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# taz.de -- US-Staatssekretärin über TTIP: „So funktioniert ein freier Mark…
> Catherine Novelli verteidigt das geplante Abkommen. Sie positioniert sich
> zum Investitionsschutz sowie zum Genfood-Verkauf in Europa und bemängelt
> die europäische Kritik.
Bild: Verhandlungssache: Was darf in den Containern drin sein, die zwischen den…
taz: Frau Novelli, warum betrachtet die US-Regierung Europa, als wären wir
Venezuela?
Catherine Novelli: Das tun wir nicht. Die EU ist unser engster und größter
Handelspartner mit hohen Verbraucherstandards. Unsere Volkswirtschaften
sind sehr eng verflochten.
Wozu brauchen wir dann Investorenschutzklauseln in einem
Freihandelsabkommen wie TTIP? Die EU und die USA sind Rechtsstaaten. Wenn
sich Firmen ungerecht behandelt fühlen, können sie vor reguläre Gerichte
ziehen.
Das können sie natürlich. Aber wir wollen ein Abkommen, das so umfassend
wie möglich ist. Dazu gehören auch außergerichtliche Schiedsgerichte, wo
Unternehmen gegen Staaten klagen können. Wir haben hier die Gelegenheit,
einen „Goldstandard“ zu setzen, der dem Rest der Welt zeigt, was die
richtigen Parameter für ein Handels- und Investitionsabkommen sind.
Interessanterweise war es ja gerade Deutschland, das diese Schiedsgerichte
erfunden hat. Wir haben das von euch!
Wir denken heute, dass das ein Fehler war.
Ihr habt es aber in allen euren Abkommen. Wenn ich es richtig sehe, hat ein
deutsches Unternehmen gerade eine millionenschwere Klage gegen Turkmenistan
gewonnen.
Das ist der Punkt. Es ging um Deutschland und Turkmenistan. Nicht um die EU
und USA.
Die Klauseln gegen Diskriminierung von Unternehmen sind auch wichtig, wenn
man mit anderen Staaten verhandelt. Die Schwellenländer sagen nämlich: Wenn
ihr Investorenschutzklauseln nicht bei den Industrieländern vereinbart,
solltet ihr sie auch nicht von uns fordern. Damit beginnt eine
Abwärtsspirale, die wir nicht wollen.
Der Widerstand bei vielen Deutschen ist sehr stark. Würden Sie auch ein
Freihandelsabkommen ohne Investorenschutzklauseln unterzeichnen?
Ich kann den Verhandlungen nicht vorgreifen. Wir sind mitten in
Diskussionen und müssen zu einem guten Ergebnis kommen. Die Frage ist zu
spekulativ.
Dann konkret: Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagt gegen den
deutschen Atomausstieg vor dem umstrittenen Schiedsgericht ICSID in New
York gegen Deutschland auf 4 Milliarden Euro Schadensersatz (siehe Kasten
unten). Die deutschen Energiekonzerne müssen ganz normal vor ordentliche
deutsche Gerichte ziehen. Ist das rational?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Dispute zu lösen. Die Schlichtung
ist nicht per se ein Problem. Es gibt auch keine so großen Unterschiede bei
den Resultaten zwischen Gerichten und Schiedsgerichten.
Aber ordentliche Gerichtsverfahren sind transparent, Schlichtungen nicht.
Die Schlichtung ist für alle Beteiligten deutlich günstiger als der Gang
vor die Gerichte.
Jede Schlichtung kostet im Schnitt 8 Millionen Dollar. Schwer vorstellbar,
dass Gerichte teurer sind. Und Studien zeigen, dass die Schlichter die
Unternehmen bevorzugen, weil sie von deren Gebühren leben.
Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir hatten 17 Fälle in 30 Jahren. Und
nicht einen hat die US-Regierung verloren.
Aber Kanada hat diverse Verfahren verloren. Und warum sollte die
Interpretation von staatlichen Gesetzen an Private ausgelagert werden?
Das System hat sich bewährt und kommt mit sehr komplizierten Umständen und
Fällen zurecht. Es stimmt nicht, dass private Schlichter immer die
Unternehmen bevorzugen. Und es stimmt auch nicht, dass diese Verhandlungen
außerhalb der Gesetze stehen oder illegitim sind.
Ein anderer Kritikpunkt sind die unterschiedlichen Verbraucher- und
Umweltstandards. Wenn TTIP durchkommt, könnten in Ihren Lebensmitteln in
den USA mehr Keime sein als bisher, weil da bisher die US-Regeln schärfer
sind als die EU-Normen. Warum sollten Sie diese Verschlechterung wollen?
Niemand redet darüber, die Standards identisch zu machen. Die Frage ist,
wie wir anerkennen, dass die jeweils andere Seite einen hohen
Schutzstandard hat, bei Lebensmitteln, aber auch bei Maschinen. Wir sollten
das aber nicht übertreiben. Wenn Europäer die USA besuchen, dann denken sie
ja auch nicht, dass es ihre Gesundheit gefährdet, wenn sie im Restaurant
essen.
Genfood wird in Europa abgelehnt. Würden Sie ein Abkommen unterzeichnen,
das Genfood ausschließt?
