# taz.de -- Vielfalt in den Museen: Migration als Modeerscheinung | |
> Die deutsche Museumslandschaft will sich in der Breite kulturell öffnen. | |
> Doch das stößt auch auf Widerstände. | |
Bild: Bild aus Berlin in den 1990er Jahren aus der Ausstellungsreihe „Migrati… | |
Sie sind auf besondere Weise miteinander verbunden: eine Gesellschaft und | |
ihre Museen. Schon lange wollen diese nicht mehr nur kulturelles Erbe | |
bewahren, sondern die Realität auch widerspiegeln, ja im besten Fall den | |
gesellschaftlichen Diskurs durch innovative museale Inszenierungen positiv | |
verändern. Die Wirklichkeit ist allerdings nicht immer so avantgardistisch. | |
Oft reproduzieren Ausstellungen stereotype Rollenbilder, statt mit ihnen zu | |
brechen. | |
Das zeigt sich besonders an den Themen Migration und Vielfalt. Spätestens | |
Ende der 1950er hat eine neue Welle der Arbeitsmigration auch die | |
Bundesrepublik unübersehbar zu einer Einwanderungsgesellschaft gemacht. Die | |
politische Einsicht dazu kam etwa 40 Jahre danach. Die bundesweit erste | |
große Ausstellung zum Thema Einwanderung war 1998 in Essen zu sehen: | |
„Fremde Heimat – Yaban, Sılan olur“. Noch immer gibt es in Deutschland k… | |
Migrationsmuseum. | |
Doch nicht zuletzt um neue Besuchergruppen anzusprechen, ist Migration ein | |
populäres Thema geworden, vor allem in Wechselausstellungen verschiedener | |
Stadtmuseen. Angestoßen wurde dies auch durch die Politik, die den | |
Kultureinrichtungen im nationalen Integrationsplan 2007 eine | |
„interkulturelle Öffnung“ verordnete. Daraufhin gründete der Deutsche | |
Museumsbund (DMB), der Interessenverband der Museen, 2010 den Arbeitskreis | |
Migration. | |
Ende vergangener Woche stellte dieser auf einem Kongress in Berlin den | |
Leitfaden „Museum, Migration und kulturelle Vielfalt“ vor. Der Tenor: | |
Museen sollen und wollen sich kulturell öffnen, Multiperspektivität und | |
Teilhabe sind entscheidende Bausteine. Gekommen waren über 100 Vertreter | |
von Museen und Hochschulen, unter ihnen Lorraine Bluche und Frauke Miera, | |
die Kuratorinnen der Ausstellungsreihe „Migration macht Geschichte“ am | |
Berliner Museum Friedrichshain-Kreuzberg FHXB. | |
Seit drei Jahren haben sie außerdem in einem Projekt des AK Migration vier | |
Museen dabei unterstützt, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund | |
einzuladen, um Exponate neu zu kommentieren und so Teilhabe zu ermöglichen. | |
Bluche gab zu bedenken: „Zu einer Öffnung der Institution gehört die | |
Öffnung nach innen wie nach außen, also in Bezug auf Publikum, Programm und | |
Personal.“ | |
Wie das aussehen kann, berichtete anschließend Mustafa Akça, der sich an | |
der Komischen Oper Berlin als „Brückenbauer“ versteht. Indem etwa Stücke | |
ins Türkische übersetzt werden, soll speziell die türkischstämmige | |
Community angesprochen werden. Aber auch Akça meinte, dass die | |
Leitungsebene der Museen entscheidend für deren Grad an kultureller Öffnung | |
sei. Während auf dem Kongress eine zum Teil demonstrative Einigkeit zu | |
herrschen schien, wurde nun deutlich, dass Wandel auch wehtut, so er mit | |
Kompetenzverschiebungen einhergeht. | |
## Stipendium „Migration und kulturelle Vielfalt“ | |
Denn die Entscheider an deutschen Museen, das wurde auf dem Berliner | |
Kongress auch deutlich, sind doch meist „deutsche Deutsche“. Dennoch | |
scheuten sie sich, von einer „Unterrepräsentanz“ von Migranten an Museen zu | |
sprechen. Belastbare Zahlen dazu hat der DMB nicht. Ein Versuch, Museen | |
herkunftsoffener und vielfältiger zu machen, ist das Stipendium „Migration | |
und kulturelle Vielfalt“. Es holt deutschlandweit zwölf AkademikerInnen mit | |
Migrationshintergrund für zwei Jahre an Museen. | |
Nach Berlin waren einige von ihnen gekommen – und berichteten auch von | |
Rassismuserfahrungen und Diskriminierungen aufgrund nichtdeutscher | |
Namen.Die Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbundes, Wiebke Ahrndt, warf | |
den StipendiatInnen jedoch vor, sich in eine „Opferrolle“ zu begeben. Und | |
ein älterer Herr, selbst Direktor eines historischen Museums, meinte, dass | |
das Thema Migration derzeit etwas sehr „en vogue“ sei. | |
Migration als Modeerscheinung? Während mancherorts, etwa am FXHB oder am | |
Historischen Museum Frankfurt, Migration, Teilhabe und Vielfalt | |
dazugehören, ohne immer explizit benannt zu werden, ist es insgesamt noch | |
ein weiter Weg bis zum selbstverständlichen Umgang damit. Bis zu einer | |
Perspektive, die der heutigen Globalisierung und Zusammensetzung der | |
Gesellschaften besser gerecht würde. | |
2 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
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