# taz.de -- Wagenburg in Freiburg: Die Schrottpresse droht | |
> Freiburg hat mehrere Fahrzeuge einer Wagenburg beschlagnahmt. Jetzt will | |
> die grün regierte Stadt die flexiblen Wohnungen verschrotten. | |
Bild: Ein Wagenplatz in Freiburg. | |
FREIBURG taz | Bernadette Lang wurde der Sommer geklaut. Sie hätte ihn | |
gerne in ihrem Wohnwagen verbracht: morgens aus der Tür an die Sonne | |
getreten, um mit ihren Mitbewohnerinnen auf einem Wagenplatz Kaffee zu | |
trinken. Aber Langs Lkw-Anhänger ist einer von 10 Wagen, die vor einem | |
halben Jahr von der Stadt Freiburg beschlagnahmt wurden. Der Grund: wildes | |
Parken und Campen am Straßenrand. Seither rückt die Stadt die Wagen nicht | |
mehr heraus. Jetzt droht sie damit, sie zu verschrotten. | |
Die Gruppe „Sand im Getriebe“, zu der Lang gehört, hat seit drei Jahren mit | |
ihren 20 Wagen keinen festen Platz. Die Gruppe hangelte sich von | |
Zwischennutzung zu Zwischennutzung, die letzte lief am 31. März dieses | |
Jahres aus. „Wir wollten das Gelände nicht besetzen und haben deshalb an | |
der Straße geparkt“, sagt Lang. Nicht erlaubt, heißt es im Ordnungsamt. Am | |
14. April ließ die Stadt die Wagen abtransportieren. Seitdem stehen sie auf | |
einem eingezäunten Lagerplatz, die Wägler wohnen bei Freunden. | |
Lang spricht von Enteignung. „Sand im Getriebe“ fordert vom grünen | |
Oberbürgermeister Dieter Salomon die Wagen zurück. Auch, dass die Stadt den | |
Wäglern ein Gelände zur Verfügung stellt. In einem offenen Brief schreiben | |
sie ihm: „Wagenleben ist ein Politikum und kann nur durch einen politischen | |
Willen ermöglicht werden.“ Doch die Stadt stellte ein Ultimatum, „das | |
härter kaum sein könnte“: Wenn bis zum 13. Oktober kein Platz gefunden sei, | |
würden die Wagen verschrottet. Laut Polizeigesetz Baden-Württemberg geht | |
das Eigentum einer beschlagnahmten Sache nach einem halben Jahr an die | |
Behörde über – die Wagen gehören also ab 14. Oktober der Stadt Freiburg. | |
In Freiburg gibt es bereits drei Wagenburgen auf städtischen Stellplätzen. | |
Der Gemeinderat hatte nach Angaben der Stadtverwaltung mehrmals | |
beschlossen, keine weiteren Plätze für Wagenburgen zur Verfügung zu | |
stellen. Im aktuellen Konflikt ist man davon abgerückt. Die Stadt macht ein | |
Angebot: 400 Quadratmeter Wiese, direkt neben der Wagenburg der | |
„Schattenparker“. Weil „Sand im Getriebe“ die Verschrottung verhindern | |
will, hat man sich auf Verhandlungen eingelassen. Das Gelände sei aber zu | |
klein, die Stadt gehe nur von den zehn beschlagnahmten Wagen aus, dabei | |
zähle die Gruppe 20 Wagen. Außerdem wolle man kein „Wagenburg-Ghetto“, | |
lieber hätte man einen eigenen Platz. | |
## „Wägler*innen von überall“ | |
In der Stadtverwaltung hat nicht jeder Verständnis für so forsche | |
Forderungen. In den Augen der Pressestelle der Stadt ist Freiburg schon | |
eine „relativ tolerante Stadt“. Die Stadt wolle, dass es zur Einigung | |
kommt, befinde sich aber in einem Prioritätenkonflikt: Freie Flächen | |
benötigt die Stadt für Wohncontainer für Flüchtlinge. Totschlagargument, | |
argumentieren die Wagenburgler, sie suchten schon seit drei Jahren. Am | |
Wochenende haben „Wägler*innen von überall“ in Bremen vor der | |
Grünen-Zentrale und in Berlin bei einer Landesdelegiertenkonferenz der | |
Grünen für die Herausgabe der Wagen demonstriert. | |
Mittlerweile hat sich der Landtagsabgeordnete Reinhold Pix (Grüne), in | |
dessen Wahlkreis Freiburg liegt, eingeschaltet. Die Einziehung der Wagen | |
sei eine „drakonische Höchststrafe“ und passe nicht zu Freiburgs | |
„libertärem Charakter“. Pix hat innerhalb weniger Tage geschafft, was der | |
Stadt bislang nicht gelungen war: Er hat ein Gelände gefunden, das die | |
Wagenburg nutzen könne. Endgültige Verhandlungen stünden allerdings noch | |
aus. | |
Das vorläufige Ergebnis ist kurios: Dann hätte „Sand im Getriebe“ zwar | |
wieder einen Platz zur Zwischennutzung, aber keine Wagen. Gegenüber der taz | |
versicherte die Pressestelle der Stadt: Verschrottet werden sollen die | |
Wagen nicht. | |
12 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
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