# taz.de -- Abschied von Peter Gauweiler: Abgang eines geliebten Feindes | |
> Der CSU-Politiker gibt die Politik auf, verkündete er jüngst. Der | |
> „erfahrene Populist“ taugte zwar nicht zum Thronfolger in Bayern, nützte | |
> aber vielen. | |
Bild: Mit dem Franz Josef (rechts): Peter Gauweiler in den 80ern in München. | |
Er wird fehlen. Natürlich. Auch wenn einem das jetzt, da er sich | |
verabschiedet hat aus der großen Politik, erst auffällt. Auch wenn man sich | |
das niemals hat träumen lassen, ihn mal zu vermissen. Ausgerechnet ihn, | |
diese ästhetische Zumutung mit Rotzbremse und reaktionären Ansichten, | |
diesen wandelnden Gamsbart, in dessen Namen schon die alte Nazischeiße | |
mitschwang und der lange Zeit für all das stand, was man ablehnte, | |
verachtete, was einen ankotzte. Nein, das hat man sich wirklich nicht | |
vorstellen können, dass man das mal denken könnte: Peter Gauweiler, du alte | |
Nervensäge, willst du es dir nicht noch mal überlegen? | |
Denn so ein Feind kann einem auch ganz schön ans Herz wachsen. Schließlich | |
machte Gauweiler es einem leicht, ihn zu hassen, sich abzugrenzen, ein | |
kuscheliges Plätzchen auf der richtigen Seite zu finden. Da stand er ganz | |
in der Tradition seines großen Vorbilds Franz Josef Strauß. Als der nicht | |
mehr war, übernahm Gauweiler den Staffelstab als liebstes Feindbild. | |
Allerdings gab er den Rechtsaußen so überzeugend, dass er die ihm von | |
seinem Ziehvater zugedachte Rolle als sein Nachfolger nicht mehr einnehmen | |
konnte. | |
Dass Gauweiler, 1987 als Staatssekretär im bayerischen Innenministerium auf | |
dem Weg nach oben, während der Aidshysterie Zwangstest durchsetzen wollte | |
und dem „massenhaften Analverkehr“ den Kampf ansagte, sorgte stattdessen | |
für eine Solidarisierung des bürgerlichen Lagers mit der Schwulenbewegung | |
und führte schlussendlich nicht nur zu einer besseren finanziellen | |
Ausstattung der Aidsprävention, sondern zu einer größeren Akzeptanz | |
alternativer Lebensentwürfe. | |
Auch seine harte Haltung gegen die Proteste in Wackersdorf hatte das | |
Gegenteil zur Folge: Die Wiederaufbereitungsanlage wurde nie fertig gebaut. | |
Die Welt hatte sich verändert und mit ihr – kaum zu fassen – auch die CSU. | |
Ein wenig zumindest. Und stellte Gauweiler aufs Abstellgleis. Dort stand | |
die Lederhose zwar immer noch gut, aber mit dem Laptop kannte er sich halt | |
nicht gut genug aus. | |
## Der seltsame Onkel | |
Wollte er wohl auch nicht. Aus dem Thronfolger wurde ein Sonderling. Der | |
seltsame Onkel, der nur sporadisch bei Familienfeiern auftaucht, aber dann | |
die brüchige Harmonie zerstört. Der schon 1992 die Maastricht-Verträge der | |
EU zur „Schnapsidee“ erklärt. | |
Nicht unbedingt ein Querdenker, aber doch ein Grantler, der den | |
Großkopferten bei passender Gelegenheit die Meinung geigt – und | |
geflissentlich darüber hinwegsieht, dass er selbst zu den Großkopferten | |
gehört. So kam er und ging beleidigt, schmiss Ämter hin und ließ sich | |
wieder berufen, wurde gegangen und zurückgeholt. Ein Clown, der immer dann, | |
wenn er wirklich an die Macht wollte, nicht mehr ernst genommen wurde. Ein | |
Elefant im Politporzellanladen, der mit dem dicken Arsch einreißt, was er | |
an konservativen Werten eigentlich zu bewahren versucht. | |
Aber irgendwann wurde ihm diese Ironie wohl bewusst. Gauweiler veränderte | |
sich mit den Jahren. Entdeckte den Witz, auch den auf eigene Kosten, und | |
kann sich mittlerweile schon mal einen „erfahrenen Populisten“ nennen. Er | |
