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# taz.de -- Armee organisiert „Miss Uganda“-Wahl: Sexy Hühnermist
> Jauche statt Laufsteg: Seitdem die Armee die Wahl der Miss Uganda
> organisiert, müssen die Models Kühe melken und Äcker umgraben.
Bild: Melken statt Taillenmessen: „Miss Uganda“ Leah Kalanguka.
KAMPALA taz | Ugandas Schönheitskönigin Leah Kalanguka kniet in
Gummistiefeln und Jeans unter einer Kuh, um sie sie zu melken. Dabei lacht
sie in die Kamera – ein Foto, das in dem kleinen ostafrikanischen Land auf
den Titelblättern aller Tageszeitungen prangte.
Ugandas jährlicher Schönheitswettbewerb zur Miss Uganda hatte in diesem
Jahr einiges an Überraschungen zu bieten: Anstatt um Pobacken und
Taillen-Größe ging es der Jury in erster Linie um die Schmutzresistenz und
Fertigkeiten der ugandischen Frau in Sachen Ackerbau und Viehzucht. Anstatt
knapp bekleidet in hochhackigen Schuhen über den Laufsteig zu stöckeln,
mussten die zwanzig Kandidatinnen des nationalen Wettbewerbs in einem
einwöchigen Camp auf einer Farm außerhalb der Hauptstadt zeigen, dass sie
nicht nur Kühe melken, sondern auch Traktor fahren und den Ackerboden
umstechen können. Dabei standen sie mitunter knöcheltief in der Jauche.
„Die Miss Uganda ist ein Vorbild für junge Leute. Wenn die Miss Uganda
Landwirtschaft bewirbt, dann erwarten wir, dass zumindest ein Teil der
jungen Leute diesem Traum folgen wird“, sagt Janet Nalugya,
Projektkoordinatorin der Miss-Uganda-Stiftung.
Landwirtschaft ist das Rückgrat der ugandischen Wirtschaft und das
Aushängeschild des afrikanischen Landes. Nirgendwo in der Welt gibt es so
gute Böden, so viele Ernten im Jahr. Uganda gilt als Brotkorb Ostafrikas.
Hierher flüchten sich die Menschen aus den Nachbarländern Kongo und
Südsudan, wenn in ihrer Heimat aufgrund des Bürgerkrieges die Ernte
ausfällt. Denn in Uganda gibt es immer Lebensmittel zu niedrigen Preisen.
Wer hier ein paar Samen auf die Erde wirft, kann in drei Monaten Mais
ernten.
In Uganda kauft das UN-Welternährungsprogramm WFP Lebensmittel von Bauern
ein, um sie an Bedürftige in Krisengebieten überall in Afrika zu verteilen.
Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterhält selbst eine gewaltige Farm, auf
der mehrere tausend Rinder grasen. Der Präsident träumt davon, dass
ugandische Bauern in Zukunft sogar europäische Supermärkte mit Ananas und
Kochbananen beliefern, aus Bio-Anbau wohlgemerkt.
## Landwirtschaft soll sexy werden
Doch jetzt gibt es ein Problem: Angeblich sei die Landwirtschaft unter den
Jugendlichen, die immerhin die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, als Job
nicht mehr beliebt. Dabei liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei weit über 50
Prozent der Schulabgänger und ist ein großes gesellschaftliches Problem.
Das soll sich jetzt alles ändern, meint Präsident Musevenis jüngerer
Bruder, General Salim Saleh, der als Berater des Präsidenten in
Militärfragen tätig ist.
Deswegen rief er vor einigen Monaten die Armee auf, die Landwirtschaft auf
Vordermann zu bringen – vor allem, indem sie die Jugend zum Mitmachen
engagiere. Ugandas Armee (UPDF) wandte sich dann wiederum an die
Miss-Uganda-Stiftung, die den nationalen Wettbewerb ausrichtet. Kühe melken
und Hühner rupfen soll wieder sexy werden. So die Idee.
