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# taz.de -- Abschuss: Wolf ohne Angst
> Ein Wolf in Schleswig-Holstein verletzte vier Schafe und hatte vor
> Menschen keine Scheu. Wenn er aggressives Verhalten zeigt, darf ein
> Wolfsbetreuer ihn erschießen.
Bild: Einer seiner Artgenossen darf ausnahmsweise getötet werden: frei lebende…
HAMBURG taz | In Schleswig-Holstein darf zum ersten Mal seit seiner
Rückkehr ein Wolf getötet werden. Das Tier hatte am Samstagmorgen vier
Schafe einer Herde im Kreis Herzogtum Lauenburg verletzt. Zwei Schafe
mussten eingeschläfert werden. Der Schäfer entdeckte den Wolf noch auf der
Weide, rief den lokalen Wolfsbetreuer dazu und versuchte, den Wolf zu
vertreiben – zunächst ohne Erfolg.
„Die beiden haben sogar versucht, mit einem Auto zwischen den Wolf und die
Schafe zu fahren“, sagt der Leiter des Wolfsinformationszentrums
Schleswig-Holstein, Wolf von Schenck. Den Wolf beeindruckte das nicht. Er
versuchte weiter, die Schafe anzugreifen. Erst nach rund 50 Minuten –
mittlerweile standen sechs Menschen schreiend vor ihm – habe sich das
Wildtier getrollt, sagte die Sprecherin des Umweltministeriums Nicola
Kabel. Eigentlich sind Wölfe scheue Tiere. Die Menschen kamen trotzdem bis
zu zehn Meter an das Tier heran. Aggressiv sei der Wolf nicht gewesen,
sagte Kabel – aber ein Wiederholungstäter.
Schon in Mecklenburg-Vorpommern wurde „höchstwahrscheinlich“ derselbe Wolf
mitten in verschiedenen Dörfern gesehen. Dort hatte er unter anderem
versucht, zu einer läufigen Hündin in einen Hof zu gelangen.
Das Umweltministerium in Kiel erteilte dem ehrenamtlichen Wolfsbetreuer
deshalb die Genehmigung, „das Tier gegebenenfalls mit Gummigeschossen zu
verscheuchen oder es in letzter Konsequenz zu töten“.
Diese Genehmigung gelte jedoch nur, wenn ebendieser Wolf in einem
vergleichbaren Fall einen Menschen gefährde, sagte Kabel – und schießen
dürfe nur der Wolfsbetreuer. „Die Tötung ist Ultima Ratio.“
Bisher wurden nur wenige Wölfe in Schleswig-Holstein gesichtet – der erste
nach fast 200 Jahren im April 2007. Er wurde von einem Auto angefahren und
verendete am Straßenrand. Weitere verhaltensauffällige Tiere gebe es hier
nicht, sagte Kabel.
„Trotz dieses Vorfalls ist die Jagd auf Wölfe nicht eröffnet“, sagte
Wolfsexperte von Schenck. Er hoffe, dass das Tier sein Verhalten ändert.
Der Ausflug auf die Schafsweide sei für den Wolf kein Erfolgserlebnis
gewesen. Satt geworden sei er nicht. Die Schafe blieben auf der Weide.
„Vielleicht hat das den Lerneffekt, dass der Wolf Schafe und Menschen nun
mit negativen Erfahrungen verknüpft“, so von Schenck.
Die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Schaf- und Ziegenzüchter,
Janine Bruser, sieht das skeptisch. „Dass sich der Wolf nicht vertreiben
ließ, ist alarmierend.“ Dieses abnormale Verhalten müsse Konsequenzen
haben, fordert sie. Schließlich ginge es in diesem Fall nicht nur um die
Sicherheit der Schafe, sondern darum, Menschen vor dem Wolf zu schützen.
„Die Tatsache, dass er etwas näher am Menschen war als gewöhnlich, reicht
nicht aus, um ihn zu töten“, sagte hingegen der Geschäftsführer des
Naturschutzbundes in Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski. In einem
solchen Fall müsse die Gefährdung durch den Wolf zunächst von Fachleuten
eingeschätzt werden. Dann müsse der Wolf mit „drastischen Mitteln“ lernen,
dass er sich dem Menschen nicht nähern dürfe. Den Vorschlag des
Umweltministeriums, Gummigeschosse gegen den Wolf einzusetzen, hält der
Naturschützer für sinnvoll. „Solche Tiere sind lernfähig. Sie wissen dann,
dass ihr Verhalten mit Schmerz verbunden ist.“ Erst wenn der Wolf sichtlich
aggressiv gegenüber Menschen werde, könne er erschossen werden. Aber auch
eine Umsiedlung sei eine Option.
Grund für die mangelnde Scheu des Tieres könnte falsch verstandene
Wolfsliebe sein, vermutet Ludwichowski. „Wenn Wölfe gefüttert werden und
Menschen mit Nahrung assoziieren, verändert das ihr Verhalten.“
Einen ähnlichen Verdacht hat auch Wolfsexperte von Schenck. „Beweise gibt
es aber keine.“ Die Zeit müsse nun zeigen, ob der Wolf sein Verhalten
ändere oder „ein gezielter Abschuss Schlimmeres verhindern“ müsse.
24 Feb 2015
## AUTOREN
Andrea Scharpen
Andrea Scharpen
## TAGS
Schwerpunkt Artenschutz
Nutztiere
Wölfe
Naturschutz
Niedersachsen
Niedersachsen
Jagd
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