Niemand hat je vorgeschlagen, dass wir Leute zwingen wollen, Gentechnik zu
gebrauchen oder zu essen. Die Leute sollen wählen können, ob sie bestimmte
Dinge kaufen möchten. So funktioniert ein freier Markt.
Aber bisher ist Genfood in Europa ganz verboten.
Wir wollen die Gelegenheit, gentechnisch veränderte Lebensmittel hier in
Europa zu vermarkten, dann können die Verbraucher entscheiden.
Würden Sie zustimmen, wenn es mit einem speziellen Label gekennzeichnet
würde?
Ich kann nicht in die Details der Verhandlungen gehen. Aber wie gesagt, wir
zwingen niemanden, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen.
Das behaupten wir auch nicht.
Sie nicht. Aber es gibt eine Menge Leute, die solche Sorgen schüren. Und es
gibt bestimmte Sorten von gentechnisch veränderten Mais, die für Tierfutter
bereits eingeführt werden können.
Viele Europäer haben Angst, dass unsere Standards sinken. Denn bei einem
Kompromiss wird man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.
Ich sehe das anders. Standards sind nicht immer höher oder niedriger,
sondern manchmal nur anders. Unsere und eure Regeln haben sich unabhängig
voneinander entwickelt. Jetzt müssen wir uns verständigen, wie wir sichere
Produkte effizienter zwischen den USA und der EU austauschen. Für uns ist
Gesundheit und Sicherheit von überragender Bedeutung, genau wie für Europa.
Wenn die Standards nur anders sind, wozu braucht es ein riesiges Abkommen
wie TTIP? Warum lässt sich das nicht auf der Arbeitsebene lösen?
Auf dieser Ebene arbeiten wir ja. Aber es braucht einen Rahmen. TTIP wird
nicht wie bei üblichen Handelsgesprächen jedes einzelne Produkt abklopfen,
sondern allgemeine Regeln formulieren. Außerdem wollen wir die Transparenz
erhöhen und für Partizipation sorgen, damit alle Stimmen gehört werden.
Interessanterweise haben wir gerade bei diesen Punkten viel Widerstand von
der Europäischen Kommission erlebt.
Aber EU und USA passen einfach nicht zusammen: In Europa gilt das
Vorsorgeprinzip, das nur erlaubt , was als unschädlich gilt. In den USA ist
es andersherum: Was nicht erwiesenermaßen gefährlich ist, wird erlaubt. Den
Rest regelt im Zweifel der Schadensersatz.
Ich akzeptiere die Prämisse nicht, dass unsere beiden Systeme nicht
zusammenpassen. Viele Firmen arbeiten längst auf beiden Seiten des
Atlantiks. Sie wollen nur ihre Kosten für doppelte Tests senken, um die
Preise für ihre Kunden zu senken. Ein Hersteller von Autoreifen hat mir
gerade erzählt, wie er für die gleichen Reifen hier und in den USA jeweils
andere Tests machen muss. Das hat nichts mit dem Vorsorgeprinzip zu tun!
Die umstrittenen Fragen wie Biotechnologie sind wirklich Ausnahmen.
Die ganze Chemieindustrie wurde aus den Verhandlungen herausgenommen, weil
sich das Vorsorgeprinzip mit dem US-System nicht vereinbaren ließ. Könnte
bei Umweltstandards das Gleiche passieren?
Wir befinden uns auf einem ganz neuen Gebiet und werden nie 100 Prozent
bekommen. Nur weil es schwierig ist, die Standards zu vereinheitlichen,
heißt das nicht, dass wir es nicht versuchen sollten.
Aber der Nutzen könnte sehr gering sein. Die EU-Kommission selbst rechnet
damit, dass durch TTIP bis 2027 insgesamt nur etwa 0,5 Prozent mehr
Wachstum entsteht. Warum so viel Aufwand für wenig Ertrag? Das macht die
Leute skeptisch.
Ich weiß nicht, wie man dieses Wachstum misst, es wird aber bedeutend sein,
und zwar jährlich. Neben den großen Unternehmen ist es vor allem der
Mittelstand, der Motor der Exportwirtschaft, der profitieren wird. Auch bei
den Zöllen wäre eine Einigung wichtig. Sie sind zwar nicht hoch, belasten
aber die Wettbewerbsfähigkeit vor allem der mittelständischen Firmen.
Wenn wir über TTIP reden: Werden wir ein Abkommen sehen, dass alle
strittigen Fragen ausklammert und sich auf die problemlosen Gebiete
beschränkt?
Ich kann nicht kommentieren, wie das endgültige Abkommen aussehen wird.
Aber ich hoffe, dass wir einige Probleme lösen können.
Wie häufig denken Sie: Meine Güte, diese Europäer?
Wir sollten nicht die Perspektive verlieren. Die Kritik ist vor allem in
Europa manchmal sehr übertrieben. In den USA gibt es keine so gut geplante
und finanzierte Anti-TTIP-Kampagne wie hier. Wir sind wohlhabende Nationen,
die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger schützen wollen. Das geht
manchmal schief, auch in Europa. Es gab hier die BSE-Kühe oder die
vergifteten Blutkonserven in Frankreich. Aber niemand in den USA sagt
deshalb: Oh mein Gott, jetzt können wir keine französischen Tomaten mehr
essen!
10 Sep 2014
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
Bernhard Pötter
## TAGS
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