Wenn in Uganda etwas nicht ganz nach dem Kopf des Präsidenten geht, dann
wird stets die UPDF herbeibeordert, um es zu richten. Ugandas Armee ging
1986 nach jahrelangem Krieg und erfolgreicher Machtübernahme aus Musevenis
Rebellenorganisation hervor. Übersetzt lautet ihr Akronym: „Ugandische
Kräfte zur Verteidigung des Volkes“, sie sieht sich selbst als wahre
Volksarmee. Sie ist eine entscheidende, wenn nicht die entscheidende
Machtsäule von Musevenis 28-jähriger Herrschaft.
Da das Land derzeit immer mehr im Korruptionssumpf versinkt, ist immer
öfter die Armee gefragt. Das zeigt sich in fast allen Bereichen: von der
Regierungsführung über die Verwaltung bis hin zur Wirtschaft. Ugandas
bisheriger Armeechef General Aronda Nyakairima wurde zum Innenminister
ernannt, um den Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden die Korruption
auszutreiben. Soldaten sollen die verrotteten Schienenstränge aus der
britischen Kolonialzeit vom Unkraut befreien, um die Eisenbahnlinien wieder
funktionstüchtig zu machen. Jetzt soll die UPDF auch noch das staatliche
Agrarförderungsprogramm NAADS übernehmen, dessen gewaltige
Subventionszahlungen an kleine und mittelständische Bauern von Beamten
veruntreut worden waren. Im Zuge dessen kam General Saleh dann die Idee,
ugandische Schönheiten einzuspannen, um wieder mehr junge Leute zu
Ackerbauern zu machen.
## Lieber tanzen als ernten
Doch das finden Ugander nicht positiv: Oppositionelle sehen in diesen
Maßnahmen eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft. Auch
Frauenrechtlerinnen betrachten die feindliche Übernahme des
Schönheitswettbewerbs durch die Armee mit gemischten Gefühlen. „Der
ugandische Wettbewerb hat eine neue Abwärtsspirale in Gang gebracht – und
zwar in jenes Höllenfeuer, das Frauen allein nach ihrem Aussehen bemisst.
Jetzt werden sie auch noch danach bewertet, wie ihre Körper mit Hühnerkacke
aussehen“, so der Kommentar der Bloggerin Kagure Mugos in der britischen
Tageszeitung The Guardian.
Die Zeiten nämlich, in denen Ugandas Frauen mit Spitzhacken auf dem Acker
standen, sind zumindest in der jungen, urbanen Generation längst
Geschichte. Dies bezeugt nicht zuletzt der Bildungshintergrund der
diesjährigen Preisträgerin selbst: Die 23-jährige Leah Kalanguka
absolvierte an Kampalas Staatsuniversität Makerere einen Bachelor in
Computertechnologie. In ihrer Freizeit geht sie lieber tanzen oder
Volleyball spielen anstatt die Ernte einzuholen.
Ihre Konkurrentinnen sind Orthopädinnen oder Journalistinnen, die meisten
leben in der Großstadt Kampala. Kühe melken und knöcheltief im Hühnermist
stehen – das war für alle Kandidatinnen eine neue Erfahrung. „Es fühlte
sich gut an, ich dachte: Ach du meine Güte, daher kommt die Milch, die ich
jeden Tag trinke“, sagte die 23-jährige Flavia Ibyara gegenüber einem
lokalen TV-Sender, als sie auf der Farm zum ersten Mal in ihrem Leben eine
Kuh anfassen musste.
Immerhin: Zur Preisverleihung durften die Wettbewerberinnen dann auf den
Laufsteg. In goldenen Kleidern und Stöckelschuhen – und nicht in Flecktarn
und Gummistiefeln.
16 Nov 2014
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Uganda
Landwirtschaft
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Afrika
Uganda
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Uganda
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