# taz.de -- Die Wahrheit: Bettina Wulff in Kerkerhaft | |
> Tagebuch einer Menschenmarkenbeobachterin: Was macht eigentlich die | |
> ehemalige Präsidentengattin? Posen, bis der neue Job kommt. | |
Bild: Er ist zurück: Christian Wulff kriegt sich gar nicht mehr ein. | |
Der Mensch ist unfair und parteiisch. Im Stadion „Alte Försterei“ in Berlin | |
brüllen die Union-Fans, während die gegnerische Aufstellung bekanntgegeben | |
wird, nach jedem Namen „Ja und?“, die Nennung jedes eigenen Spielers | |
bejubeln sie dafür mit „Fußballgott!“. Ihre Welt zerfällt in Götter und | |
Nobodys, und Fußballgötter werden, selbst wenn sie wie Nobodys spielen und | |
sich von Nürnberg eine Vier-zu-null-Klatsche holen, am Ende minutenlang | |
gefeiert. | |
Anders als das Union-Verliererteam mag sich Bettina Wulff nach Ablauf ihrer | |
Spielzeit im Schloss Bellevue gewünscht haben, von der | |
Bundespräsidentengöttin übergangslos zum Niemand zu werden. Da sie aber | |
neun von zehn befragten Menschen bekannt ist – wenn man dem SZ Magazin | |
glauben darf, das ihr eine Titelgeschichte widmete –, funktioniert das | |
nicht. Nun sieht man sie auf dem Magazin-Cover allein und barfuß wie in | |
Kerkerhaft in der Dunkelheit sitzen, von irgendwoher fällt schwaches Licht, | |
ihr Blick ist gesenkt, die Hände um die Stuhlkante gekrampft. Betitelt ist | |
die Inszenierung in blöd-brutaler Abwandlung eines Filmtitels mit | |
„Weiblich, erledigt, jung sucht …“. Ja, was? | |
Arbeit, so klärt der zugehörige Artikel auf. Die ist, seit Bettina Wulff – | |
wie das SZ Magazin es so nett ausdrückt – „erledigt“ ist, nicht so leicht | |
zu finden und soll sich ja außerdem noch lohnen. Laut Umfrage halten 80 | |
Prozent der Befragten sie für „selbstbewusst“ und „weiblich“, 77 Proze… | |
für „ehrgeizig“, aber nur 44 für „sympathisch“, weshalb sie einen | |
sogenannten „Marketier“ (sprich: „Marketié“) beschäftigt, der die Auf… | |
hat, aus ihr eine „Menschenmarke“ zu machen. Vereinfacht gesagt, geht es | |
darum, eine als unsympathisch Wahrgenommene in eine Sympathieträgerin zu | |
verwandeln und ihr zu einem lukrativen Job zu verhelfen. | |
Ist die Öffentlichkeit erst ins eigene Leben eingedrungen, ist es schwer, | |
sie wieder rauszuwerfen, und wer nie von ihr gedisst wurde, kann auch nicht | |
beurteilen, was man vielleicht täte, um sie umzustimmen. Es bleibt | |
allerdings ein Rätsel, was einen „Marketier“ bewegt, jene Öffentlichkeit, | |
die seiner Kundin ohnehin nicht gewogen ist, via Printmedium mit | |
Informationen über Hindernisse und Erfolge auf dem Weg zu ihrer Verwandlung | |
– inklusive des Endziels „Monetarisierung“ – zu versorgen. Irgendwie | |
beschleicht einen ein „Ja und?“-Gefühl, daran können auch traurige Fotos | |
wie aus dem Psychopharmaka-Katalog nichts ändern. | |
Was spricht eigentlich dagegen, dem Teil der Öffentlichkeit, dem man nicht | |
sympathisch ist, unsympathisch oder gleichgültig zu bleiben und langsam zum | |
nichtöffentlichen, leidlich sympathischen Niemand zu werden, dessen | |
Monetarisierungsziele zwar nach unten angepasst werden müssten, der aber | |
zufrieden wäre, wenn er an einem normalen Tag immerhin fast der Hälfte der | |
Menschen, die ihm begegnen, sympathisch ist. Ein Haufen Leute, zum Beispiel | |
Politiker oder Parkknöllchenverteiler, würden so viel Öffentlichkeitsliebe | |
begeistert begrüßen. Und an schlechten Tagen hilft dann ein kräftiges „Ja | |
und?“. | |
4 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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