# taz.de -- Die Wahrheit: Katastrophensex im Büro | |
> Neues aus Neuseeland: Drei bedeutende Nachrichten gab es in den letzten | |
> Jahren, die in die weite Welt gingen. Zwei davon habe ich verpasst. | |
In all meinen Korrespondentenjahren hat es nur drei große Weltnachrichten | |
aus meiner Region gegeben. Also solche, bei denen Redaktionen nachts | |
anrufen, damit man schnell was ins Telefon raunt, was als „Live-Bericht“ | |
läuft. Internationale Schlagzeilen produziert der terrorfreie Südpazifik | |
selten. Ich muss nur alle Jubeljahre auf Zack sein. Dann aber richtig. | |
Zum Glück – oder leider – habe ich die größte Katastrophe, die das klein… | |
feine, aber wackelige Aotearoa 2011 ereilte, immerhin live miterlebt. Als | |
Erdbebenopfer mit demoliertem Haus funktionierte ich in all dem Chaos | |
journalistisch nur rudimentär, aber ich war an Ort und Stelle. Nach drei | |
Wochen war unser Drama in Deutschland schon keine Nachricht mehr, denn dann | |
passierte Fukushima. | |
Ein Jahr später und erdbebentechnisch noch längst nicht aus dem Gröbsten | |
raus dann der zweite Schocker: Kim Dotcom, unsereins noch als Kim Schmitz | |
bekannt, wird in seiner Villa in Neuseeland verhaftet. Riesenrazzia mit | |
Helikoptern, das FBI mischt mit. Und wer erfährt als Letzte im ganzen Land | |
davon? Genau. Denn ich hatte mich den Sommer über mit Kind und Kegel, | |
Knarre und Kanus in die Wildnis der Westküste abgesetzt. Kein | |
Handy-Empfang, kein Internet: perfekt. Der nächste Außenposten der | |
Zivilisation zwölf Kilometer entfernt: Punakaiki. Dort bekommt man mit | |
Glück die Zeitung vom Vortag zu lesen. | |
So stand ich an jenem Sommertag im Café, nass geschwitzt vom Fahrradfahren | |
und stinkend vom Feuer, über dem meine Jungs Marshmallows geröstet hatten, | |
und ahnte nach dem Blick in The Press, dass gerade eine bescheidene | |
Korrespondentenlaufbahn ihr jähes Ende nahm. Denn die Nachricht der | |
hollywoodreifen Verhaftung des dicken Deutschen war bereits zwei Tage alt. | |
Und ich nicht in der Lage, mich aus dem Busch mal eben ins zwei Flüge | |
entfernte Auckland abzuseilen. Seitdem kennt man mich in Punakaiki gut und | |
gibt mir stets mitleidig Rabatt auf meinen Kaffee. Denn ich schlug dort für | |
zwei Tage mein Hauptquartier auf, hängte mich ans Handy und bekam irgendwie | |
doch noch etwas Druckbares zustande, wenn auch nicht direkt aus Kims | |
Epizentrum. | |
Und jetzt die dritte Katastrophe. Fast zwei Wochen ist es her, dass an | |
einem Freitagabend zwei Angestellte der Versicherungsfirma Marsh in | |
Christchurch eine wilde Nummer im hell erleuchteten Büro schoben, genau | |
gegenüber einer großen Kneipe. Dort wurde gejohlt und gefilmt, das Ganze | |
landete auf Facebook und ging als „office sex romp“ um die Welt. Ich war zu | |
dem Zeitpunkt ohne Internetempfang auf einem Musik-Festival und bekam das | |
voyeuristische Nachbeben erst einen Tag später mit. Typisch. | |
„Braucht Marsh Ltd. einen neuen Pressesprecher?“, schrieb mir ein Kollege | |
aus 18.000 Kilometer Entfernung. Schließlich meldete sich auch RTL, die | |
sich diesen Happen nicht entgehen lassen wollten. Nach all der Medienfurore | |
waren aber weder Pub-Betreiber noch Paarungspaar zu Interviews bereit. Ich | |
war zu spät dran. Vielleicht brauche ich ein Satellitentelefon, wenn’s | |
wieder irgendwo knallt. | |
12 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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