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# taz.de -- Flüchtlings-Schule in Berlin: Sechs Jahre Haft für Totschlag
> Ein 41-jähriger Flüchtling hatte im April einen 29-Jährigen wegen eines
> Streits um eine Dusche erstochen. Nun wurde er zu einer Haftstrafe
> verurteilt
Bild: Der Angeklagte Nfamara J. während des Prozesses.
BERLIN taz | Die Tat sei als nicht als Notwehr gerechtfertigt. Diesen Satz
wiederholt der Vorsitzende Richter Thomas Heymann immer wieder, als er am
Freitag das Urteil verkündet: Fünf Jahre und neun Monate für den 41-jährige
Gambier Nfamara J. – wegen Totschlags in einem minder schweren Fall. Der
Angeklagte hatte am 25. April 2014 in der von Flüchtlingen besetzten
Gerhart Hauptmann-Schule in Kreuzberg einen Mitbewohner im Streit um die
Benutzung der einzigen Dusche erstochen.
Neun Stichverletzungen hatte der Gambier dem 29-jährigen Marokkaner Anwar
R. mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser zugefügt. Bereits der zweite
Stich hatte die Aorta geöffnet. Seit Mitte Oktober hatte die Strafkammer
verhandelt.
Fast eine Stunde dauert die Urteilsbegründung. Mit gesenktem Kopf, wie die
meiste Zeit in diesem Prozess, sitzt der Angeklagte neben seinem
Dolmetscher, der ihm leise in Mandinka, seiner Heimatsprache, übersetzt.
Richter Heymann spricht langsam, macht Pausen, damit der Dolmetscher
mitkommt. Der Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Sein Mandant habe
in Notwehr gehandelt. Eine Mischung aus Verwirrung, Furcht und Schrecken
habe zu der Tat geführt, so der Rechtsanwalt.
Das Gericht sieht es anders. Aber es folgt auch nicht dem Staatsanwalt, der
sieben Jahre Haft gefordert hatte. Streitigkeiten um eine Bagatelle und
Sprachschwierigkeiten seien kulminiert, so Heymann. R. habe eine Mitschuld
an dem Konflikt: Der Marokkaner sei deutlich aggressiver gewesen als der
Schwarzafrikaner, er habe J. provoziert und beleidigt. R. habe J. den
Zutritt zur Dusch verweigert. Das alles sei sehr kränkend gewesen.
Aber R. sei unbewaffnet gewesen und habe den Angeklagten in keiner Form
körperlich attackiert, so dass dieser um seine Unversehrheit habe fürchten
müssen. Der Einsatz des Messers sei absolut unverhältnismäßig gewesen. "Man
kann nicht bei einem minimalen Angriff mit dem schlimmsten Mittel antworten
und einen Menschen töten," so Heymann.
Mildernd bewertet das Gericht, dass der mit einem Schengenvisum nach
Spanien eingereiste Landarbeiter J. zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt
gekommen war. Unter Berufung auf Zeugenaussagen beschreibt der Richter J.
als in sich gekehrten, ruhigen Mann, der stets hart gearbeitet habe, um
seiner Familie in Gambia Geld schicken zu können. Der Angeklagte habe
deutliche Reue gezeigt, durch die Haftsituation sei er besonders bestraft.
Im Unterschied zu Häftlingen, die in Berlin eingebettet seien, sei der
Gambier im Gefängnis viel stärker isoliert.
Auch dem Getöteten widmet der Richter ein paar Worte. Zeugen hätten Anwar
R. zwar nicht als sonderlich sympathischen Menschen geschildert. Aber
davon, dass er ein Brutalo im klassischen Sinne gewesen sei, könne keine
Rede sein. Auch Anwar R. habe Verwandte, die um ihn trauern.
Bald komme die Zeit, in der nur noch von Nfamara J. die Rede sein werde,
sagt der Richter. Zum Bespiel, wenn es um die Frage seiner Resozialisierung
gehe. Nach der Hälfte der Strafe könnte J. – seine Zustimmung vorausgesetzt
– nach Gambia ausgewiesen werden.
Die Zustände in der Schule hatten für die Bewertung der Tat keine Rolle
gespielt. Auf Tatfotos habe er aber gesehen, wie die Wohnsituation und die
hygienischen Verhältnisse waren, so Heymann: „Gelinde gesagt: sehr
primitiv“. PLUTONIA PLARRE
14 Nov 2014
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Flüchtlinge
Gerhart-Hauptmann-Schule
Berlin
Totschlag
Gerhart-Hauptmann-Schule
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