# taz.de -- Hamburgs Jüdischer Salon: „Neugier auf das Anderssein“ | |
> Der Jüdische Salon am Grindel kehrt an seinen alten Standort zurück - und | |
> unterstreicht seinen Anspruch auf Aktualität und Lebensnähe. | |
Bild: Zurück am alten Ort: das "Café Leonar" und der Jüdische Salon. | |
HAMBURG taz | Sonia Simmenauer ist froh. Der [1][Jüdische Salon] ist wieder | |
am alten Ort, Grindelhof 59, und es sei doch mühsam gewesen, sagt die | |
Initiatorin, die Straße Grindelallee innerhalb weniger Jahre rauf- und | |
wieder runterzuziehen – und das Stammpublikum nie ganz mitnehmen zu können. | |
Denn auch wenn es nur ein paar Schritte waren, die der Salon sich 2011, | |
vier Jahre nach seiner Gründung, bewegte: Der Unterschied war groß. Der | |
neue Standort war leichter zu übersehen, das Gebäude vergleichsweise wenig | |
attraktiv, und einen eigenen Raum für Veranstaltungen gab es auch nicht. | |
Vom Mischkonzept – das „[2][Café Leonar]“ und Veranstaltungsprogramm –… | |
aber der Jüdische Salon, der nicht nur dem Titel nach den einstigen | |
Berliner Salons einer Henriette Herz und Rahel Varnhagen nacheifert: | |
Regelmäßig lädt man Autoren, Regisseure, Wissenschaftler und Musiker zu | |
gepflegtem Parlieren ein. | |
Weil aber das zunächst genutzte Haus 2011 abgerissen wurde, musste der | |
Salon mit seinen Veranstaltungen einige Jahre lang nomadisieren, denn im | |
Interims-Sitz am Grindelhof 87 fand nur das Café Platz. Und dessen | |
Betreiber rangen sich erst 2013 dazu durch, sonntagabends zu schließen, um | |
Veranstaltungen des Salons zu ermöglichen. Umso bemerkenswerter, weil doch | |
Sonia Simmenauer Inhaberin des Café Leonar ist – und zugleich Vorsitzende | |
des Vereins hinter dem Jüdischen Salon. | |
Ab 2013 also gab es zweimal monatlich Veranstaltungen in den Räumen des | |
Cafés. Jetzt aber steht an alter Stelle ein Neubau, und darin gibt es | |
wieder einen Raum fürs Café und einen zweiten für den Salon. Am Donnerstag | |
steigt dort die erste Veranstaltung: Tal Alon, Redakteurin des | |
hebräischsprachigen Magazins [3][Spitz] aus Berlin, wird über ihre | |
Geschäftsidee berichten. Spitz „soll eine kulturelle, politische sowie | |
soziale Orientierung für israelische Emigranten darstellen“, sagt Alon, die | |
2009 mit ihrer Familie von Tel Aviv nach Berlin zog. | |
Im November wird dann Giulio Ricciarellis Film „Im Labyrinth des | |
Schweigens“ über die Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen gezeigt. Auch reist | |
der Autor und Journalist Arnon Grünberg aus New York an, um aus seinem | |
Roman „Der Mann, der nie krank war“ zu lesen. | |
„Wir erstellen ein Programm, das unserer Vorstellung von Jüdischsein | |
entspricht“, sagt Simmenauer. „Die besteht in Neugier auf das Anderssein | |
des Anderen.“ Das liege in der jüdischen Kultur begründet, die sich auf | |
viele Länder verteile und nicht nationsgebunden sei. | |
Zu den russischen Juden in der Stadt haben die Macher des Salons keinen | |
engeren Kontakt, auch der Dialog mit dem orthodoxen Rabbiner Shlomo | |
Bistritzky verläuft eher schleppend. „Rabbi Bistritzky könnte in unserem | |
Café nicht einmal Kuchen essen, selbst wenn er wollte“, sagt Sonia | |
Simmenauer, die sich selbst „eher Kulturjüdin als fromm“ nennt – „wir | |
kochen nicht koscher“. Der Salon verstehe sich eher als liberal und | |
gegenwartsverbunden. Man wolle keine Shoah-Gedenkstätte sein. | |
Gleichwohl erinnern kaum irgendwo in Hamburg so viele davon an die | |
Vergangenheit wie hier im Grindelviertel: Stolpersteine, die der Kölner | |
Künstler Gunter Demnig in ganz Deutschland für Nazi-Opfer verlegt. Dass | |
Demnig bei nichtjüdischen Betroffenen [4][den Jargon der Täter verwendet] – | |
Worte wie „Volksschädling“ oder „Rassenschande“ –, findet Simmenauer… | |
in Ordnung. „Worte wie ’Gewohnheitsverbrecher‘ verführen dazu zu denken: | |
Das war ein Verbrecher, der wird schon zu Recht bestraft worden sein.“ Auch | |
diese Menschen seien ja Opfer der Nazis gewesen. „Man sollte da keine | |
Unterschiede machen“, sagt Simmenauer. „Im Leid sind alle eins.“ | |
Erste Veranstaltung in den alten, neuen Räumen am Grindelhof 59: „,Spitz‘ … | |
das hebräische Magazin in Berlin“ mit Chefredakteurin Tal Alon: Do., 30. | |
10., 20 Uhr | |
26 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.salonamgrindel.de/ | |
[2] http://www.cafeleonar.de/ | |
[3] http://spitzmag.de/auf_deutsch | |
[4] /!147981/ | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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