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# taz.de -- In den Redwoods: Der grüne, wilde Norden
> Kalifornien ist mehr als San Francisco und Los Angeles. Der Norden ist
> urwüchsig, geprägt von Mammutbäumen und vom Marihuanaanbau.
Bild: Unter dem mächtigen Redwood-Baum.
Sanft bricht die Sonne durch den dichten Nebel über der Bucht vor Trinidad.
Der Dunst über dem Pazifik färbt sich hellrosa, dann rötlich, bis er
verfliegt und den Blick auf ein spektakuläres Panorama freigibt. Auf
kleine, baumbewachsene, jäh gezackte Felsen im Pazifik, den Pier, an dem
die Boote der Krabbenfischer vertäut sind, Wälder, die am Horizont bis an
Meer reichen.
Trinidad liegt fünf Autostunden nördlich von San Francisco. Es hat ein paar
Hundert Einwohner, einen Supermarkt, ein paar Kunstgewerbegeschäfte. Man
lebt vom Fischfang und dem überschaubaren Tourismus. Im Sommer, wenn es im
Süden glühend heiß ist, ist der Ort beliebt – wegen des kühlen Nebels. Ein
paar Kilometer im Süden findet sich ein kilometerlanger Sandstrand, im
Norden ein Strand mit einer Lagune, die sich zum Paddeln eignet. Eine
aufregende Landschaft, mal felsig, rau und schroff wie die Küste Irlands,
ein paar Kilometer weiter fast mediterran.
Die Attraktion der Gegend sind die gewaltigen Redwoods, die bis zu 2.000
Jahre alten Sequoia-Bäume. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden 95 Prozent
gefällt. Im Redwood-Nationalpark, der ein paar Kilometer nördlich von
Trinidad beginnt, steht rund die Hälfte aller Sequoias. Hier findet sich
auch der amtlich höchste Baum der Welt, 115 Meter hoch, 2006 entdeckt.
## Die Grünen mit Mehrheit im Stadtrat
Trotz der Redwoods ist der Norden weniger touristisch als das berühmte Big
Sur. Der Pazifik ist hier kalt, auch im Sommer. Die Region ist dünn
besiedelt, fast ohne Industrie und Großstädte. Es ist eine Gegend, die
schon lange Hippies und Aussteiger anzog. In Arcata, einer
15.000-Einwohner-Kleinstadt ein paar Meilen südlich von Trinidad, kann man
die Relikte dessen, was früher Gegenkultur genannt wurde, besichtigen.
Arcata war der erste Ort, in dem die Grünen die Mehrheit im Stadtrat
stellten. 2003 verweigerte die Stadt jede Zusammenarbeit mit FBI und CIA,
aus Protest gegen den repressiven Patriot Act. Fast-Food-Ketten sind
erlaubt, aber ihre Anzahl ist beschränkt. Seit Kurzem sind Plastiktüten
verboten. Auch Rauchen ist in der Innenstadt verboten – selbst draußen vor
der Tür.
Arcata ist nicht die vitale, pulsierende Stadt, als die sie in manchen
Reiseführern beschrieben wird. Sie ist eigentlich eine ziemlich
unauffällige Kleinstadt. Längst nicht so charmant wie Trinidad. Und ohne
die auf Meeresbiologie spezialisierte Universität wäre Arcata noch
langweiliger.
Und: Es gibt viele Obdachlose. Ein paar sind Althippies, die nie an die
Zukunft gedacht haben, manche Opfer der Reagonomics. Seit den 80er Jahren
wurden viele Einrichtungen für psychisch Kranke geschlossen. Außerdem ist
in Kalifornien die Unterstützung für Obdachlose vergleichsweise hoch. In
Arizona wurde schon mal One-Way-Busfahrkarten nach Kalifornien an
Obdachlose verteilt.
Arcatas Ruf in alternativen Kreisen fußt neben politischer Widerständigkeit
auf Marihuanaanbau. Gras ist halblegal. Kranke dürfen mit ärztlicher
Genehmigung, die allerdings offenbar weitherzig gehandhabt wird, Marihuana
anpflanzen, auf höchstens 12 mal 12 Fuß, also rund 10 Quadratmetern.
Allerdings nur für den Eigenbedarf. Marihuana zu verkaufen oder zu
verschenken ist de jure verboten.
## Stellengesuch für die Grasernte
Versteckt in den Wäldern gibt es große Plantagen, die oft von mexikanischen
Wanderarbeitern betreut werden. Mitunter stehen auch Althippies mit dem
Schild „Experienced trimmer“ am Straßenrand – ein Stellengesuch als
erfahrener Helfer bei der Grasernte. Laut Schätzungen hängt etwa die Hälfte
der Wirtschaft in Arcata vom Marihuana ab. Seit der halben Legalisierung
der Produktion, die mehr oder weniger jedem, der es will, Marihunaanbau
erlaubt, sind die Preise im Keller.
Einheimische winken bei der Dauerdebatte um Marihuana entnervt ab. Graham
Hill ist Sheriff im 20 Meilen südlicher gelegenen Rio Dell. „Das FBI
interessiert sich nur für Felder, die mehr als 10.000 Pflanzen haben“, sagt
er. Und: Was viele in der Region störe, seien die Kollateralschäden des
illegalen Anbaus. Die Wanderarbeiter lassen in den Wäldern ihren Müll
liegen oder kippen sorglos Benzin in Bäche im Nationalpark.
In Colorado, USA, ist der Kauf von Gras für den privaten Gebrauch seit
Anfang des Jahres legal. In Nordkalifornien nicht. Zudem ist die erlaubte
Anbaufläche für den medizinisch wertvollen Anbau von Gras von County zu
County verschieden, was die Sache auch für Experten unübersichtlich macht.
3 Jan 2015
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Nationalparks
Paddeln
Seilbahn
Irland
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