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# taz.de -- Gedenkverein für Lady Di: Die Verehrerin der Prinzessin
> Vor 17 Jahren starb Lady Diana in Paris. In Hameln lebt sie weiter. Dort
> trifft sich der Lady-Di-Club Germany. Evelyn Marie Seidel ist seine
> Vorsitzende.
Bild: Ist zur Kultfigur einiger majestätsversessener Hamelner geworden: Lady D…
HAMELN taz | Evelyn Marie Seidel ist bekannt, vielleicht sogar ein wenig
prominent. Wenn sie durch ihren Wohnort Hameln geht, dann raunt schon mal
ein Scherzkeks: „Guck mal, da ist Lady Di.“ Das mag sie nicht. Aber sie
reagiert mit Humor, reißt die Augen weit auf, spitzt die Lippen und flötet
etwas mütterlich: „Aber die ist doch schon lange tot!“ Und die 65-Jährige
muss es wissen, denn sie ist die Vorsitzende des Lady-Di-Clubs Germany.
Und Diana, die Prinzessin von Wales, Ex-Frau des britischen Thronfolgers
Charles und Mutter der Prinzen William und Harry, ist tatsächlich schon
eine ganze Weile tot: Am 31. August jährt sich der Tag ihres Unfalls, zum
16. Mal.
Wenn es in Deutschland auch nur entfernt um Lady Diana geht, ist Evelyn
Marie Seidel gefragt. Wirbt ein Unterwäschehersteller mit einem
Diana-Double, dann ruft schon mal die Süddeutsche Zeitung an. Heiratet
Dianas Sohn William seine Kate, lädt das öffentlich-rechtliche TV zum
„Exklusivinterview“ ins Studio. Und kurz vorm 17. Todestag meldet sich eben
die taz.
Seidel empfängt Besucher am Hamelner Bahnhof. In der Halle und im schicken
Mantel steht sie da, die Reisenden strömen um sie herum. Ihre Handtasche
hält sie mit beiden Händen vorm Körper, und natürlich trägt sie Hut. Einen
Schlapphut, die Krempe hat sie vorn mit einer Blumenbrosche hochgesteckt.
Es gibt Bilder, auf denen Diana ihren Hut genauso trägt. Hüte sind Teil der
Faszination des Königshauses. Sowas mit Würde zu tragen ist gar nicht
leicht. Wenn es gelingt, sieht’s aber verdammt gut aus.
In ihrer kleinen Küche erzählt Seidel dann von den ersten Jahren, von den
schönen, aber eben auch von den weniger erquicklichen Seiten des Clubs. Da
habe es mal einen Stalker gegeben. Einen Mann aus Süddeutschland, der
anfangs zu den Treffen kam und dann Beleidigungen ins Internet schrieb: „Da
habe ich am Ende die Polizei eingeschaltet, damit das aufhört“, sagt sie.
Auch als die taz anrief, wollte sie erst mal wissen, ob man gedenke, sich
über sie lustig zu machen. Sie hatte das schon erlebt, bei einer
RTL-Sendung. Die schnitten ihr Filmmaterial so zusammen, dass Seidel am
Ende als schrullige Alte dastand. Sie kann durchaus über sich lachen. Dass
man sie aber wegen ihres Diana-Faibles veralbert, das akzeptiert sie nicht.
Seidel gründete den Diana-Club im Jahr 1998, damals hieß er noch
„Gedächtnisclub“. Es war ein knappes Jahr, nachdem das Auto mit der
Prinzessin und ihrem Freund Dodi Al-Fayed an einem Tunnelpfeiler nahe der
Pariser Alma-Brücke zerschellt war.
Der Unfalltod der Prinzessin stürzte weltweit Millionen Menschen in eine
Art kollektive Trauer. Diana hatte zuvor aus ihrem Leben ein Medienphänomen
gemacht. Private Details packte sie in Fernsehinterviews aus. Dazu gehörten
neben der Beziehung zu Charles auch ihre Depressionen und die Bulimie.
Das alles ließ sich in den Wohn- und Wartezimmern dieser Welt miterleben.
Auch deswegen glaubten viele Menschen Diana ganz nah zu sein und wurden von
ihrem Tod schwer getroffen. Bilder vom Blumenmeer, in dem der Londoner
Kensington-Palast nach Dianas Tod zu ertrinken drohte, sind dafür ein
bleibendes Symbol.
Und Anlass für eine der vielen Verschwörungstheorien rund um den Unfall:
Die Blumenindustrie stecke in Wahrheit dahinter – um ihre Umsätze zu
steigern. Der Glaube an solche Geschichten war – und ist es für viele immer
noch – eine Möglichkeit, mit dem Tod Dianas umzugehen.
Seidel wählte einen anderen Weg. Sie führte 1997 einen Kinderladen in
Holzminden, das „Hexenstübchen“. Das ist die Keimzelle des Diana-Clubs.
