| # taz.de -- Die Wahrheit: Endlich wieder Possum-Pie | |
| > Neues aus Neuseeland: An der wilden Westküste Aotearoas kämpfen zwei | |
| > aufrechte Wirtsleute für ein leckeres Gericht aus gutem | |
| > Beutelsäugerfleisch. | |
| Pukekura liegt an der wilden Westküste Aotearoas, wo sich Sandfliegen, | |
| Angler und Goldgräber gute Nacht sagen. Einwohnerzahl: zwei. Wetter: | |
| Dauerregen. Haupteinkommen der Region: Possums das Fell über die Ohren | |
| ziehen. | |
| Das „Bushman’s Centre“ von Pukekura, das als Minimuseum zwei rostige | |
| Wagenräder vor der Tür und innen ein verstaubtes Sammelsurium von | |
| ausgestopften Nagern aufweist, bezeichnet der Reiseführer „Lonely Planet“ | |
| als „heruntergekommenste Touristenaktion Neuseelands“. Willkommen im tiefen | |
| Süden. | |
| Die Kneipe mit Übernachtungsmöglichkeit im Pionierstil gegenüber serviert | |
| von der Straße Zusammengekratztes namens „Possum im Scheinwerferlicht“. Da | |
| möchte man doch gern einkehren. Denn so trostlos und desolat, wie er | |
| klingt, ist dieser gottverlassene Flecken keineswegs. In Pukekura tobt die | |
| Revolution. Dort wird noch für die Freiheit des Jägers gekämpft. Das | |
| Zweiseelendorf ist die aktivste Zelle des Widerstands gegen den | |
| allmächtigen Bürokratenstaat, der echte Kiwis in den Wahnsinn treibt. Damit | |
| ist jetzt zumindest in Pukekura erst mal Schluss: Dort darf endlich wieder | |
| der berühmte Possum-Pie verzehrt werden. | |
| Der ist an der gesamten Westküste berühmt – er ist handgefertigt von Peter | |
| und Justine Slater, Einwohner Nummer eins und zwei. Ein Jahr lang haben die | |
| Pub-Besitzer von Pukekura sich aufgelehnt. Bis zum Oktober vorigen Jahres | |
| konnten sie unbehelligt ihre Pies verkaufen, die mit Possum-Fleisch gefüllt | |
| waren. Das ist so ziemlich das politisch korrekteste Ökofleisch der Welt, | |
| denn die lästigen Nager sind eine Landplage und müssen ausgerottet werden, | |
| um die Natur Neuseelands zu erhalten. Warum sie dann nicht gleich noch | |
| essen? Ist sinnvoll und schmeckt – angeblich nach Hase oder Meerschwein. | |
| Ein Possum-Gericht aus Pukekura gewann gar einen kulinarischen Preis. | |
| Doch die Behörden stellten sich plötzlich krumm und verlangten von den | |
| Slaters, als deren eingefrorene Bestände ausliefen, dass sie ihre | |
| Pie-Füllung vom offiziellen Fleischbeschauer inspizieren lassen müssten. | |
| Die Vorschrift lautet, dass ein kommerziell verarbeitetes Tier zehn Tage am | |
| Leben erhalten und zweimal untersucht werden muss. Daraufhin bewarb sich | |
| Peter Salter, der sich bestens mit Jagen, Schlachten und Häuten auskennt, | |
| als sein eigener Fleischbeschauer. Dann verlangten die Behörden, dass er | |
| ein staatlich angestellter Beamter sein müsse. Und verklagten ihn. | |
| Peter und Justine Salter ließen sich nicht stoppen. Sie boten eisern weiter | |
| Possum-Pies an und umgingen die Vorschriften ganz einfach, indem sie das | |
| Essen gegen eine Spende verschenken. Jetzt gewannen sie vor Gericht: Sie | |
| haben sich mit ihrem Geschäftsmodell nicht strafbar gemacht. Die Pies | |
| verschenken sie weiter. Mit den Spenden-Einnahmen unterstützten sie eine | |
| Kampagne gegen das aus der Luft verteilte Gift „1080“, mit dem der Staat | |
| seit Jahren Possums bekämpft. So wollen sie ihren Nachschub sichern. Denn | |
| nur ein erlegtes Possum ist ein essbares Possum. Es lebe der | |
| Buschmänner-Aufstand. | |
| 22 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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