# taz.de -- Journalistin über Presse in Afghanistan: „Ich muss weitermachen�… | |
> Bedroht, verfolgt, einen Bombenanschlag knapp überlebt: Die Afghanin | |
> Farida Nekzad über Angriffe durch die Taliban und ihr Leben in Hamburg. | |
Bild: Die Familienmitglieder einer afghanischen Journalistin, die wegen ihrer A… | |
taz: Frau Nekzad, Sie arbeiten seit knapp 15 Jahren als Journalistin in | |
Afghanistan. Wie sind die Bedingungen für weibliche Journalistinnen in | |
Ihrem Land? | |
Farida Nekzad: Offiziell gibt es Pressefreiheit, aber es gibt viele Leute, | |
denen das nicht passt, vor allem Warlords und Kriminelle. Sie gehen gegen | |
jeden vor, der ihre Machenschaften aufdeckt, gegen Frauen ganz besonders. | |
In den vergangenen Jahren hat es extreme Gewalt gegen Frauen gegeben, ihnen | |
werden die Nasen angeschnitten, sie werden vergewaltigt und ermordet. Die | |
Täter werden fast nie verfolgt. | |
Was ist Ihnen passiert? | |
Ich erhalte seit fast zehn Jahren regelmäßig Drohungen, per Mail und | |
Telefon. 2003 wurde ich im Taxi beinahe entführt, weil meine Agentur gerade | |
eine Geschichte über Warlords geschrieben hatte. Ich habe nur überlebt, | |
weil ich aus dem fahrenden Auto gesprungen bin. Seitdem wechsle ich ständig | |
die Autos, wenn ich in Afghanistan unterwegs bin. Anfang des Jahres ließen | |
Taliban auf dem Flur vor meinem Büro eine Bombe explodieren. | |
Wusste Ihre Familie von der Bedrohung? | |
Am Anfang konnte ich es ihnen nicht sagen, sie hätten mich nicht | |
weiterarbeiten lassen. Ich lebe mit meinem Ehemann und seiner Großfamilie | |
in Kabul, wir stehen uns alle sehr nah. Aber 2007 schaltetet ich die | |
Polizei ein, nachdem ich auf der Beerdigung einer Freundin einen Anruf | |
bekam: „Tochter Amerikas, wir werden dich umbringen.“ Da habe ich meine | |
Familie eingeweiht. Mein Mann ist auch Journalist, er versteht, wie wichtig | |
mir der Job ist. Er hat mich immer unterstützt und tut es jetzt auch, wir | |
skypen und telefonieren regelmäßig. | |
Trotzdem sind Sie noch lange in Afghanistan geblieben. Warum haben Sie sich | |
jetzt entschieden zu gehen? | |
Vor allem wegen meiner Tochter. Kurz bevor wir uns entschieden haben, aus | |
Afghanistan zu fliehen, wurde ein afghanischer AFP-Journalist mit seiner | |
Frau und seinen zwei Kindern in einem Hotel in Kabul ermordet. Meine | |
Tochter hat die Bilder im Fernsehen gesehen und war geschockt. Tagelang hat | |
sie immer wieder gefragt: „Warum machen das die Taliban? Warum ermorden sie | |
Kinder?“ Nach dem Anschlag auf mein Büro hat sie nächtelang geweint. Sie | |
ist doch erst vier, sie sollte das alles nicht mitbekommen müssen. | |
Wie geht es Ihnen in Hamburg? | |
Gut, ich fühle mich sicher, und vor allem kann ich mich darauf verlassen, | |
dass es meiner Tochter gut geht. Ich kann Sie in den Garten zum Spielen | |
schicken, ohne Angst zu haben, dass ihr etwas passiert. Ich selbst lerne | |
Deutsch, halte Vorträge, treffe verschiedene Organisationen und Leute und | |
arbeite an meinem Buch über Bürgerjournalismus. | |
Bürgerjournalismus? | |
Dass heute fast jeder Afghane ein Handy besitzt, ist der größte Fortschritt | |
der letzten Jahrzehnte. Das eröffnet uns Journalisten ganz neue | |
Möglichkeiten: Plötzlich erreichen wir junge Leute und Frauen – und vor | |
allem sie uns. Wir wollen den Menschen beibringen, dass sie mit ihren | |
Handys stärker partizipieren, uns SMS schreiben oder anrufen, wenn es | |
Berichtenswertes in ihrer Region gibt. Da reicht ein kurzer Text: „Wir | |
haben eine Schule, aber keine Lehrer. Schreibt ihr drüber?“ | |
Sie haben mit Ihrem Mann die Nachrichtenagentur Wakht (Zeit) aufgebaut. Wie | |
arbeiten Sie? | |
In unserem Büro in Kabul arbeiten 24 Investigativjournalisten, Männer und | |
Frauen. Wir haben zehn Korrespondenten in den größten Provinzen. Um alle | |
Regionen zu besetzen, fehlt uns das Geld. Deswegen wollen wir den | |
Bürgerjournalismus weiter voranbringen. | |
Wie wird Ihre Nachrichtenagentur Wakht finanziert? | |
Wir haben Abonnenten, vor allem afghanische Medien, schalten Werbung und | |
verkaufen Bilder. Wir bekommen aber auch Geld von verschiedenen | |
Nichtregierungsorganisationen aus den USA. | |
Wie geht es für Sie weiter? | |
Mein Aufenthalt ist noch bis zum nächsten Sommer finanziert. Dann will ich | |
zurück. Es gibt nicht viele Frauen, die für Menschenrechte in Afghanistan | |
kämpfen. Ich muss weitermachen. | |
1 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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