ist als Globalisierungskritiker bisweilen auf Occupy-Linie, kritisiert, | |
nicht anders als die Linkspartei auch, Auslandseinsätze der Bundeswehr. | |
Aber er gibt immer noch der Jungen Freiheit bereitwillig Interviews, ohne | |
sich allerdings vor ihren Karren spannen zu lassen. Er genießt die | |
Narrenfreiheit, die ihm eine Partei bietet, wo Politik bisweilen betrieben | |
wird wie in einem Schützenverein. | |
Von 2009 bis 2012, rechnete ihm [1][abgeordnetenwatch.de] vor, verpasste | |
der Bundestagsabgeordnete Gauweiler 58 Prozent aller Abstimmungen im Hohen | |
Haus, die höchste Quote aller 620 Volksvertreter. Und vor einem Jahr wurde | |
bekannt, dass niemand so viel Geld mit Nebentätigkeiten verdient wie er, so | |
gut florierte seine Anwaltskanzlei. Rekorde, auf die er im Zweifel wohl | |
stolz ist. | |
## „Sauhund“ oder „Hundsfott“ | |
Bayern bewundernd einen Sauhund oder einen Hundsfott nennen: einer, der | |
sich alles erlauben kann. Solange er sich nicht erwischen lässt. Einer, dem | |
Regeln egal sind, wenn der von ihm gepachtete Menschenverstand sie für | |
Quatsch hält. Man kann sich zwar nicht vorstellen, dass sich Gauweiler an | |
einen Tisch setzen würde mit einem wie Hans Söllner, aber der | |
oberbayerische Rechtsaußen und der ebenfalls oberbayerische Reggaesänger | |
und Marihuanaaktivist sind gar nicht so unterschiedliche Charaktere. Beide | |
sind sie radikale Individualisten, egomanische Exzentriker, wie sie in | |
diesem Staat eben vor allem in Bayern wachsen und geschätzt werden. | |
Nicht mehr gezähmt vom eigenen Machthunger, nicht mehr eingesperrt von der | |
Konformität, die man für eine Parteikarriere braucht, konnte sich Gauweiler | |
entwickeln zu einem, den Sportreporter eine Type nennen und in der | |
Nationalmannschaft vermissen. Einer, der eben kein Mannschaftsspieler ist, | |
sondern ein Individualist. Einer, der in modernen flachen Hierarchien nicht | |
funktioniert, gerade weil er im Herzen eigentlich ein Anarchist ist. Einer, | |
dem der Fraktionszwang nichts, die persönliche Überzeugung aber alles gilt. | |
Eine Eigenschaft, die ihn aber auch zu Fall gebracht hat. Die selbst einem | |
wie Horst Seehofer, selbst nicht für einen pflegeleichten, | |
kompromissbereiten Politikstil bekannt, dann doch zu viel wurde. Weswegen | |
der Parteivorsitzende die ewigen Querschüsse nicht mehr tolerieren wollte, | |
selbst auf die Gefahr hin, das Profil der CSU am rechten Rand erodieren zu | |
lassen und weiter Stimmen an die AfD zu verlieren, deren Aufstieg ja | |
Seehofer erst dazu genötigt hatte, den schon zum dritten oder vierten Mal | |
abgeschriebenen Gauweiler zum Parteivize zu befördern. | |
Mit dem Rücktritt bleibt auch diese interessante Frage unbeantwortet: War | |
der poltrige, erratische, irritierende Gauweiler überhaupt der Richtige, | |
die Rechtsausläufer wieder einzufangen? Bernd Lucke hat ihn jedenfalls | |
schon eingeladen, seiner AfD beizutreten. Ob er weiß, was er sich da | |
wünscht? Wäre ein Gauweiler nicht genau der Richtige, eine fragile | |
Konstruktion wie die AfD zu zerlegen? Wäre das nicht womöglich der letzte | |
Liebesdienst, den er seiner CSU leisten könnte – und auch der Demokratie, | |
die er im Sinne von Churchill für die schlechteste aller Regierungsformen | |
hält, abgesehen von allen anderen? Ach ja, warum eigentlich nicht? Komm | |
zurück, Peter Gauweiler! | |
4 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://abgeordnetenwatch.de | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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