# taz.de -- Die Wahrheit: Merkel und ihr Whau Whau | |
> Neues aus Neuseeland: Beim Staatsbesuch der Bundeskanzlerin in Aotearoa | |
> überschlagen sich die deutschen Medien vor Nichtigkeiten. | |
Vorigen Freitag, als Angela Merkel erstmals auf Staatsbesuch in Auckland | |
einfiel, verschlug es mich in die entgegengesetzte Richtung – in ein | |
Schweigeseminar. Das musste leider dringend sein und war zeitlich geschickt | |
eingefädelt. Denn solch ein Puffer hilft, um anschließend besser zu | |
begreifen, was Aotearoa eigentlich widerfuhr. | |
Nichts schärft die Sinne so wie tagelange Meditation in der Stille, nur von | |
Magengrummeln und dem halbstündlichen Gong einer tibetischen Klangschale | |
unterbrochen. Kein Handy-Empfang, keine E-Mails, keine Weltnachrichten. | |
Dafür steife Knie vom Lotussitz. | |
Während ich sechs Stunden am Tag ommmte und atmete und mein Hirn zu | |
bändigen versuchte, verpasste ich die beiden entscheidenden Momente, die um | |
den Globus gingen. Zum Glück waren die weit angereisten Kollegen von Stern | |
bis Spiegel dabei und hielten fest: Merkel bekam einen Maori-Nasenkuss. Und | |
Merkel streichelte einen Kiwi-Vogel. Der hieß „Whau Whau“. | |
Es war das erste Mal seit siebzehn Jahren, dass ein deutsches | |
Staatsoberhaupt die lange Reise antrat. Helmut Kohl war der letzte Germane, | |
der die 24 Stunden Flug wagte, und wurde prompt auf der Südhalbkugel in | |
Badehose abgelichtet. Es war seitdem auch garantiert das erste Mal, dass | |
Neuseeland es politisch bis in die Bild-Zeitung schaffte. Der politische | |
Teil des Textes beschränkt sich jedoch darauf, dass die Hauptdarstellerin | |
auf dem Weg zum G-20-Gipfel in Brisbane war. Die restliche | |
Berichterstattung ist eine Art Gebrauchsanweisung für alle Bild-Leser, die | |
noch nie von diesem komischen Flecken Erde da unten am Globusrand gehört | |
haben. | |
Mein tägliches Umfeld im scharfen Blick der deutschen Presse zu sehen – das | |
ist wie einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Was bei alteingesessenen | |
Korrespondenten, die betriebsblind zu werden drohen, ab und zu so brutal | |
nötig ist wie Stille für einen überarbeiteten Kopf. Das erfrischt. Kein | |
Geschwafel von Natur und Hobbits. Keine einschläfernden Analysen wie in der | |
Welt: „Die Beziehungen zu Neuseeland sind unspektakulär gut.“ Nein, gleich | |
aufs Wesentliche konzentrieren und die Rosinen aus dem Kiwi-Kuchen picken: | |
„Schrilles Neuseeland – Kriegstänze und Sex mit Schafen“. | |
Besser hätte ich es auch nicht formulieren können. Wenn auch nicht so | |
mutig. Jahrelang versuche ich an dieser Stelle tapfer, mich zu den großen | |
Tabuthemen meines Exillandes vorzuarbeiten, ohne die Ausbürgerung zu | |
riskieren – und dann macht ein treffsicherer, eingeflogener Kollege diese | |
Arbeit auf einen Schlag. Das ist Fallschirmjournalismus vom Feinsten. Ich | |
hätte glatt noch eine Woche weiter meditieren sollen. | |
Darüber vergisst man das aktuelle Drama des deutschen Beinahepolitikers im | |
Lande, dem verschärfte Kautionsauflagen samt Gefängnis drohen. Kim Dotcom | |
twitterte, dass dieses Jahr der reinste Horror sei: „Ich habe viele Schläge | |
eingesteckt. Aber ich werde nicht zerbrechen. Ich werde für meine Kinder | |
durch diese Hölle gehen.“ Schweigen und meditieren könnte da helfen. | |
20 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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