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# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Alternative für Deutschland
> Rationaler Nationalismus: Karim Bellarabi wurde von Bundestrainer Joachim
> Löw berufen. Der Berliner hätte auch für Marokko spielen können.
Bild: Der mit dem Ball tanzt: Karim Bellarabi
Remember Sean Dundee? Der Mann war so eine Art Karim Bellarabi der
neunziger Jahre. Der Südafrikaner war Stürmer beim damals recht
erfolgreichen Karlsruher SC, und er war jemand, den der DFB einem
afrikanischen Land weggeschnappt hatte. Zu Bellarabi hat sich die
Bild-Zeitung jüngst die hübsche Schlagzeile „Völler warnt den DFB vor
Marokko“ einfallen lassen. Der Leverkusener Sportdirektor will nämlich,
dass sein Angestellter möglichst bald einen Länderspieleinsatz unter Jogi
Löw erhält – und nicht einen in der marokkanischen Auswahl.
Man muss Rudi Völler dabei gar keine deutschnationalen Motive unterstellen.
Schließlich gilt auch für den Bundesligisten Leverkusen: Wenn er seinen
Stürmer Karim Bellarabi mal verkaufen möchte, ist es für den Marktwert sehr
förderlich, wenn der junge Mann beim amtierenden Weltmeister kickt. Nicht
mal bei Joachim Löw müsste man Nationalismus vermuten, schließlich ist es
ja seine Aufgabe, die beste Kickerauswahl zusammenzustellen.
Vielmehr zeigen Fälle wie Sean Dundee oder Karim Bellarabi, was zwar auch
außerhalb des Fußballs gilt, da aber gar nicht so klar gesehen wird: dass
nämlich Nationalismus nicht nur eine Verirrung im Kopf ist, sondern dass es
daneben auch, sagen wir: handfeste materielle Gründe geben kann, die
Menschen national handeln und – in der Folge – denken lassen. Sean Dundees
Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft erfolgte, als es in dieser
Republik noch nicht den Doppelpass gab.
Bundestrainer Berti Vogts wollte den KSC-Stürmer haben; er sprach sogar von
„guten Perspektiven für die WM 1998“, die der hätte. Gespielt hat Dundee …
der DFB-Elf kein einziges Mal. Über Bellarabi hat Vogts-Nachfolger Löw
gesagt, der sei „eine hervorragende Alternative in unserer Offensive“. Da
könnte Bellarabi, der aus Berlin stammt, aufhorchen. Sogar Vogts
Perspektive-für-die-WM-Gebrabbel war konkreter als Löws Idee, aus Bellarabi
eine Alternative für Deutschland zu machen. Dabei ist es letztlich relativ
gleichgültig, ob Bellarabi ein paar mehr Einsätze kriegt als Dundee, dessen
Null für die Ewigkeit steht.
## Zu gut für Marokko
Das Ziel der ganzen Aktion wurde von Rudi Völler ja sympathisch ehrlich
formuliert: Vor allem soll Bellarabi nicht woanders spielen; vielleicht ist
er ja fürs Team von Jogi Löw nicht gut genug, aber für die marokkanische
Auswahl von Trainer Badou Zaki, der sich mit Bellarabi sogar schon
getroffen hat, ist er aus deutscher Sicht zu gut. Der Effekt ist, auch wenn
es niemand der Akteure gewollt hat: Stärkung der Stellung Deutschlands in
der weltweiten Konkurrenz, Schwächung seiner Mitbewerber – und das hat
schon etwas mit Nationalismus zu tun.
Die Verhältnisse sind aber so, dass man offenen, ausgesprochenen
Nationalismus dann eher bei den Verlierern in diesem Konkurrenzkampf
findet. Im Falle von Sean Dundee hatte damals ein verzweifelter
südafrikanischer Sportminister an den Nationalstolz des Kickers appelliert.
Die Sieger im Rangeln um die besten Spieler hingegen verzichten darauf,
schwarz-rot-stolz ihre Beute zu präsentieren, sondern loben dessen rein
sportliche Entscheidung fürs bessere Team. Dass dieses als Symbol des
deutschen Nationalstaats gehandelt wird, sei reiner Zufall und ohne weitere
Bedeutung.
Schon hat uns der Fußball wieder etwas gelehrt, das man aus dem Leben
außerhalb des Stadions auch wissen könnte, was dort aber schwieriger zu
entziffern ist: So etwas Dumpfes wie Vaterlandsliebe ist eher bei den
Verlierern als bei den Gewinnern auf dem Weltmarkt anzutreffen. Karim
Bellarabi gehört also zum Aufgebot des DFB für die anstehenden
Qualifikationsspiele. Dass dies Deutschland nutzt, steht fest. Dass es
Marokko schadet, ebenso. Ob aber Karim Bellarabi viel davon hat, lässt sich
noch nicht sagen. Remember Sean Dundee.
9 Oct 2014
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Fußball
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Jogi Löw
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
Fußball
Deutscher Fußballbund (DFB)
Fußball
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