# taz.de -- Nachruf Joe Cocker: Der Mann der geborgten Lieder | |
> Jahrzehntelang soff er wie ein Loch. Dazu nahm Joe Cocker alle Drogen, | |
> die er in die Hand bekam. Nun ist eine der Größen des Bluesrock | |
> gestorben. | |
Bild: Cocker singt 2002 in Papenburg „With A Little Help From My Friends“. | |
Wenn er sang, dann klang es, als wäre sein Rachen rundum mit grob gekörntem | |
Schmirgelpapier ausgeschlagen. Und dann war da noch dieser | |
markerschütternde Schrei, der unmöglich aus der Kehle kommen kann, sondern | |
nur aus den dunklen Untiefen einer geschundenen Seele. Um dieser Klangwucht | |
Ausdruck zu verleihen, musste dabei sein ganzer Körper sprechen. Am Montag | |
ist Joe Cocker im Alter von 70 Jahren in seiner Wahlheimat, dem kleinen Ort | |
Crawford in den Bergen Colorados, an den Folgen von Lungenkrebs gestorben. | |
Joe Cocker wird 1944 in der nordenglischen Stahlkocherstadt Sheffield | |
geboren, schmeißt früh die Schule und wird Gasleitungsinstallateur. Doch | |
bereits als Teenager will er mehr vom Leben. Die Kellerbühnen der Pubs | |
werden zu seiner Heimat. Obwohl er nicht perfekt singen kann und schon gar | |
nicht tanzen, geschweige denn ein Instrument beherrscht oder Noten lesen | |
kann. Er nimmt die paar Pfund Gage genauso mit, wie er literweise warmes | |
Bier in sich hineinlaufen lässt, dass ihm umsonst hingestellt wird. | |
„Schon damals schenkte ich amerikanischen Blues-Musikern, wie John Lee | |
Hooker, Muddy Waters oder Howlin’ Wolf weitaus größeres Interesse, als der | |
heimischen Beatmusik von den Rolling Stones oder den Beatles“, erinnert | |
sich Joe Cocker in einem Interview. Und doch sollten es die Lieder der | |
Beatles werden, die ihn in die große weite Welt des internationalen | |
Konzertgeschäfts katapultierten. Der erste Versuch allerdings, die | |
Interpretation von „I'll Cry Instead“ aus der Filmmusik des Beatles-Films | |
„A Hard Day's Night“ aus dem Jahre 1964, interessiert nicht wirklich | |
jemanden. | |
Und doch, wer Joe Cocker schon damals gehört hat, der hatte nie ein Chance, | |
ihn und seine Stimme je wieder zu vergessen. So schafft es Joe Cocker ins | |
Vorprogramm der Rolling Stones. Einen Plattenvertrag ergattert er auch. Im | |
November 1968 hat er mit „With A Little Help From My Friends“ in England | |
endlich den lang ersehnten Nummer-Eins-Hit. Im Frühjahr 1969, kurz vor | |
seinem 25. Geburtstag, ruft Amerika. Joe Cocker hat dort erste | |
Festivalauftritte. Er steht mit Jimi Hendrix und Janis Joplin beim | |
Newport-Festival auf der Bühne, beim Denver Pop-Festival mit Led Zeppelin | |
und Creedence Clearwater Revival. | |
## Pennies für eine Flasche Gin | |
Am 17. August 1969 ist es dann soweit, Joe Cocker tritt beim Woodstock | |
Music and Art Festival vor über 500.000 Menschen auf und im Rahmen eines | |
explosiven Konzerts entfährt ihm der Schrei seines Lebens. „Let's Go Get | |
Stoned“ heißt ein Lied, das im Original 1966 von The Coasters gesungen | |
wird. Joe Cocker interpretiert es ebenfalls auf der Bühne in Woodstock. | |
Die Textzeile „I've got a few pennies, I'm gonna' buy myself a bottle of | |
gin“ leuchtet fortan wie eine Flammenschrift über seinem Leben. Es ist | |
nicht nur der Gin, der fortan seinen Kopf und Körper vernebelt und Joe | |
Cocker tief stürzen lässt. „Drogen gab es überall und ich stürzte mich auf | |
alles, was ich kriegen konnte“, erzählt er rückblickend, „ich brauchte | |
Jahre um aus dieser Abwärtsspirale rauszukommen“. | |
Seine spätere Frau Pam Baker hilft ihm, sein Leben zu ändern. „Sie machte | |
mir klar, dass die Leute mich immer noch singen hören wollten“, fährt er | |
fort, „und sie schafft mit dem Kauf einer Ranch in Colorado ein Refugium, | |
wo es Ruhe für uns gab. Und das Züchten von Tomaten tat ein Übriges.“ Als | |
König der geborgten Lieder kehrt er, wie Phönix aus der Asche, zurück. „Up | |
Where We Belong“, das mit einem Grammy und einem Oscar ausgezeichnete Duett | |
mit Jennifer Warnes ist der Wendepunkt in seiner Karriere. | |
## Generationsübergreifend beliebt | |
Seine weiteren großartigen Interpretationen reichen vom Lovin' | |
Spoonful-Cover „Summer In The City“ über das Randy Newman-Lied „You Can | |
Leave Your Hat On“,Paul McCartneys „She Came Through The Bathroom Window“ | |
bis zu hin zu Bobby Sharps „Unchain My Heart“. Deutschland hat für Joe | |
Cocker immer eine besondere Bedeutung. Schließlich ist in nahezu jedem | |
Haushalt eins seiner Alben zu finden. So ist Cocker hierzulande | |
generationsübergreifend stets der kleinste gemeinsame Musiknenner. | |
Sein für 2015 angekündigtes neues Album konnte der Sänger nicht mehr | |
vollenden. Doch um in Erinnerungen zu schwelgen, gibt es mit „Fire It Up – | |
Live“ einen vortrefflichen Livemitschnitt aus Köln. | |
23 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Franz-Xaver Zipperer | |
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