# taz.de -- Ein Bauer verteidigt die Bodenhaltung: In der Defensive | |
> Martin Gramke hält seine Hennen im Stall – ohne schlechtes Gewissen. | |
> Seinen Tieren gehe es gut, sagt er. | |
Bild: Konventionelle Liebe: Martin Gramke mit Stall-Huhn. | |
LEBATZ taz | Die Zufahrt zum Hof ist offen. Kein Zaun, kein Stacheldraht | |
hält Besucher fern. Nur ein Schäferhund bellt zwischen den Ställen. | |
Landwirt Martin Gramke riegelt seinen Hühnerhof im schleswig-holsteinischen | |
Lebatz bei Ahrensbök nicht vor der Außenwelt ab. Er möchte ihn zeigen. | |
Die Medien zeichneten ein falsches Bild von der konventionellen | |
Hühnerhaltung, sagt der 36-Jährige. Im Aufenthaltsraum seiner Mitarbeiter | |
stehen eine kleine Küche und eine Waschmaschine neben einem langen Tisch | |
und grauen Stühlen. An der Tür hängt das Bild eines stark zerrupften Hahns | |
und dem Spruch „Scheißegal, wie der Tag gelaufen ist, immer hoch erhobenen | |
Hauptes nach Hause gehen“ – Hühnerhalterhumor. | |
Viele Medienberichte zeigten ausgemergelte, federlose Hühner in zu engen | |
Ställen und suggerierten, dass es überall in der Bodenhaltung so aussehe, | |
sagt Gramke. Er zieht die Augenbrauen zusammen. „Nicht, dass Sie nachher | |
etwas Falsches schreiben“, sagt er. Die Angst, als Tierquäler verleumdet zu | |
werden, ist groß. Es geht um seine finanzielle Existenz – Gramke hat den | |
Hof erst im Sommer übernommen. Er vermarktet seine Eier unter dem Namen | |
„Holstein-Ei“ und beliefert große Supermarktketten wie Edeka oder Rewe | |
direkt. | |
Letztlich hat Gramkes Wunsch nach Transparenz über seinen Argwohn gesiegt. | |
20.000 Hühner hält er auf seinem Hof, 5.000 davon in Freilandhaltung mit | |
Wintergarten für schlechtes Wetter und einer großen Wiese, den Rest in | |
Bodenhaltung. Diese Bodenhaltungs-Hühner verbringen ihr ganzes Leben im | |
Stall. Trotzdem sei das Bodenhaltungs-Ei kein schlechtes Ei, sagt Gramke. | |
Die Hühner hätten einen Bereich zum Scharren und könnten sich im Stall frei | |
bewegen. Dreimal am Tag kontrollieren der Landwirt und seine Mitarbeiter | |
die Anlage. Schauen, ob der Kot auf den Förderbändern abtransportiert wird, | |
schippen die Reste mit Schaufel und Schubkarre selbst aus dem Stall und | |
prüfen die Wasserversorgung und die Futterbänder. | |
Gramke arbeitet gern mit den Tieren. „Ohne Freude und Elan geht es nicht“, | |
sagt er. Der Hühnerhof ist ein 24-Stunden-Job. Er muss auch nachts raus, | |
wenn die Alarmanlage angeht, weil eine Lüftung defekt ist. Die Kritik | |
vieler Tierschützer, dass in der Bodenhaltung zu viele Hühner | |
zusammenleben, kann er nachvollziehen. Große Gruppen bedeuten für die Tiere | |
mehr Stress und häufigere Rangkämpfe. „Eine Gruppengröße von 30 bis maxim… | |
50 Hühnern wäre optimal“, sagt Gramke. Aber davon könne kein Halter leben. | |
Eine schlechte Alternative ist die Bodenhaltung seiner Meinung nach | |
trotzdem nicht, sie sei sogar hygienischer. Hühner aus der Freilandhaltung | |
könnten Dioxinrückstände im Boden aufpicken – oder den Kot von Wildvögeln. | |
Wenn der mit Viren wie denen der Vogelgrippe H5N1 belastet sei, rolle der | |
„Vogelschredder“ von der Veterinärbehörde auf den Hof. „Es ist auch zum | |
Wohle der Tiere, wenn sie nicht krank werden“, sagt Gramke. | |
## Huhn auf grüner Wiese | |
Seinen Betrieb würde er trotzdem gern ganz auf Freilandhaltung umstellen – | |
nicht um der Tiere willen, sondern weil die Verbraucher das wollten. Die | |
Eier aus der Freilandhaltung seien stark gefragt, sagt Gramke, der | |
finanziell auch an einem Biohof beteiligt ist. Das Bild von einem Huhn auf | |
grüner Wiese sehe einfach schöner aus. Doch auf seinem Grundstück reicht | |
