecht ohne Folter.
## Die Industrialisierung geht an Altona vorbei
1772 wurde Struensee allerdings, zu mächtig geworden, hingerichtet, und
bergab ging’s mit seiner Heimatstadt: England verhängte während der
Napoleonischen Kriege die Elbblockade, Napoleon die Kontinentalsperre, und
danach war es aus mit Altonas Wohlstand. Von der folgenden
Industrialisierung zu profitieren, gelang dem ab 1864 preußischen Altona
nicht recht, das benachbarte Ottensen war schneller.
Dafür zogen die Ottenser Arbeiter nach Altona, und nach dem Ersten
Weltkrieg hatte die Stadt ein riesiges Wohnungs- und Armutsproblem, dem sie
mit Wohnungsbauprogrammen beizukommen versuchte. Der Fokus der Stadtplanung
hatte sich vom Repräsentativen aufs Soziale verlagert, die Bewohnerschaft
ihr Profil verändert.
## Das „Rote Altona“ war den Nazis ein Dorn im Auge
In anderen Worten: Das „Rote Altona“ war geboren, das heftig gegen den
keimenden Nationalsozialismus protestierte. Mit 18 Toten endeten am
„Altonaer Blutsonntag“ 1932 Zusammenstöße zwischen SA-Leuten und meist
kommunistischen Bewohnern. 21 Altonaer Pastoren verlasen daraufhin 1933 das
„Altonaer Bekenntnis“, das als Gründungsurkunde der NS-kritischen
„Bekennenden Kirche“ gilt.
Vielleicht suchten die Nazis auch deswegen, den Altonaer Stolz zu brechen,
als sie die Stadt 1938 per „Groß-Hamburg-Gesetz“ eingemeindeten und zum
Bezirk degradierten.
Was ist in Kollektivgedächtnis und -verhalten geblieben von all diesen
Ären? Hat Altona ein Alleinstellungsmerkmal zurückbehalten, an irgendeine
Tradition anknüpfen können? Nein, offenbar nicht. Zwar gibt es noch Spuren
der „Goldenen Zeitalter“ – die einstige Prachtstraße Palmaille, den
jüdischen Friedhof und Straßen, die Holländische Reihe, Dänenweg und
Franzosenkoppel heißen.
Als Gebilde ist Altona aber merkwürdig gesichtslos geworden. Am
deutlichsten zeigt das die immer wieder entflammende Diskussion um das 1863
eröffnete Altonaer Museum. Mal will man es wegen „Verstaubtheit“ schließe…
mal ins Museum für Hamburgische Geschichte eingliedern. Geschehen ist das
bislang nicht, aber eine Verletzbarkeit, ein Mangel an Abgrenzung bleibt.
Und so spiegelt ausgerechnet das Aushängeschild Altonaer Identität deren
verblassende Konturen.
## Ausstellung „350 Jahre Altona“: bis 11. 10. 2015, Altonaer Museum. Am
Stichtag – dem 23. 8. 2014 – ist der Eintritt frei
24 Aug 2014
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Altona
Dänemark
Hamburg
Konkurrenz
Kommunisten
Flüchtlinge
Altona
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