Viele der Frauen, die dort ihre Kinderbetreuung organisierten, waren
schockiert über den Tod der Prinzessin und wollten sich austauschen. So
wurde im Club auch Trauerarbeit geleistet. Anfangs trafen sich die Frauen –
zu denen später auch zwei Männer stießen – jeden Monat.
Heute sind es nur noch zwei Treffen im Jahr. Was macht man denn so bei
einem Clubtreffen? Seidels Augen werden feucht, die Wangen rot, dann
schlägt sie die Hände vors Gesicht und schluchzt. Bevor die Situation
wirklich unangenehm wird, klärt sie auf und lacht: „Nein, natürlich heulen
wir nicht die ganze Zeit.“ Alles nur Spaß. Gott sei Dank! Sie hat
schauspielerisches Talent.
Auf den Treffen des Clubs gibt es viel Kaffee und Kuchen. Reihum backen die
Mitglieder „einen schönen Diana-Kuchen“. Sie gedenken der Prinzessin,
tauschen ihr Diana-Wissen aus, sprechen aber auch über Persönliches und
planen Fahrten nach London oder nach Althorp, dem Stammsitz der Familie
Dianas.
Auch heute hat Evelyn Marie Seidel gebacken. Sie holt frische Scones aus
dem Ofen, bestreicht sie mit reichlich Marmelade und verpasst ihnen eine
ordentliche Sahnehaube aus der Sprühflasche. „Eigentlich macht man da
Clotted Cream drauf“, sagt sie und spült das Gebäck mit schwarzem Tee
runter. Den trinkt sie mit Zucker und Milch – „sugar and milk“, natürlic…
Very british.
Immer wieder lässt Seidel englische Phrasen einfließen. Sie war seit ihrer
Kindheit oft in Großbritannien, weil die Tante als Au-pair dorthingegangen
war, und hängen blieb. Dort lernte sie Englisch und dort entstand die Liebe
zu den Royals: „Ich fand das toll, dass die einen König und eine Königin
hatten.“
Sie steht auf und geht ins Foyer ihrer kleinen Wohnung. Es ist ein
Diana-Schrein: Diana-Bilder hängen überall und gekrönt wird der Anblick von
einer lebensgroßen Diana-Pappfigur. Sie steht an der Wand neben einem
Schrank. Der ist angefüllt mit Diana-Utensilien, Dingen, die irgendwie mit
der Prinzessin verbunden sind.
Seidel öffnet die Türen, bückt sich, kramt ein wenig herum und holt einen
alten schwarzen Radiowecker hervor. Das Stromkabel ist um das Gerät
gewickelt und auf drei Stellen hat sie mit Tesafilm passbildgroße
Diana-Portraits geklebt. Aus diesem Radio schallte ihr 1997 die
Todesnachricht entgegen. „Das ist bestimmt nicht wahr, das ist bestimmt ein
Hörspiel, habe ich damals gesagt“, doch dann kam die Erkenntnis: „Ich war
fassungslos, ich spürte keine Trauer, aber ich war geschockt von der
Nachricht.“
Prinzessin Dianas Tod bedeutete für Seidel in fast zynischer Weise eine
Bereicherung ihres eigenen Lebens. Sie wühlt noch ein bisschen im Schrank,
dann zückt sie ein Bild: Sie und zwei Clubmitglieder – alle Tragen den
standesgemäßen Hut – und in der Mitte ist der Earl Spencer: „Mittlerweile
begrüßt er mich mit Handschlag“, sagt die Clubvorsitzende. Seidel hat in
den letzten 16 Jahren – so lange gibt es den Club – viele Leute
kennengelernt. Dafür sei sie Diana sehr dankbar, sagt sie.
Dass sich die Diana-Fans nur noch zweimal im Jahr treffen, liegt auch an
Seidels Lebenswandel. Heute dreht sich eben nicht mehr alles um den Club.
Sie hilft in einer Schule aus, betreut eine Lesegruppe – in der natürlich
auch Diana-Bücher gelesen werden – und sie spielt Theater und
Puppentheater. Auf der Bühne fühlt sie sich manchmal auch wie eine
Prinzessin: „Aber Gott sei Dank eine Prinzessin auf Zeit.“
Denn Evelyn Marie Seidel kann – im Gegensatz zu den Prinzessinnen qua
Geburt oder Heirat – auch wieder raus aus dem Scheinwerferlicht und ihren
royalen Hut absetzen. Zumindest bis der nächste Scherzkeks raunt: „Guck
mal, da ist Lady Di!“
24 Aug 2014
## AUTOREN
Jakob Epler
## TAGS
Gedenken
Lesestück Meinung und Analyse
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Die verstaubten Windsors brauchten genau so eine wie Lady Di: empathisch,
charmierend, gebärfähig. Ihr Unfalltod machte die Story perfekt.
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