der Platz für Freilandflächen nicht aus. | |
Für die Hühner sei die Bodenhaltung genauso gut, glaubt Gramke, und das | |
will er jetzt beweisen. Er steigt in einen beigen Overall und Gummischuhe. | |
Besucher müssen einen weißen Wegwerf-Anzug wie beim Malern und blaue | |
Schuhüberzieher aus Plastik tragen. Seine größte Angst ist, dass Fremde bei | |
den Hühnern Keime oder Krankheiten einschleppen. | |
Im Vorraum des Stalls ist es düster, eine flauschige Feder segelt von der | |
Decke. Dann tritt Gramke in den eigentlichen Hühnerstall ein. In der | |
unteren Ebene scharren nur wenige braune Hühner im trockenen Streu. Der | |
Geruch und der Staub in dem lang gezogenen Raum nehmen einem trotzdem den | |
Atem. Die Hennen kommen neugierig näher, picken munter im Streu herum. | |
Gramke greift zu und nimmt ein Tier mit geübtem Griff auf den Arm. Es | |
schlägt wild mit den Flügeln, beruhigt sich aber schnell. Er berührt den | |
Kropf des Huhns, darin sammelt sich die Nahrung. Der Kropf ist gut gefüllt, | |
Gramke wirkt zufrieden. Das Huhn sieht gesund aus. Das Federkleid ist voll, | |
der Kamm rot. Gramke setzt das Tier auf den Boden. „Als Landwirt will ich, | |
dass es meinen Tieren gut geht“, sagt er. Auch aus wirtschaftlichem | |
Interesse, denn nur dann legen die Hennen viele Eier. | |
Er zieht die Stalltür hinter sich zu. Über Rampen können die Hennen in die | |
obere Etage klettern. Gramke nimmt die Holztreppe im Vorraum. Er klopft | |
zweimal laut mit der Faust an die Tür. „Damit wir die Herde nicht | |
aufscheuchen.“ Dann öffnet er vorsichtig die Tür. Direkt dahinter sitzen | |
dicht an dicht gurrende Hennen auf Eisenstangen. Am späten Nachmittag haben | |
sich fast alle Hennen in den oberen Bereich zurückgezogen. 2.000 Tiere | |
leben in diesem Stall, sagt Gramke. Der Gesetzgeber erlaube eine noch | |
höhere Besatzdichte, doch er fand das für die Hennen zu unübersichtlich. | |
Tierschützer fänden in seinem Stall trotzdem etwas zu meckern. Die Schnäbel | |
der Hühner sind um einige Millimeter gekürzt, damit sie sich nicht | |
gegenseitig die Federn auspicken. Schon als Küken wird die Schnabelspitze | |
mit einem Laser weggeschnitten. Eine schmerzvolle Prozedur. In | |
Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Praxis ab 2017 verboten. | |
„Wir wollen umstellen, sobald es Alternativen gibt, die das Federpicken | |
verhindern“, sagt Gramke. Es müsse jedoch absolut sicher sein, dass sich | |
die Tiere mit spitzem Schnabel nicht verletzten. | |
Zum Eierlegen ziehen sich die Hennen in abgedunkelte Nester im oberen | |
Bereich des Stalls zurück. 18.000 Stück legen seine Hühner am Tag. Ein | |
Förderband bringt die braunen Eier von dort direkt in die große Packhalle | |
gegenüber – vollautomatisch und kameraüberwacht. | |
Gramke hat die Halle erst im letzten Jahr gebaut und fast eine halbe | |
Million Euro in die Anlage investiert. Hier werden die Eier durchleuchtet | |
und auf Haarrisse oder Verschmutzungen untersucht. Die aussortierten Eier | |
gehen an die Industrie, die hartschaligen, sauberen Eier werden von | |
Mitarbeiterinnen in Pappkartons verpackt. Auf jeder Schachtel stehen sein | |
Name und seine Telefonnummer. „Dann kann jeder Kunde fragen, wo das Ei | |
herkommt“, sagt Gramke, „für völlige Transparenz.“ | |
Mit den Eierkartons düst sein Fahrer dann direkt zu den Kunden. „Frischer | |
geht’s nimmer – das können Sie schreiben!“ | |
Mehr zum Schwerpunkt"Eier" lesen Sie in der taz. am Wochenende oder | |
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3 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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