# taz.de -- Bildhauerei: Verlierer gestalten den Krieg | |
> Ein neuer Sammelband widmet sich der deutschen Plastik des Ersten | |
> Weltkriegs - und zeigt, wie vielfältig seinerzeit auf die Kulturtechnik | |
> des Krieges geschaut wurde. | |
Bild: Ausnahme von der Regel: Bernhard Hoetgers Niedersachsenstein ist ein zwei… | |
Natürlich kennen Sie Plastiken zum Ersten Weltkrieg. Jeder kennt sie. | |
Unzählige Ehrenmale stehen im öffentlichen Raum, in ganz Europa. Nur – sie | |
als Kunst wahrzunehmen, fällt schwer. Denn auch wenn der Großkünstler | |
Fernand Léger die Schützengräben von Verdun als „Akademie des Kubismus“ | |
bezeichnet hat, die Denkmalpraxis löst dieses Versprechen nicht ein: | |
Bildhauerische Werke, die direkt auf den Ersten Weltkrieg reagieren, wirken | |
meist antiquiert. | |
Dieser Befund ergibt sich aus der Durchsicht des Sammelbandes „Bildhauer | |
sehen den Ersten Weltkrieg“, den die Arbeitsgemeinschaft | |
[1][Bildhauermuseen.de] vorgelegt hat. Als Synopse taugt er, weil sich | |
mehrere Aufsätze gleichsam freischwebend auf derart unzeigbar gewordene | |
Positionen beziehen, die im öffentlichen Raum präsent sind. | |
Die übrigen dienen als Katalogtexte zu sieben monografischen Ausstellungen, | |
von denen drei im Norden spielen: Die Ernst Barlach-Stiftung Güstrow und | |
die Kunststätte Bossard in Jesteburg untersuchen, wie sich der Verlust der | |
Kriegsbegeisterung im jeweiligen Werk ihrer Patrone niederschlägt. Ab dem | |
21. 9. macht dann das Bremer Gerhard-Marcks-Haus mit Skizzenbüchern und | |
Feldpostbriefen seines Namensgebers das bildhauerische Werk des | |
Vizefeldwebels der Reserve als Resultat einer schier atemberaubenden | |
Verdrängungsarbeit kenntlich. | |
Der generische Zugriff aufs Thema macht deutlich, wie vielfältig seinerzeit | |
auf die Kulturtechnik des Krieges geschaut wurde, ganz anders als in der | |
Gegenwart, wo man Krieg ablehnt. Er ist allgemein als Übel erkannt. Nur, | |
wer ein Über-Übel heraufzubeschwören vermag, kann heutzutage mit Aussicht | |
auf Erfolg zu den Waffen rufen, wie der Bundespräsident oder der Bremer | |
Ex-Senator Ralf Fücks. Der ist Vorstand der Grünen-Parteistiftung, die | |
ironisch-ödipalerweise den Namen des friedensbewegten Heinrich Böll trägt. | |
Entwürfe für drastische figürliche Antikriegsdenkmäler – wie z.B. Eugen | |
Hoffmanns „Fürs Vaterland verreckt“, eine im Stacheldraht hängende | |
Rekruten-Gestalt – hatten in der Weimarer Zeit keine Chance auf | |
Realisierung. Möglich waren intime Figurationen der Trauer, wie Käthe | |
Kollwitz sie schuf, am häufigsten aber revanchistische | |
Heroisierungsobjekte. So was zeigt heute keine Ausstellung. | |
Ein Buch aber kann sich auch auf die gestalterischen Finessen der | |
Denkmalproduktion von ideologisch indiskutablen Plastikern wie Ernst | |
Gorsemann, dem späteren Direktor der von den Nazis gegründeten | |
Kunsthochschule in Bremen oder gar Fritz Behn einlassen, SA-Mitglied ab | |
1923, Schöpfer von Krieger-Kitsch in braunem Marmor, aber eben auch von | |
expressionistischen Klinkerfiguren wie dem 1932 errichteten Bremer | |
Elefanten. Die ursprüngliche Intention des Tiertotems war, zum | |
kriegerischen Rückerwerb der „Schutzgebiete“ zu stimulieren. Auf Initiative | |
von AnwohnerInnen hat man dem Werk eine antikoloniale Bedeutung zugewiesen | |
– und es ist ein kunsthistorisch interessantes Problem, zu klären, ob es | |
möglich ist, per Umwidmung das Werk von seinem Urheber zu befreien. Die | |
Sammelband-AutorInnen verfolgen keine abgestimmte These. | |
Das macht das Buch unübersichtlicher, aber lesenswerter als die meisten in | |
sich geschlossenen Kataloge und verdeckt ein wenig deren größten Mangel, | |
nämlich nur deutsche Bildhauerei in Betracht zu ziehen. Nicht nur, weil die | |
sich stark an italienischen und französischen Zeitgenossen orientiert, | |
sondern auch weil, wenn man nach der Perspektive von KünstlerInnen auf den | |
Krieg sucht, die Frage nicht nur biografisch ganz entscheidend ist, ob hier | |
Sieger oder Verlierer etwas sehen. | |
## Bildhauer sehen den ersten Weltkrieg, 224 S., 16,80 Euro; Ausstellungen: | |
bis zum 19. 10., Ernst Barlach Stiftung Güstrow; bis 26. 10., Kunststätte | |
Bossard Jesteburg und ab 21. 9. bis 4. 1., Gerhard Marcks-Haus Bremen | |
8 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://Bildhauermuseen.de | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Lüneburger Heide | |
deutsche Literatur | |
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