| # taz.de -- Pro und Contra Hintergrundgespräche: Fragwürdige Vertraulichkeiten | |
| > „Der Spiegel“ hat unautorisierte Zitate aus einem Hintergrundgespräch | |
| > gedruckt. Aber sind solche Runden für Journalisten überhaupt sinnvoll? | |
| Bild: Bleibt aber unter uns. | |
| ## JA | |
| Sogenannte Hintergrundgespräche zwischen JournalistInnen und | |
| PolitikerInnen, aus denen in der Regel nicht zitiert werden darf, mögen auf | |
| den ersten Blick seltsam wirken. Denn normalerweise sollten JournalistInnen | |
| doch ein Interesse daran haben, alles Wichtige, was sie erfahren, mit ihren | |
| LeserInnen zu teilen. Und PolitikerInnen sollten sich doch eigentlich | |
| freuen, wenn ihre Einschätzungen den Weg in die Öffentlichkeit finden. | |
| Doch die Wirklichkeit ist komplizierter. Natürlich gibt es viele Dinge, zu | |
| denen sich PolitikerInnen aus nachvollziehbaren Gründen nicht öffentlich | |
| äußern. Ehrliche Einschätzungen zu (inner- oder außerparteilichen) | |
| politischen Gegnern gehören logischerweise dazu, aber auch strategische | |
| Überlegungen, deren vorzeitiges Bekanntwerden Probleme bereiten würde. Bei | |
| solchen Informationen stellt sich nicht die Frage, ob man sie vertraulich | |
| oder zitierfähig bekommt – sondern ob man sie vertraulich oder gar nicht | |
| bekommt. | |
| Doch auch bei Themen, wo es keinen zwingenden Grund für Geheimhaltung gibt, | |
| kann es durchaus sinnvoll sein, wenn PolitikerInnen zunächst einmal frei | |
| sprechen können, ohne jeden einzelnen Satz vorab gedanklich auf | |
| Druckfähigkeit zu überprüfen. Erst das ermöglicht echte Gespräche, die | |
| nicht nur aus der Wiederholung vorgefertigter Phrasen bestehen. | |
| Auch wenn viele Informationen aus Hintergrundgesprächen die LeserInnen | |
| zunächst gar nicht oder nur in abgemilderter Form erreichen, können sie am | |
| Ende davon profitieren. Denn ob für Porträts, Berichte oder Kommentar: Für | |
| eine fundierte Berichterstattung ist es hilfreich, auch Hintergründe zu | |
| kennen, die nicht unmittelbar und mit Quellenangabe verwendet werden | |
| dürfen. | |
| Wer diese Regeln nicht mag, braucht sich an Hintergrundgesprächen nicht zu | |
| beteiligen. Sie einfach zu brechen, ist jedenfalls keine Lösung. Das führt | |
| nicht zu besserem Journalismus, sondern zu misstrauischen Politikern, die | |
| sich noch stärker abschotten. (Malte Kreutzfeldt) | |
| ****** | |
| ## NEIN | |
| Journalistinnen und Journalisten sollten das Spiel „Ich erzähl es dir, du | |
| darfst es aber auf keinen Fall weitersagen“ nicht mitspielen. Wenn ein | |
| Politiker oder sonst irgendein Entscheider nicht will, dass seine Meinungen | |
| öffentlich werden, dann soll er die Klappe halten. Das ist nicht so | |
| schwierig. | |
| Wozu dienen Hinterzimmergespräche (die meistens ganz unspektakulär im Büro | |
| stattfinden) dann? Welche Funktionen haben Gesprächsrunden, aus denen nicht | |
| zitiert werden darf? | |
| Erstens: Verhinderung von Berichterstattung. Einfaches Prinzip aus Sicht | |
| des Politikers oder dessen Pressesprechers: Dadurch, dass ich es euch jetzt | |
| gesagt habe und ihr, liebe Journalisten, euch verpflichtet habt, nicht | |
| darüber zu berichten, ist das Thema durch – und da ich die einzige | |
| vernünftige Quelle bin, habt ihr: Pech gehabt. | |
| Zweitens: Ego schmeicheln. Journalisten wissen durch Hintergrundgespräche | |
| mehr als ihre Leserinnen und Leser oder Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch | |
| was soll das? Journalisten sind nicht dazu da, Herrschaftswissen mit sich | |
| herumzutragen. | |
| Drittens: Journalisten vereinnahmen. Wenn jemand Intimes erzählt und dem | |
| Zuhörer so Einlass in den Zirkel der Eingeweihten gewährt, schafft das | |
| natürlich Nähe. Sehr viel Nähe. Davor sind auch Journalisten – allem | |
| ausgestellten Berufsethos zum Trotz – nicht gefeit. Also haut man beim | |
| nächsten Skandal vielleicht nicht so drauf. Schließlich war er oder sie | |
| beim letzten Gespräch so ehrlich und nett. Außerdem würde man, wenn man | |
| Intimes ausplaudert, vielleicht nicht mehr eingeladen zum nächsten Treffen | |
| – und Ablehnung schmerzt ja immer. | |
| Klar, die Journalistin oder der Journalist kann das in Erfahrung Gebrachte | |
| irgendwann mal verwenden. Natürlich nicht als Zitat, nein, sondern schön | |
| verschwurbelt, als hätte es sich einfach irgendwie rumgesprochen. | |
| Irgendwann heißt natürlich nicht kurz nach dem Gespräch, sondern eher so in | |
| einem halben oder vielleicht drei Jahren – oder im Nachruf. (Jürn Kruse) | |
| 21 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
| Jürn Kruse | |
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