# taz.de -- Geschichte revisited: Der Stein des Generals | |
> Der Stolperstein, der an der Horner Heerstraße an Hans Graf Sponeck | |
> erinnerte, ist spurlos verschwunden. Nun kann er nicht mehr, wie geplant, | |
> offiziell entfernt werden. | |
Bild: Bremen, Horner Heerstraße 23: letzte Spuren eines verschwundenen Stolper… | |
BREMEN taz | Der Stolperstein für Hans Graf Sponeck ist nur einer von | |
bereits 50.600 Steinen des europaweiten Gedenkprojekts für NS-Opfer. Aber | |
er ist der bislang einzige, der aus inhaltlichen Gründen offiziell wieder | |
entfernt werden sollte. Doch nun ist er auf ungeklärte, illegale Weise | |
verschwunden. | |
Im Weg vor der Horner Heerstraße 26 klaffte ein Loch, als Michael Cochu | |
dort vor wenigen Tagen vorbeikam. Cochu kennt die ambivalente Geschichte | |
des Wehrmacht-Generals Sponeck, die Debatten um rühmliche und unrühmliche | |
Teile von dessen Biografie. Schließlich hat der verrentete | |
Verwaltungsjurist selbst über Sponeck recherchiert, als ehrenamtlicher | |
Mitarbeiter des Stolperstein-Projekts. Die Entfernung des 2007 verlegten | |
Steins hält Cochu für gerechtfertigt – aber doch nicht so! | |
Als Kommandant auf der Krim rettete Sponeck zahlreichen seiner Soldaten das | |
Leben, in dem er eigenmächtig den Rückzug antrat. Er wurde dafür | |
hingerichtet. Andererseits war ihm das Leben von Russen und Juden nicht das | |
Geringste wert: Den Vernichtungskrieg im Osten trug er inhaltlich und | |
organisatorisch voll mit, wie jüngere Forschungen herausarbeiten. Kann ein | |
Beteiligter des Holocaust in derselben Form gewürdigt werden wie dessen | |
Opfer? | |
In Germersheim, wo Sponeck hingerichtet wurde und wo eine | |
Bundeswehr-Kaserne nach ihm benannt worden war, hat man sich bereits vom | |
früheren Namenspatron distanziert. Der Stützpunkt heißt jetzt | |
Südpfalz-Kaserne, so haben es die Bundeswehrangehörigen vor Ort per | |
Abstimmung entschieden. In Bremen hingegen schlagen die Wogen immer noch | |
hoch: Wenn man den Stein ausgrabe, könne man Sponeck „auch gleich ein | |
zweites Mal erschießen“, befand beispielsweise der langjährige Leiter der | |
stadtgeschichtlichen Abteilung des Focke-Museums, Heinz-Gerd Hofschen. Die | |
Träger des Stolperstein-Projekts, zu denen die Landeszentrale für | |
Politische Bildung gehört, waren trotzdem für die Entfernung. Auch Gunter | |
Demnig als Initiator der Stolpersteine forderte sie mit großer Vehemenz. | |
Auf den ersten Blick sieht an der Horner Heerstraße nun alles wieder normal | |
aus. Die Villa, in der Sponeck als Kommandeur der in Bremen stationierten | |
22. Infanterie-Division gewohnt hatte (wie vor ihm der spätere | |
Wehrmachts-Oberbefehlshaber Keitel) und in der nach dem Krieg angeblich der | |
CIA residierte, wird abgerissen. Der riesige Garten ist bereits gerodet, | |
„normale“ Stadtentwicklung also: Ein Investor errichtet „gehobene | |
Mehrfamilienhäuser“. Wer jedoch genau hinschaut, entdeckt noch einen | |
einzelnen, um Nuancen helleren Pflasterstein: Das Amt für Straßen und | |
Verkehr hat das Loch bereits perfekt verfüllt, die Oberfläche ist wieder | |
verkehrssicher. | |
Welche Spuren bleiben auf anderer Ebene? Sponecks Sohn Hans-Christof lebte | |
als Kind in diesem Haus, aus ihm musste er mit seiner Mutter und den | |
Geschwistern 1942 fliehen, als die Gestapo die Familie in Sippenhaft nehmen | |
wollte. Sponeck wurde einer der ersten Kriegsdienstverweigerer der BRD und | |
führender UN-Diplomat. Nachdem er 2000 aus Protest gegen die | |
Sanktionspolitik des UN-Sicherheitsrats im Irak aus dem Dienst ausschied, | |
wurde er unter anderem mit dem „Bremer Friedenspreis“ ausgezeichnet. | |
Bislang hat er sich zu den aktuellen Vorgängen nicht geäußert. | |
Michael Koppel bedauert die Entwicklungen sehr – der Horner | |
Stadtteil-Chronist war der Initiator der Stein-Verlegung. In der Abwägung | |
der historischen Umstände hält er die Ehrung Sponecks für noch immer | |
gerechtfertigt, die „wilde“ Entfernung des Steins sei schlicht „ein | |
krimineller Akt“. Die Träger des Projekts erstatten nun Strafanzeige gegen | |
Unbekannt. | |
26 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
## TAGS | |
Erinnerungskultur | |
Kontroverse | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
kommentar zu stolpersteinen für generäle: Generäle sind Seismografen | |
Die Debatte um den Sponeck-Stein verweist auf wichtige gesellschaftliche | |
Entwicklungsprozesse. Trotzdem wäre er besser nie verlegt worden | |
Stolpersteinerfinder Demnig über Kunst und Gedenken: „So ein Projekt ist gr�… | |
Der Künstler Gunter Demnig verlegt mittlerweile an 265 Tagen im Jahr | |
Stolpersteine. Trotzdem ist es für ihn nicht zur Routine geworden. | |
Erinnerungskultur: Geschichte auf dem Gehweg | |
Keine Form des Gedenkens ist im Alltag so präsent wie die Stolpersteine für | |
die NS-Opfer. In Bremen stand das Projekt jedoch kurz vor dem Ende. | |
Erinnern mit Steinen: Das Gedenken auf dem Gehweg | |
Ein Buchhändler recherchiert, ein Florist bringt Rosen, ein Kinderarzt | |
weint. Die Verlegung von Stolpersteinen ist ein gesellschaftliches Projekt | |
von besonderer Intensität. |