| # taz.de -- Korruption beim Kohleabbau in Indien: Guillotine für Indiens Wirts… | |
| > Die undurchsichtige Vergabe von Kohlelizenzen ist einer der größten | |
| > Skandale in Indiens Geschichte. Nun bringt ein Urteil die | |
| > Energieversorgung in Gefahr. | |
| Bild: Arbeiterinnen eines Kohletagebaues in Jharkhand, Indien | |
| DELHI taz | Es sind solche Szenarien, vor denen Indiens Generalstaatsanwalt | |
| Mukul Rohatgi warnt: Am Dienstagmorgen sind in weiten Teilen der indischen | |
| Finanzmetropole Mumbai die Lichter ausgegangen. Mehrere Stunden lang war | |
| die Stadt ohne Strom. Ein Kraftwerk der Firma Tata Powers war ausgefallen, | |
| plötzlich fehlten 1.250 Megawatt, um die südindische Metropole mit | |
| ausreichend Elektrizität zu versorgen. Erst gegen 4 Uhr nachmittags | |
| entspannte sich die Situation wieder. | |
| Noch am Tag zuvor hatte jener Rohatgi mit eindringlichen Worte an Indiens | |
| Verfassungsrichter appelliert: Man dürfe der indischen Wirtschaft nun nicht | |
| mit der „Guillotine“ zu Leibe rücken. „Alles mit einem Federstrich zu | |
| annullieren“ hätte fatale Auswirkungen. Dann wäre die Energiesicherheit des | |
| gesamten Landes in Gefahr, sagte Rohatgi in Delhi. | |
| Indiens Generalstaatsanwalt besorgt ein Urteil des indischen | |
| Verfassungsgerichts: Sämtliche Lizenzen zum Abbau von Kohle, die die | |
| vorherigen Regierungen in den Jahren von 1993 bis 2009 vergeben hatten, | |
| sind illegal. Die Zulassungen seien auf intransparenten Wegen und nicht | |
| nach objektiven Kriterien vergeben worden, im besten Fall sei „willkürlich“ | |
| gehandelt worden, urteilten die Richter in Delhi. | |
| „Coalgate“, die undurchsichtige Vergabe von Kohleabbaulizenzen in den | |
| Jahren 1993 bis 2009, ist einer der größten Skandale in der Geschichte des | |
| Landes: Es geht um geschätzte 33 Milliarden Tonnen Kohle – genug, um fast | |
| 50 Jahre lang den heutigen Energiebedarf Indiens abzudecken. Finanzminister | |
| Arun Jaitley jedenfalls lobte den richterlichen Entscheid von Montag. Damit | |
| werde die „willkürliche Zuteilung“ von Bodenschätzen der | |
| Vorgängerregierungen endlich beendet. Und auch Generalstaatsanwalt Rohatgi | |
| versicherte, sollte das Gericht beschließen, dass sämtliche Lizenzen neu zu | |
| vergeben seien, werde das die Regierung selbstverständlich akzeptieren. | |
| ## Gigantische Blackouts | |
| Allerdings dürfe man die wirtschaftliche Situation des Landes nicht außer | |
| Acht lassen. Zwei Drittel der Energie wird in Indien aus Kohle gewonnen. | |
| Schon jetzt leidet das Land unter konstanter Energieknappheit, fast täglich | |
| fällt mehrmals der Strom aus. 2012 kam es gleich zu zwei gigantische | |
| Black-outs: Als damals die Stromnetze in der Hälfte des Landes | |
| zusammenbrachen, waren Hunderte Millionen Menschen ohne Elektrizität. | |
| Angesichts der kritischen Situation beantragte die Regierung, dass 46 der | |
| 218 als illegal befundenen Minen weiterarbeiten dürfen. „Wir müssen schnell | |
| zuverlässigen Strom liefern“, erklärt Kohleminister Piyush Goyal. Zudem bot | |
| die Regierung an, bei den Minen nachträglich eine Strafgebühr von 295 | |
| Rupien (etwa 3,70 Euro) pro Tonne Kohle zu erheben. | |
| Seit Jahren schon sorgt der Fall für Aufregung. Schon 2012 hatte der | |
| indische Rechnungshof in einer Untersuchung festgestellt, dass dem | |
| indischen Fiskus durch die intransparente Vergabe der Kohleabbaulizenzen | |
| bis zu 1,86 Billionen Rupien (gut 23 Milliarden Euro) entgangen seien. Eine | |
| öffentliche Auktion der Lizenzen hätte den Rechnungsprüfern zufolge | |
| deutlich höhere Einnahmen generiert. Doch nicht alle sehen darin die Lösung | |
| „Wir sollten im Bereich von Bodenschätzen vorsichtig mit Auktionen sein“, | |
| sagt Kameswara Rao von dem renommierten Wirtschaftsprüfungsunternehmen | |
| PriceWaterhouseCoopers. „Dieser Sektor wird von wenigen großen Unternehmen | |
| dominiert. Auktionen allein würden einen fairen Wettbewerb eher behindern.“ | |
| Noch haben die indischen Verfassungsrichter nicht über das weitere Vorgehen | |
| entschieden, die nächste Anhörung ist für 9. September angesetzt. Dabei | |
| werden sie aber wohl auch den Dienstagmorgen in Mumbai im Hinterkopf haben. | |
| 3 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Radunski | |
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