# taz.de -- EM-Qualifikation Deutschland-Polen: Die spanische Krankheit | |
> 29 zu 5 Torschüsse. Die 0:2-Niederlage des DFB-Teams in Polen war | |
> seltsam, aber erklärbar. War das ein Ausrutscher – oder die Folge des | |
> WM-Titels? | |
Bild: Keiner guckt auf den Ball: Rüdiger (r.) und Rybus | |
BERLIN taz | Nach der unerwarteten EM-Qualifikationsniederlage gegen Polen | |
gibt es zwei Interpretationsstränge. Der eine wird vom DFB-Team bevorzugt | |
und lautet: Ausrutscher. „Heute hat es uns halt mal erwischt“, wie Stürmer | |
Thomas Müller in Warschau sagte. Chancen sind die härteste Wertung im | |
Fußball, und bei aller Unkalkulierbarkeit ist es extrem bizarr, wenn man | |
29:5 Torschüsse hat, aber 0:2 verliert. | |
Auch der Pole Lukasz Piszczek wusste letztlich nicht, wie ihm geschah, und | |
bemühte das, was man in einem solchen Fall zu sagen pflegt: dass man eben | |
„effizienter“ war. Dennoch: „Ein Witz“, knurrte Mats Hummels. Allgemein… | |
Tenor: Kann mal passieren. | |
Das ist die wahrscheinlichste, aber auch die angenehmste Interpretation. | |
Sie übersieht, dass gerade so eine Niederlage gegen einen in der ersten | |
Halbzeit indiskutablen Gegner besorgniserregend ist, speziell wenn man die | |
Analyse auf die Fehler bei den Gegentoren konzentriert. | |
Hinter dieser ersten Verdrängung aber verbirgt sich die ganz große Angst: | |
Dass es das schon gewesen sein könnte. Dass der WM-Titel 2014 der Gipfel | |
war und es auf der anderen Seite unweigerlich abwärts geht. Es ist auch die | |
Angst vor der spanischen Krankheit. | |
## Erfolgsmodell von gestern | |
Spanien galt bis zu dieser WM dank seiner herausragenden Spieler und seines | |
solitären Ballbesitzfußballs als weltweit führende Fußballfirma. Nach dem | |
1:2 in der Slowakei ist nun der Eindruck entstanden, als sei man nicht nur | |
abgelöst, sondern beharre illusionär auf dem Erfolgsmodell von gestern. Als | |
Symbol für den Abstieg vom Weltführer zum Auslaufmodell gilt Iker Casillas, | |
den Trainer del Bosque weiterhin ins Tor stellt. | |
Nun ist Spanien aber ja gerade erst von Deutschland abgelöst worden, also | |
von Joachim Löws beharrlich erweitertem und inzwischen variablem | |
Stilrepertoire und einem ganzen Stall voller hochklassiger Profis. Dieser | |
tiefe Kader kann die abgetretenen Miro Klose und Per Mertesacker | |
kompensieren. Anders sieht es mit Philipp Lahm aus. Es ist ironisch, dass | |
der zurückgetretene Kapitän zwar allgemein als Weltklassespieler anerkannt | |
wird, aber sein dramatischer Einfluss auf das deutsche Spiel dennoch | |
notorisch unterschätzt wurde. Es gibt nur ein’ Philipp Lahm, das war nie | |
ein Publikumsgesang – aber die Wahrheit. | |
Aber Fußball ist so kompliziert wie der Rest der Gegenwart, und manche | |
Einflussfaktoren sind nur rückblickend seriös zu bewerten. Das meint vor | |
allem, welche psychologische Rolle das Weltmeistersein spielt. Nach dem | |
deutschen WM-Titel 1954 etwa wurde fast nur noch verloren. Was aber auch | |
daran lag, dass das Team nicht so gut war, wie es der Titel auswies. Der | |
Titel 1974 war der Schlusspunkt einer solitären Generation. Der Absturz | |
1978 war logisch. | |
## Schwachstelle Außenverteidigung | |
Der jetzige Kader des Weltmeisters aber ist tief, er ist individuell und | |
stilistisch auf einem hohen Niveau und er dürfte auch genug Punch haben, | |
wenn zumindest einer der beiden Schlüsselspieler, Bastian Schweinsteiger | |
oder Sami Khedira, fit ist. Joachim Löw kann sich also aus heutiger Sicht | |
konzentriert daran machen, an den sichtbaren Schwachstellen zu arbeiten, | |
primär den beiden Außenverteidigerpositionen. | |
Rechts klafft jetzt die Lahm-Lücke. Und links … klafft immer noch die | |
Lahm-Lücke. Für den Dortmunder Erik Durm (diesmal links) wird es ein sehr | |
weiter Weg, das war in Warschau nicht nur daran zu sehen, wie er sich vor | |
dem 0:2 von Lewandowski abkochen ließ. Der Stuttgarter Antonio Rüdiger | |
(rechts) ist ein weiterer von Löws Innenverteidiger-Außenverteidigern. | |
Also: Man weiß es nie genau, aber es spricht viel dafür, dass die deutsche | |
Mannschaft sich nach dem WM-Titel auf ihrem nachhaltigen Löw-Niveau neu | |
justieren muss, dass es in nächster Zeit etwas ruckeln wird, aber dass es | |
dann auch wieder den Spektakel-Fußball geben wird, den Joachim Löw erfunden | |
und etabliert hat. Am besten allerdings bereits an diesem Dienstag gegen | |
Irland. Sonst rufen wir nach Lahm. | |
12 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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