# taz.de -- Selbst organisierte Bildung: Eltern auf neuen Schulwegen | |
> Eine Elterninitiative versucht sich an der Gründung einer freien Schule, | |
> an der Kinder nach eigenen Vorlieben lernen können. Das „OK“ der Behörde | |
> steht noch aus | |
Bild: Nach Neigungen und Interessen lernen: Eine Elterninitiative bringt eine f… | |
BREMEN taz | Schule frustet nicht nur bei der heutigen Zeugnisausgabe – und | |
auch nicht nur diejenigen mit den schlechten Noten. Auf einem Infoabend der | |
in Gründung befindlichen „Freie Gemeinschaftsschule Bremen“ (FGS) klagten | |
vergangene Woche am nachdrücklichsten die LehrerInnen. | |
Einige sind seit Jahren im Dienst, andere kommen frisch aus dem | |
Referendariat. Sie sprechen von „Leistungsdruck“, „Anonymität“ und | |
„Entfremdung“ im staatlichen Schulsystem und wollen am liebsten ganz da | |
raus. | |
Martin Wandelt, einer der Schulgründer in spe, hat sein Kind noch auf der | |
Grundschule. Die sei „OK“, sagt er, aber die Sorge, was danach komme, | |
treibe ihn um. Darum hat er zusammen mit anderen beschlossen, eine eigene | |
Schule zu gründen. Eine ganz kleine: Nur rund 50 SchülerInnen sollen dort, | |
verteilt auf die Jahrgänge fünf bis zehn, unterkommen. | |
Ein Gebäude gibt es schon – direkt am Sebaldsbrücker Bahnhof. Einen | |
Finanzierungsplan haben die Eltern auch vorzuweisen: mit Krediten und | |
Schulgeld nach deren Selbsteinschätzung. Wenn diese im Schnitt 150 Euro pro | |
Monat zahlten, wäre das genug. Und zumindest auf dem Papier steht dann auch | |
das pädagogische Konzept. Die gerade mal 36 Seiten beschreiben allerdings | |
eher einen groben Rahmen. Die konkreten Inhalte müssten sich dann im | |
laufenden Betrieb ergeben, sagt Wandelt – und veränderbar bleiben. | |
Wichtig ist den FGSlern jedenfalls, dass die Kinder nach ihren Neigungen | |
und Interessen lernen können. Auch über den Stoff entscheiden sie zu Beginn | |
des Schuljahres selbst. Die daran beteiligten LehrerInnen sollen einerseits | |
sicherstellen, dass die Bildungsziele der Regelschulen erreicht werden und | |
sich andererseits aber auch selbst mit ihren persönlichen Neigungen | |
einbringen. | |
Eine dieser Lehrerinnen ist Gaby Kumm. Dass ein Kind, wenn es wirklich die | |
Wahl hat, nicht lernen will, kann sie sich nicht vorstellen. Kumm gibt an | |
diversen Schulen Kurse in gewaltfreier Kommunikation und kennt sich daher | |
aus, wie sie selbst betont. „An Bewertungen glaube ich nicht“, beantwortet | |
sie die Frage eines Vaters, der sich nach Noten erkundigt. | |
Im Konzeptpapier stehen die zwar schon, aber Wandelt sagt, dass sei an der | |
FGS nicht als persönliches Urteil sondern „immer nur im Hinblick auf den | |
Abschluss zu verstehen“. Den Anschluss an die gymnasiale Oberstufe zu | |
ermöglichen, ist zwingende Voraussetzung für die Zulassung der Schule durch | |
die Bildungsbehörde. | |
Dass viele Kinder, wenn man sie fragt, Noten haben wollen, liegt für Kumm | |
an bereits erfolgter Beeinflussung durch die Regelschulen. „Man kann das | |
System nicht mit dem System begründen“, sagt sie. Die Frage aber, was | |
Kinder tatsächlich von innen heraus wollen, beschäftigt den Gesprächskreis | |
noch weiter. Ein Besucher fragt zugespitzt, was Kumm etwa mit einem Schüler | |
täte, der sich für nichts als Waffen interessiere. Da wäre sie erschüttert, | |
sagt sie – und würde versuchen, herauszufinden was da schief gelaufen sei. | |
Die FSG vertraue auf die „natürliche Motivation“ der Kinder, sagt Wandelt. | |
Das sei aber etwas anderes als anti-autoritäre Erziehung. Insgesamt tun | |
sich die Aktiven der Initiative auf der Veranstaltung schwer, die mehrfach | |
gestellte Frage nach Vorbildern und theoretischer Verortung zu beantworten. | |
Das liegt allerdings nicht daran, dass sie nichts darüber gelesen hätten. | |
Ganz im Gegenteil: Die Gruppe diskutiert seit Jahren, hat andere freie | |
Schulen besucht und dabei vor allem sehr konkrete Vorstellungen vom dem | |
entwickelt, was sie nicht will. Es soll nicht so sein wie an den | |
staatlichen Schulen, nicht so wie bei den kirchlich ausgerichteten Privaten | |
und auch nicht so wie bei Waldorf. | |
Etwas schwierig zu vermitteln sei das laut Wandelt, weil das Konzept ja | |
erst entstehen müsse – weil es eben reagieren können soll auf die konkreten | |
Menschen, die da kommen möchten. Geben tut es die durchaus: Eltern, die | |
ihre Kinder bislang ins Umland kutschieren – nach Bassum oder Syke etwa. | |
Sieht man von Waldorf und Kirche ab, gibt es in Bremen keine freie Schule | |
oberhalb des Grundschulalters. | |
Das liegt auch daran, dass der Senat sich in den vergangenen Jahren nicht | |
gerade als experimentierfreudig erwiesen hat. Der letzte Versuch, eine | |
freie Grundschule zu gründen, scheiterte 2012 letztlich vor dem | |
Oberverwaltungsgericht gegen den energischen Widerstand der damaligen | |
Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD). | |
Ob die FGS mit deren Nachfolgerin Eva Quante-Brandt (SPD) besser fährt, | |
wird sich zeigen. Immerhin sind die Auflagen für weiterführende Schulen | |
erheblich lockerer als die der Grundschulen. Aber noch ist die Prüfung des | |
Konzepts in vollem Gang und laut Ressort-Sprecherin Christina Selzer ist in | |
den nächsten Tagen auch nicht mit einer Entscheidung zu rechnen. | |
Für Wandelt und seine MitstreiterInnen aber rennt die Zeit: Eigentlich soll | |
es bereits nach den Sommerferien für die ersten beiden Jahrgänge losgehen. | |
29 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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