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# taz.de -- Wahlkampf in Schweden: Humanität in Kronen und Öre
> Die schwedische Regierung verfolgt eine großzügige Flüchtlingspolitik.
> Doch jetzt werden die vermeintlich hohen Kosten zum Thema.
Bild: Die Stockholmer Schülerin Gabriella Edo, 15, kommt ursprünglich aus Ale…
STOCKHOLM taz | Seine „Überraschung“ für den Wahlkampfendspurt hatte
Fredrik Reinfeldt in ein dickes Lob verpackt. Es galt der Generosität der
SchwedInnen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht. Doch dann verknüpfte
der Regierungschef die Ankündigung, seine Regierung werde für den Fall der
Wiederwahl ihre flüchtlingspolitische Linie beibehalten, mit einer Warnung:
„Es werden umfassende Kosten auf uns zukommen, um diese Menschen
aufzunehmen. So umfassend, dass es weitere Restriktionen im Bereich dessen
geben wird, was öffentlich finanziert werden kann. Deshalb verspreche ich
in diesem Wahlkampf nichts, es wird dafür keine Deckung geben.“
Schweden wird 2014 voraussichtlich 100.000 Flüchtlinge aufnehmen,
vornehmlich aus Syrien und dem Irak. Relativ zur Bevölkerung ist das fast
fünfmal mehr als die Zahl, mit der man in Deutschland rechnet.
Die Belastung für das Aufnahmesystem ist groß und es wird stetig
schwieriger, angemessenen Wohnraum für diese Menschen zu finden. Da man
anfangs nur mit halb so viel Asylsuchenden rechnete, sind die öffentlichen
Etats auch längst überzogen.
Trotz dieser aktuellen Probleme waren Flüchtlings- und Asylpolitik vor der
Parlamentswahl am 14. September zunächst für keine der etablierten Parteien
ein Thema gewesen. Anders für die rechtspopulistischen
„Schwedendemokraten“, die damit nahezu ausschließlich ihre Kampagne
bestritten. In ganzseitigen Anzeigen dankten sie nun dem Premier, weil er
ihren Slogan, die „Wahl steht zwischen Wohlfahrt und Masseneinwanderung“
bestätigt habe.
Es kam noch dicker. Finanzminister Anders Borg ließ sein Ministerium
ausrechnen, auf wie viel Milliarden sich die Mehrkosten für Aufnahme und
Integration dieser Menschen in den nächsten vier Jahren belaufen würden.
Das Resultat: Ohne Steuererhöhungen sei das kaum zu stemmen. Das logische
Echo kam aus der christdemokratischen Regierungspartei: Es sei an der Zeit,
sich Gedanken zu machen, wann Schwedens Aufnahmekapazität überschritten
sei.
Reinfeldt hatte sich bislang deutlich von anderen konservativen
EU-Staatschefs unterschieden und war auch vom politischen Gegner für seine
klare Kante gegenüber den Schwedendemokraten gelobt worden. Damit seine
Minderheitsregierung im Bereich Flüchtlingspolitik nicht in die
Verlegenheit kommen sollte, den Schwedendemokraten Einfluss auf die
Regierungspolitik zu geben und auf deren Stimmen angewiesen zu sein, war er
sogar ein ausländerpolitisches Kooperationsabkommen mit den oppositionellen
Grünen eingegangen.
## Eine Wahlniederlage droht
Und nun? Der Versuch, eine drohende Wahlniederlage – seine Regierung liegt
10 Prozentpunkte hinter Rot-Rot-Grün – über einen „game changer“
abzuwenden? Der Versuch, WählerInnen der Schwedendemokraten zu sich
herüberzuziehen, indem man deren Gleichung, „je mehr Einwanderer, desto
weniger bleibt für dein Kind in der Schule und deine Großmutter im
Altersheim übrig“, offenbar bestätigt, sei zum Scheitern verurteilt, warnen
KritikerInnen.
Andere verurteilen einseitige Rechenkunststücke, bei denen die
Immigrationsgewinne für Schweden unterschlagen würden. Und für die
angespannten schwedischen Staatsfinanzen gebe es ganz andere Gründe als
einige Zehntausend Flüchtlinge: von maßlosen Steuersenkungsrunden bis zu
verfehlten Privatisierungen.
Allein die unzeitgemäße Energiepolitik des Staatskonzerns Vattenfall hat
der Staatskasse das Mehrfache dessen an Verlusten beschert, was für
Flüchtlingskosten angeblich nicht mehr vorhanden sein soll.
3 Sep 2014
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Parlamentswahl
Wahlkampf
Flüchtlingspolitik
Vattenfall
Braunkohle
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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