# taz.de -- Die Wahrheit: Kratzbürste de luxe | |
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Andrea „Brocken“ Nahles | |
> und ihr stetes Bestreben, einfach jeden auf die Palme zu bringen. | |
Bild: Könnte manchmal platzen vor Wut oder einfach so: Andrea Nahles. | |
Der Jürgen Trittin der Gegenwart hat einen Namen: Andrea Nahles. Ältere | |
Leser mit gut sortiertem Gehirn werden sich erinnern, dass der unter | |
Schröder lebende Bundesumweltminister nur mit viel Geduld und Spucke seine | |
Amtszeit überstand. Aber schwere Dellen davontrug, weil Atomindustrie, | |
konservative Politiker und eine traditionell mit rechter Schlagseite durch | |
den Tag schippernde Presse ihn bei jeder Gelegenheit zu zerstückeln | |
versuchten. Fast hätte die Bild-Zeitung, als alle anderen Kritikpunkte | |
verpufft waren, ihn noch mit einem gefälschten Foto aus der Bahn geworfen. | |
Es war bekannt, dass Trittin als tiefroter Student nicht bloß an Staat und | |
Wirtschaft ein wenig herumkratzen mochte, wie es das Vorrecht jeder | |
blühenden Jugend ist, sondern beide voll und ganz zusammentreten wollte. | |
Alle Alarmglocken gingen auf Halbmast, als er 1998 an die Macht kam. Doch | |
er hatte längst von der normativen Kraft der Realität gekostet: Statt das | |
komplette System umzudrehen, wollte er nur noch seine dunklen Flecken | |
reparieren und wünschte dem Kapitalismus alles Gute für seinen weiteren | |
Lebensweg. | |
Heute ist es die oben namentlich ausgerollte Arbeits- und Sozialministerin | |
Andrea Nahles, bei der unschuldigen Unternehmern, Konzernvorständen, | |
Sklavenhaltern und Ladenbesitzern die Hutschnur platzt. Nicht nur, dass sie | |
die Bundesrepublik Deutschland für ein Sozialamt hält und zum Beispiel | |
Werktätigen schon ab jugendlichen 63 Lenzen eine Rente einschenkt; sondern | |
vor allem die Erfindung eines flächenfressenden Mindestlohns lässt das | |
Nervenkostüm der Arbeitgeber die Wand hochgehen. Dabei beläuft sich der | |
gesetzlich festgebackene Mindestlohn von 8,50 Euro auf einen nur mit der | |
Lupe sichtbaren Bruchteil des Einkommens von Aufsichtsräten und Managern | |
und ihrer Politiker. Insbesondere bei der CSU, die für die Große Koalition | |
mithaftet, hängt der Himmel schief, kocht regelmäßig bei Horst Seehofer, | |
sobald er die Nahles auf dem Radar hat, die Suppe über. | |
Man sieht bereits den Sozialismus durchs Fenster einsteigen, wenn Andrea | |
Nahles als Nächstes den Unternehmen das Recht beschneidet, mithilfe von | |
Leiharbeit oder raffiniert gehäkelten Werkverträgen die Löhne auf | |
Schmalhans zu setzen und es der Allgemeinheit zu überlassen, die Leute zu | |
kleiden und zu füttern. | |
Man weiß, dass Andrea Nahles einst mit Oskar „Gottseibeiuns“ Lafontaine auf | |
offener Parteibühne ein Tänzchen hinlegte, dass in der bestehenden | |
Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung alle Möbel verrutschten; weiß, dass | |
sie den Krawall gegen die Agenda 2010 anführte und den eigenen Gerhard | |
Schröder am liebsten zerknüllt hätte; dass sie ihren braven, | |
wirklichkeitsnah gebügelten Parteivorsitzenden Franz Müntefering so | |
verärgerte, dass er übersäuerte und alle Brocken hinschmiss; und dass sie | |
bis heute als Mitherausgeberin der Zeitschrift für sozialistische Politik | |
und Wirtschaft existiert, die die Straße zum Kommunismus mit den dicken | |
Eiern der Monopolbourgeoisie zementieren will. | |
Doch alle Vorwürfe sind in den Wind geschissen, Nahles ist längst eine | |
andere Andrea geworden. Aus dem „Forum Demokratische Linke 21“ hat sie ihre | |
sechs Buchstaben abgezogen. Als Staatssekretär hat sie sich Jörg Asmussen | |
von der Europäischen Zentralbank, einen durchtrainierten Liebhaber des | |
Kapitals, besorgen lassen. Der Arbeiterbewegung beziehungsweise dem letzten | |
Häufchen, was von ihr übrig ist, legt sie mit dem Tarifeinheitsgesetz | |
Schrauben an, damit garstige kleine Gewerkschaften nicht den erwachsenen in | |
die Quere kommen und am Großen Ganzen, an Deutschland rütteln. | |
Andrea Nahles hat gelernt, dass der Kapitalismus nicht eingestampft werden | |
darf, sondern befriedet werden muss, damit er nicht eingestampft wird. | |
Schon 1995 verkündete sie stolz, um zur Juso-Vorsitzenden gewählt zu | |
werden, dass sie gesund sei und nicht am Marxismus laboriere. Stattdessen | |
wurde sie schon als kleines Mädchen vom Katholizismus angesteckt, wurde von | |
ihrer Kirche als Messdienerin benutzt und wäre gern Päpstin geworden, was | |
jedoch wegen eines kleinen Defekts vom ersten Atemzug an ausgeschlossen | |
war. | |
Sängerin wollte sie ebenfalls werden, welcher Berufswunsch aber an ihrer | |
fehlenden Stimme und Musikalität zugrunde ging. Ebenso verendete ihre | |
Hoffnung, Wissenschaftlerin zu werden, weil sie nach 200 Semestern | |
(Druckfehler, richtig: 20) Studium von irgendwas beim Magisterabschluss | |
stehen blieb und eine Doktorarbeit nach dem Startschuss verwelken ließ. | |
Niemals aber verwelkte ihre große Liebe zur Heimat, zur ererbten Eifel, zu | |
ihrem Wahlkreis mit Dörfern wie Trimbs, Plaidt, Kretz oder Hengasch; jede | |
Woche dengelt sie aus Berlin hinüber auf den ihr angeborenen Bauernhof, um | |
Mann und Kind zu besichtigen. | |
Und die Zukunft? Zwar kann man niemandem unter den Rock oder in die Hose | |
schauen, doch es gibt einige heiße Namen. Einer gehört Andrea Nahles – wenn | |
sie erst die neue Weltmacht Deutschland besitzt, wird die Macht über die | |
Welt nicht auf sich warten lassen! PETER KÖHLER | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Peter Köhler | |
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