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# taz.de -- Die Wahrheit: Adams Rippe
> Wie der Machtkampf an der Spitze der Alternative für Deutschland
> vergangene Woche plötzlich zu seinem vorläufigen Ende kam.
Bild: Der ehemalige Frankfurter Allgemeinplatzjournalist Konrad Adam
Wütend saß Konrad Adam in der Berliner AfD-Zentrale unter einem Gemälde
Prinz Eugens, der gerade Wien vor den osmanischen Horden rettete. Er
brütete an seinem Schreibtisch über der perfiden Mail, die ihn früh an
diesem Freitagmorgen erreicht hatte. Was wollten der größenwahnsinnige
Lucke und die abgefeimte Petry von ihm? Dass er seinen Posten als
gleichberechtigter Parteivorsitzender zum Monatsende räumte? Freiwillig?
Das war ja wohl die Höhe. Er, der Ex-FAZ-Redakteur Adam, war doch der Mann,
der die erfolgreichste Parteineugründung seit den Grünen mit seiner
Reputation und seinem historischen Wissen im Innersten zusammenhielt!
Kleine Rauchwölkchen entwichen seinen Ohren. Er spürte, wie der Wahnsinn
auf ihn zurollte und ihn zu verschlingen drohte. Genauso hatte es
angefangen, als er zu Jahresbeginn die unverschämte Mail von Hans-Olaf
Henkel erhalten hatte. Der abgehalfterte Industrielobbyist hatte ihn in
aller Öffentlichkeit „schrullig“ genannt, hatte darüber hinaus die
impertinente Formulierung gewählt, er, Adam, sei ja wohl „total „von der
Rolle“ und merke das nicht einmal!
Und wie er das merkte! Der Kretin irrte gewaltig. Seine, Adams, Rolle war
die des erzkonservativen Publizisten, der der jungen Partei Seriosität und
Anschlussfähigkeit an die alteuropäische Geistes- und Militärtradition
verlieh. Diese Rolle wurde ihm allerdings von dem früheren
Provinzjournalisten Gauland streitig gemacht, der sich überdies an die
Pegidesen ranschmiss wie eine fette alte Zecke. Verrückt! Kein wahrer
Geistesadliger würde sich so gemeinmachen mit Menschen, die großteils nicht
einmal Abitur hatten. Schon gar nicht im Fernsehen!
Just die Bescheidenheit des Konrad Adam war es doch, die die Partei hatte
aufblühen lassen. Dass niemand sein Gesicht kannte, machte ihn zum
herausragenden Repräsentanten der unzufriedenen Massen, deren Gesicht
ebenfalls niemand kannte! Seine geltungssüchtigen Mitstreiter hatten ihn
zuletzt indes spüren lassen, dass ihre Prominenz ein Machtfaktor geworden
war. Sie hörten einfach nicht mehr auf ihn, steckten sich bei seinen
Vorträgen sogar die Finger in die Ohren. Tintenkleckser hatten sie ihn
genannt. Dabei nutzte er schon seit Jahren einen hochmodernen
Neun-Nadel-Drucker!
## „Herein, wenn's kein anatolischer Änderungsschneider ist“
Als ihm gerade ein Batzen Schaum vor den Mund treten wollte, klopfte es an
der Bürotür. „Herein, wenn’s kein anatolischer Änderungsschneider ist“,
grunzte Adam. Doch welche Überraschung: Es war die Vorstandskollegin Frauke
Petry! Mit ihr zusammen hatte er in den vergangenen Wochen erfolgreich die
ewige Rampensau Lucke demontiert. Nun forderte sie eiskalt seinen, Adams,
Kopf, warum auch immer. „Hallo, lieber Konnie!“, flötete sie und schloss
die Tür hinter sich. „Schon die Mail gelesen? Wir bräuchten mal flott deine
Unterschrift unter dem Vorstandsbeschluss?“
„Du Giftschlange“, sagte Adam kühl und verschränkte seine Arme vor der
Brust. „Ich wüsste nicht, wieso ich ...“ Sie stand plötzlich direkt vor
ihm. Was war das? Er hatte kaum Platz, seine Augen zu reiben. „Weil du
musst ...“, sagte Petry mit einem unirdischen Timbre in ihrer Stimme. „Es
gibt Gerüchte, ein gewisser Jemand wolle 3.000 interne Mails an den Spiegel
weitergeben ...“
Adam wurde unbehaglich zumute. Hatte er das wirklich vor? Er wusste es
nicht, hatte ein wenig den Überblick über seine vielen parallel laufenden
Intrigen verloren. „Schwachsinn“, hub er an – doch da lag er schon am Bod…
und schrie auf. Er spürte, wie sich eines von Petrys Knien in seine Rippen
bohrte, wie es krachte und ihn ein furchtbarer Schmerz durchzuckte.
„Ich breche dir auch noch die anderen Rippen, wenn du nicht
unterschreibst“, donnerte Petry dunkel über ihm. „Du hast lange genug
Intrigen gesponnen, Tintenkleckser!“ Adam winselte ein paar Sekunden
weiter, aber er wusste, dass er verloren hatte. Trotz unerträglicher
Schmerzen krakelte er seine Signatur unter den Beschluss.
## „Ruf den Notarzt. Ich sag dem Chef Bescheid.“
Frauke Petry lächelte zufrieden. Da hörte sie die Tür und schnellte jäh
herum. Ins Büro trat der Kollege Gauland, der verwundert auf das Tohuwabohu
blickte und seinen Dolch unauffällig ins Gewand zurücksteckte. „Äh, alles
klar?“, fragte der Alte. „Absolut“, schnaubte Petry und erhob sich. „Ru…
den Notarzt. Ich sag dem Chef Bescheid.“
Ohne Eile schlenderte Petry durch die Flure zum Büro des Mitvorsitzenden,
der nun gewiss glaubte, er werde nach einer Übergangsphase alleiniger
Parteichef. Sie würde ihn nicht davon abbringen, solange er weiterhin der
Einzige blieb, der durch Zufall von ihrem unaussprechlichen Geheimnis
wusste ...
„Du kannst die Presse informieren“, kicherte Petry eine Minute später, als
sie Lucke das unterschriebene Papier reichte. „Wir beide werden
Doppelspitze, und alles weitere sehen wir später.“ Bernd Lucke schaute
misstrauisch und doch respektvoll, ja beinahe verliebt in die schwefelgrün
leuchtenden Augen seiner neuen Bundesgenossin Frauke Petry, Satans jüngster
Tochter.
26 Jan 2015
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
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