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# taz.de -- Dokumentarfilm „The Green Prince“: Verraten, um zu schützen
> Der Dokumentarfilm „The Green Prince“ erzählt die unglaubliche Geschichte
> von Mussab Hassan Yussef – dem Sohn des Hamas-Gründers.
Bild: Mussab Hassan Yussef arbeitete undercover für den israelischen Inlandsge…
Dem „Krieg gegen den Terror“ verdankte das Kino in den vergangenen Jahren
einige merkwürdige und auch erschütternde Erzählungen – man erinnere sich
an Alex Gibneys Oscar-prämierte Dokumentation „Taxi zur Hölle“ (2007) oder
„Der Eid“ (2010) von Laura Poitras. Aber keine Geschichte ist so
unglaublich wie die von Mussab Hassan Yussef, Sohn des Hamas-Gründers
Hassan Yussef. Vor vier Jahren veröffentlichte Yussef junior das Buch „Sohn
der Hamas“, in dem er enthüllte, dass er zehn Jahre lang undercover für den
israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet gearbeitet habe.
Im Alter von 18 Jahren wurde er das erste Mal von der israelischen Polizei
verhaftet. Im Gefängnis habe er die Brutalität der Terrororganisation mit
eigenen Augen gesehen. Inhaftierte Hamas-Mitglieder hätten in
Gefangenschaft parallele Machtstrukturen aufgebaut und seien mit Gewalt und
Folter gegen vermeintlich abtrünnige Palästinenser vorgegangen. Die Hamas,
die er in israelischen Gefängnissen erlebte, so Mussab in seinen Memoiren,
habe nichts mit dem Lebenswerk seines Vaters zu tun.
Der Satz fällt auch in Nadav Schirmans Dokumentation „The Green Prince“
(der Deckname des Spitzels Yussef) an entscheidender Stelle. Es ist seine
Rechtfertigung dafür, mit dem israelischen Geheimdienst, den Feinden des
Vaters, kooperiert zu haben. Eine Entscheidung, so betont er, die in den
Augen seiner Familie und Freunde die größte vorstellbare Schande darstelle.
Dramaturgisch gesehen ist dies der Schlüsselsatz des Films, weil er die
Fallhöhe von Mussads Geschichte bestimmt.
## Die einzige Quelle
Richtig klar werden einem seine Beweggründe ob der schwerwiegenden
Konsequenzen dieser Entscheidung dennoch nicht. Das liegt nicht nur daran,
dass Mussad sich als wenig verlässlicher Erzähler entpuppt (in den
Interviewpassagen wirkt er eher etwas irre, weil er beim Reden meist
manisch in die Kamera starrt). Er ist neben Gonen Yitzhak, seinem
Kontaktmann in der Schin Bet, auch die einzige Quelle, auf die „The Green
Prince“ sich beruft.
Alle anderen Bildbeweise, die Schirman verwendet, sind zweifelhafter
Herkunft: Drohnenaufnahmen, pixelige Videos von Verhören, nicht
bezeichnetes Nachrichtenmaterial, einige – so scheint es zumindest –
Privataufnahmen. Schirman montiert diese Bilder zu einem packenden
Spionagethriller, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine an
sich hochinteressante Geschichte für das Kino unnötig spektakulär – und
zwangsläufig spekulativ – in Szene gesetzt wird.
Diese Gemengelage macht es dem neutralen Betrachter, der angesichts der
verfahrenen Situation in Israel und den besetzten Gebieten, ohnehin zu
Skepsis angehalten ist, nicht gerade leicht, dem undifferenzierten
Bilderfluss Vertrauen zu schenken.
## Ein psychologisch geschulter Geheimdienststratege
Glaubt man nun Yussefs Darstellung, hat die Geschichte eine durchaus
tragische Qualität. Um seinen Vater, der dem gemäßigten Flügel der Hamas
angehört, zu schützen, musste er ihn verraten, weil er im Gefängnis vor
möglichen Anschlägen des israelischen Geheimdienstes sicher war. Gonen
Yitzhak inszeniert sich gegenüber dem emotionalen Yussef als besonnener
Kopf, ein psychologisch geschulter Geheimdienststratege, der vor der Kamera
seine Tricks offenlegt, mit denen er seinen Schützling auf die Seite der
Israelis lockte.
So wird „The Green Prince“ am Ende auf einen (Ersatz-)Vater-Sohn-Konflikts
reduziert. Ein Junge tritt aus dem Schatten des übermächtigen Vaters. Er
muss sich mit dessen Feinden arrangieren, um ihn zu retten. Yitzhak
wiederum gibt seine Karriere auf, um die Abschiebung Mussads aus den USA zu
verhindern. Die Familie Yussef hat inzwischen jeglichen Kontakt mit dem
Sohn eingestellt. Mit seinem ehemaligen Mentor telefoniert Mussad, so ist
im Abspann zu lesen, einmal pro Woche. Es ist ein seltsames Happy End, das
auch als optimistische Allegorie auf die Probleme im Nahen Osten nicht so
richtig taugen will.
27 Nov 2014
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Hamas
Israel
Film
Schwerpunkt Überwachung
Fatih Akin
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