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# taz.de -- House-Album von Berghain-DJ: Kontingenz und Bewegung
> Nick Höppner veröffentlicht mit „Folk“ ein klar strukturiertes Album
> zwischen Minimalismus und Bombast, Funktionalität und Experiment.
Bild: Klar strukturiert: Nick Höppner.
Seit seinem Umzug 2001 gehört Nick Höppner zur elektronischen Musikszene
Berlins: Bald wurde er Resident der Panorama Bar im Berghain und Redakteur
des Magazins Groove, arbeitete auch als Manager des Berghain-Labels Ostgut
Ton. Ebendort erscheint mit „Folk“ nun sein Debüt in Albumlänge, es
komprimiert anderthalb Jahrzehnte Erfahrung.
Höppners DJ-Sets bewegen sich mühelos zwischen Techno, House und darüber
hinaus. Diese Wandlungsfähigkeit erklingt auch in „Folk“. Über die
Vierviertelschläge der geraden Bassdrum, die die neun Tracks klar
strukturiert und tanzenden Füßen Orientierung bietet, greift das Album weit
aus: zwischen Melancholie und Ekstase, Minimalismus und Bombast,
Funktionalität und ästhetischem Experiment, technischer Determiniertheit
und kompositorischem Gefühl entsteht Spannung.
„Folk“ lebt von Metamorphosen. Am Auftakt von „Paws“ sind stoische,
maschinelle Schläge, kühle Melodien und scharfes Flimmern zu hören.
Allmählich verwandeln warme, glockenspielartige Synthiehooks die
Klangkulisse von dunklem Techno in verspielten House. Mit der Hi-Hat setzen
dann Erinnerungen an Disco ein.
Im düsteren „Rising Overheads“ wird das Prinzip der Steigerung in allen
Parametern ausgereizt. Durch Repetition und subtil anschwellende Lautstärke
entsteht eine Welle. Das basslastige „No Stealing“ baut sich hinter
melancholischen, langsam fließenden Melodien auf. Mit dem perfekt getimten
Aussetzen der Bassdrum entlädt sich die Spannung in ekstatische
Synthie-Sequenzen voller Soul.
## Tanzen am frühen Morgen
Näher an Pop kommt Höppners Album nur mit „Come closer“, das als
Minimal-Housetrack beginnt und mit schwebenden Synths und dem titelgebenden
Gesangssample zur Hymne wird. Ein Gefühl von Bewegung und Entgrenzung, all
dem, was Tanzen in frühen Morgenstunden auslösen kann, dringt aus dieser
Komposition.
Andere Tracks fordern mit Klangexperimenten heraus: „Grind Show“ etwa fällt
durch das vollständige Fehlen des Vierviertelpulses und verzerrter Klänge
als eine Art mystische Parade aus der Reihe.
„Folk“ als Albumtitel erklärt ein Bewusstsein für die kontingente
Tradition, in der Höppner sich verortet. Seine Klangsignatur erwuchs aus
den Rhythmen traditioneller afrikanischer Musik. Jazz wurde zu Soul, zu
Funk und Disco und schließlich zu House – woraus dann, inspiriert durch die
jüngeren Berliner Kapitel ebendieser Geschichte, wiederum „Folk“ wurde,
eine Momentaufnahme, Stand 2015.
So betrachtet ist Höppner ein Statement gegen Innovationsdruck und die
Überbetonung von Autorschaft gelungen. Sein Sound steht stattdessen für das
Potenzial des Kollektivs und der Umwelt, – sie sind stets an der Entstehung
von Musik mitbeteiligt. So wie die große und vielfältige Elektronikszene
Berlin, die sich zusammen mit dem Identifikationsmoment der Musik immer
weiterentwickelt. Genau hier reiht sich „Folk“ in die Geschichte ein, die
es im Titel trägt und schafft Impulse für neue Episoden.
27 Mar 2015
## AUTOREN
Tabea Köbler
## TAGS
elektronische Musik
Berghain
House
Berghain
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