# taz.de -- Stigmatisierung von MigrantInnen: „Depressionen und Ängste“ | |
> Der klinische Psychologe Erhabor S. Idemudia forscht künftig in Bremen zu | |
> den Auswirkungen von Rassismus auf afrikanische Migranten in Deutschland. | |
Bild: Die deutsche Kultur kann Stress auslösen: Viele afrikanische Migranten l… | |
taz: Herr Idemudia, warum haben es afrikanische Migranten gerade in | |
Deutschland so schwer? | |
Erhabor S. Idemudia: Das hängt damit zusammen, dass Deutschland – im | |
Gegensatz zu Großbritannien, Frankreich und Spanien – kaum koloniale | |
Beziehungen mit Afrika hatte. Darüber hinaus haben wir in einem Buch | |
herausgearbeitet, dass die psychische Belastung der Migranten höher wird, | |
je länger sie in Deutschland geblieben sind. | |
Aus welchem Grund? | |
Die Ursache liegt in der Diskriminierung und im Rassismus. Vor allem in der | |
jeweiligen Arbeitsumgebung, im Wohnen und in den strengen deutschen | |
Gesetzen. Wir haben auch beobachtet, dass es Migranten, die älter als 60 | |
Jahre sind, vorziehen, das Land wieder zu verlassen. | |
Was raten Sie Menschen, die unter Rassismus leiden? | |
Wir machen Publikationen, die dazu gedacht sind, die Öffentlichkeit zu | |
sensibilisieren, aber auch deutsche Beamte, die für | |
Migrationsangelegenheiten verantwortlich sind, die Polizei, das | |
Gesundheitspersonal und Politiker. Darüber hinaus gibt es Pläne, nach der | |
aktuellen Studie, weitere Informationen über Broschüren, Bücher, Print- und | |
elektronische Medien zu verbreiten. | |
Sie beschäftigen sich als klinischer Psychologe mit den Problemen | |
sogenannter vulnerabler, also benachteiligter Personengruppen. Wer ist | |
damit gemeint? | |
Meine derzeitigen Forschungen umfassen Häftlinge – einschließlich | |
afrikanischer Migranten und Flüchtlinge in europäischen Gefängnissen, | |
Frauen und Kinder und geistig behinderte Menschen. | |
Warum ist es sinnvoll, so unterschiedliche Menschen in einer Kategorie zu | |
fassen? | |
Theoretisch ist es sinnvoll, gefährdete Gruppen, die fast an ein und | |
derselben psychologischen Auswirkung leiden, zusammenzufassen. Es scheint | |
bei diesen Gruppen Überschneidungen zu geben. | |
Sie kommen nach Bremen, um hier zu den Auswirkungen des deutschen Rassismus | |
auf afrikanische Migranten zu forschen. | |
Die Zeit in Bremen soll mir helfen, weiter mit afrikanischen Migranten in | |
Europa zu forschen. Auf der Grundlage theoretischer, psychologischer und | |
statistischer Daten soll eine neue Studie, Daten aus sechs EU-Ländern | |
sammeln und analysieren. Das Ergebnis dieser Studie soll anschließend in | |
einem Buch veröffentlicht werden. Es wird eine hektische Zeit mit jeder | |
Menge Reisen innerhalb europäischer Länder. Außerdem werde ich an anderen | |
damit zusammenhängenden Projekten mit den Professoren Klaus Böhnke und | |
Michele Gelfand an der Bremen International Graduate School of Social | |
Sciences (BIGSSS) arbeiten. | |
Wie gehen Sie vor? | |
Ich beschäftige mich mit vier Schwerpunktbereichen: Erstens mit der | |
angewandten klinischen Forschung in Gefängnissen und Strafanstalten sowie | |
mit der Flüchtlings- und Migrationsforschung. Zweitens mit der | |
afrikanischen Psychologie und Psychopathologie afrikanisch orientierter | |
Interventionsmethoden, die vom Verständnis ausgehen, dass die Zuschreibung | |
von Krankheit auf kulturellem Wissen in Afrika basiert. Drittens sind | |
Kultur und Geisteskrankheit meine Kernthemen und schließlich geht es | |
viertens um die damit verbundenen Gender-Fragen. | |
In Ihrem Buch „I’m an Alien in Deutschland“ haben Sie gemeinsam mit ander… | |
Forschern die mentale Verfassung afrikanischer Einwanderer in Deutschland | |
untersucht. Mit welchem Ergebnis? | |
Unsere Forschungen haben Zusammenhänge zwischen Geschlecht, dem | |
wahrgenommenen Rassismus und der psychischen Gesundheit afrikanischer | |
Migranten aufgezeigt: Stress wegen kultureller Anpassung und | |
Werteorientierungen beeinflussen die psychische Gesundheit maßgeblich. | |
Was heißt das? | |
Afrikanische Migranten, die sich Macht- und Leistungswerten hingeben, | |
verfügen über eine schlechtere psychische Gesundheit als Migranten, die | |
weniger Wert darauf legen. Selbsttranszendenz ist verwandt mit einer guten | |
psychischen Gesundheit. | |
Sie meinen, wenn Menschen die Grenzen ihrer Erfahrung überschreiten? | |
Eine Orientierung an Werten der Offenheit gehen mit einer stärkeren | |
Wahrnehmung von Rassismus einher. | |
Sie sprechen von akkulturativen Stress, was bedeutet das genau? | |
Das ist der Stress, der aus Akkulturation, also dem Prozess eines Wandels | |
der eigenen Kultur und der psychologischen Folgekrankheiten von solchen | |
Veränderungen hervorgeht. Das kann sowohl Gruppen als auch Einzelne | |
beeinträchtigen. | |
Gibt es einen spezifisch deutschen Rassismus, der sich von dem in anderen | |
Ländern unterschiedet? | |
Leider wurde diese Studie zum Rassismus, den afrikanische Migranten | |
wahrnehmen, nur in Deutschland durchgeführt. Aber der aktuellen | |
Georg-Forster-Preis soll auch dafür verwendet werden, eine ausgefeiltere | |
Forschung in sechs EU-Ländern durchzuführen. | |
Unter welchen psychischen Auswirkungen des Rassismus leiden afrikanische | |
Einwanderer besonders? | |
Unter Depression, Somatisierung und Ängsten. | |
2 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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Schwerpunkt Rassismus | |
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Flüchtlinge | |
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