| # taz.de -- Die Wahrheit: Mord im Zahntasialand | |
| > Der Wahrheit-Krimi frei nach Colgate Christie spielt in der dentalen Welt | |
| > von Chefermittler Corega, der einen Mord im Mundmilieu aufklären soll. | |
| Bild: Corega ließ sein weltberühmtes Zahnweißlächeln aufblitzen. | |
| Ladies and Dentalmen, lehnen Sie sich zurück, öffnen Sie Ihren Mund und | |
| staunen Sie. Erleben Sie eine mitbeißende Geschichte. | |
| Was war das? Ein Mord? Offensichtlich. Dort, wo zuvor noch ein mit Gold | |
| verplombter Zahn gestanden hatte, klaffte nun eine riesige Lücke. Doch wer | |
| war der Täter? Chefermittler Corega tabste im Dunkeln. Ein fauliger Dunst | |
| lag über der Mundhöhle. Und der Speichel tropfte in Bindfänden auf ihn | |
| herab. Nachdenklich stellte er sich beim Überbiss unter. | |
| „Ich muss das Übel endlich an der Zahnwurzel packen“, dachte er. Sein Magen | |
| knurrte. Am liebsten hätte er Pasta gegessen, Zahnpasta, doch die gab es | |
| nicht. Zum Glück hatte er noch ein Brot dabei, dick bestrichen mit | |
| Zahnbelag. Er wollte gerade hineinbeißen, als er ein ungewöhnliches | |
| Geräusch hörte. Jemand spielte Mundharmonika. Im selben Moment stoppte der | |
| Speichelfluss, der vom Zahnschmelz gespeist wurde, und eine einsame | |
| Wind-Parodonthose wirbelte über der Senso-Düne tote Bakterien auf. | |
| „Im Western nichts Neues“, dachte Corega. Doch er irrte, denn plötzlich war | |
| er umringt von einer Bande Kau-Boys. Seitdem der Goldzahnrausch vorüber | |
| war, hatten diese fauligen Halunken reichlich Langeweile. Nun waren sie | |
| ganz offenbar gewillt, Corega das blutige Zahnfleisch über die Ohren | |
| ziehen. | |
| „Chef, was sollen wir tun? Ihn durchbohren und seinen Kiefer brechen?“, | |
| fragte Hinten-Rechts seinen Anführer. Der nickte. Sein Name war | |
| Dschingiszahn. Er war opulent gekleidet und trug einen teuren Zungenpelz | |
| aus feinster Zahnseide. Dschingiszahn war einer, der ausgezogen worden war, | |
| um das Fürchten zu lehren. | |
| „Biss hierhin und nicht weiter“, dachte Corega und suchte nach einem | |
| Ausweg. | |
| Plötzlich sah er eine Zahnlücke. Wenn er sie erreichen konnte, wäre er | |
| gerettet. Er musste die Kau-Boys nur ablenken. Doch wie? | |
| „Vorsicht, Plombe!“, rief plötzlich jemand und warf ein | |
| Caramba-Atomic-Bonbon in den Mundraum. Es war der Zungenschaber, der immer | |
| gern ein bisschen Schabernack trieb. Genau diesen Moment der Ablenkung | |
| nutzte Corega, um zu flüchten. Er schlüpfte durch die Zahnlücke, kroch | |
| unter der Gaumenspalte entlang und rannte einen steilen Zahn hinauf. | |
| Unglücklicherweise stolperte er dabei über einen kleinen Kotzbrocken, | |
| rutschte auf der Mundschleimhaut aus und stürzte mit dem Kopf voran gegen | |
| eine Brücke. Für einen Moment war er örtlich betäubt. | |
| Als er wieder erwachte, umhüllte ihn dichte Mundflora. Vor ihm saß ein sehr | |
| alter Zahn. Es war Meister Perlweiss, der weise Weisheitszahn. Er war in | |
| tiefer Meditation versunken – unter einem Oberkiefer. Schon vor langer Zeit | |
| hatte er seine Wurzeln zum normalen Zahnsein gekappt und allem süßen Leben | |
| entsagt. | |
| „Meister, ich brauche eure Hilfe“, sagte Corega. „In diesem Maul ist ein | |
| Mord geschehen.“ | |
| Ohne die Augen zu öffnen, sprach der Meister die weisen Worte: „Vor dem | |
| Schlafen, nach dem Essen, Zähneputzen nicht vergessen.“ | |
| „Was soll das bedeuten?“, fragte Corega. Wie in fernöstlichen | |
| Mampfkunst-Filmen üblich würde er die Antwort in der Natur finden. Deshalb | |
| beobachtete er ein paar Lachse … pardon, Prophylachse, die im Speichelfluss | |
| schwammen – solange, bis die übermäßig starke Speichelbildung sie | |
| davontrug. Und dann begriff er – alles ist im Floss. Er musste nur lange | |
| genug warten, dann würde die Lösung ganz von allein kommen. Und | |
| tatsächlich, bald darauf kam sie. In Form eines blutrünstigen, verbissen | |
| dreinblickenden T-Rex. Oder Teeth-Rex. | |
| „Bitte, bitte friss mich nicht“, rief Corega ängstlich und blickte in das | |
| weit aufgerissene Maul des Dinos. Was er dort sah, ließ ihn staunen. Da | |
| waren überhaupt keine Zähne, nein, da war rein gar nichts. Es war der | |
| blanke Wahnsinn. | |
| „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte er überrascht. „Kassenpatient�… | |
| sagte der Dino und begann zu weinen. „Ich bin ein Teethless-Rex. Mein Name | |
| ist Gildo, Rex Gildo. | |
| „Und wo sind deine Zähne?“ | |
| „Ich hab mich in ein Karamell-Bonbon verliebt und mir leider daran die | |
| Zähne ausgebissen.“ | |
| „Dann hast du so schrecklich geschrien?“ Gildo nickte. Corega atmete | |
| erleichtert auf. Er war in letzter Zeit so empfindlich wie angegriffener | |
| Zahnschmelz. Vielleicht sollte er einfach mal wieder Urlaub auf einer | |
| Bohr-Insel machen, er brauchte nach einem langen Jahr endlich Urlaub. Der | |
| Zahn der Zeit nagte selbst an ihm. Doch er wusste auch, dass Weihnachten | |
| unmittelbar vor der Tür stand und dass man ihn gerade dann hier brauchte. | |
| Karius und Baktus, die beiden üblen Schurken, würden wie immer über | |
| Weihnachten die liebe Familie besuchen. Immerhin konnte er sich wie jedes | |
| Jahr zu Weihnachten etwas von der Zahnfee wünschen. | |
| Was er sich wünschte? Eine ordentliche Mundspülung. Er war ein Zahnsolo und | |
| hatte gewisse Bedürfnisse. Einige mögen das anzüglich finden, für Corega | |
| jedoch war es ganz normal. Er hatte keine Gewissensbisse, denn oral mochte | |
| er es immer noch am liebsten. | |
| 19 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Stickling | |
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