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# taz.de -- Die Wahrheit: Winnetous Wut
> Ein Hausbesuch beim weltberühmten Münchner Wunderdoktor und ehemaligen
> FC-Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt
Bild: Ewiger Bayern-Doc: Hans-Wilhelm „Winnetou“ Müller-Wohlfahrt.
Es war eine Nachricht, die Fußballdeutschland mehr erschütterte als der
Rücktritt Jürgen Klopps beim BVB und die Verpflichtung Bruno Labbadias beim
HSV zusammen: Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt will nicht länger
Mannschaftsarzt des FC Bayern München sein. Von einem beschädigten
Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Trainer Pep Guardiola ist die Rede,
angeblich habe dieser den Winnetou-Doppelgänger für Niederlagen und
Verletzungen verantwortlich gemacht. Ihn, der seit achtunddreißig Jahren
der Arzt war, dem die Bayern vertrauen, und der nur einmal für eine
komplizierte Operation an seiner Frisur pausieren musste.
Inzwischen geht „Mull“, wie ihn Tausende begeisterte Sportinvaliden aus
aller Welt nennen, wieder dem regulären Betrieb nach, kümmert sich um die
kleinen und großen Wehwehchen seiner Patienten. Mitten in der Münchner
Innenstadt ist seine Praxis gelegen, zwei Türen erwarten die Besucher. Auf
der rechten steht „Privat“, auf der linken „Kasse“. Die rechte Tür fü…
nach innen, die linke in einen tiefen Schacht. Wehklagen dringt herauf.
„Alles was recht ist, aber wir sind hier schließlich nicht bei der Awo,
sondern bei Müwo“, lacht Müller-Wohlfahrt und bittet herein. Riesengroß ist
seine neue Praxis, ein eigener Shuttle-Service bringt die Patienten vom
Wartezimmer in die Sprechstunde, zurück sprinten sie in aller Regel schon
wieder selbst.
„Wir haben hier die besten und teuersten Diagnosegeräte der Welt zur
Verfügung“, sagt Dr. Müller-Wohlfahrt ernst und zeigt auf seine beiden
Hände. „Außerdem natürlich den üblichen technischen Schnickschnack, wenn
einer noch etwas Esoterik braucht, um meiner Diagnose zu glauben.“
Erster Patient an diesem Tag ist ein Hobbymarathonläufer mit
Geldhintergrund, der sich schmerzverzerrt die Schulter hält. „Na, wen haben
wir denn da!“, begrüßt Müller-Wohlfahrt den Mann fröhlich und schaut auf
die Patientenakte. „Bitte einmal hinlegen. Nein, sagen Sie nichts, lassen
Sie mich raten: Es ist wieder das Knie, stimmt’s?“ – „Aber meine Schult…
…“, versucht der Geplagte sich zu wehren, doch der Doktor hämmert längst
auf die Beinsehnen ein. „Jetzt ist es das Knie. Keine Sorge, das haben wir
gleich.“
Routiniert fischt Müller-Wohlfahrt eine Spritze aus seinem Arztköfferchen
und injiziert dem Schreienden ein Serum, so dass dieser augenblicklich
verstummt. „Reines Morphium, angereichert mit Vitaminen und Arnika C200,
ein echtes Zaubermittel“, zwinkert der weise Schmerzbezwinger. „Servus,
kommen Sie morgen wieder!“, ruft er dem selig Dahindämmernden hinterher,
der vom Personal nach draußen geschoben wird.
„Mülli“, wie ihn seine Sprechstundenhilfen nennen, ist der wahrscheinlich
beste Orthopäde der Welt, eine anerkannte Kapazität in Kniefragen und
dreifacher Sieger der internationalen Frisurenolympiade. Wie konnte man es
beim FC Bayern nur zulassen, einen Verletzungsexperten wie ihn ziehen zu
lassen? Sein sonst so rosiges Gesicht verfinstert sich. „Das ist alles die
Schuld von diesem Katalanenlackel“, echauffiert sich der Mediziner und
poppt eine Valium aus der Blisterpackung. „Wollen Sie auch eine?“
Früher, da habe man ihm und seinen Methoden blind vertraut, aber Guardiola,
„diese iberische Fußballkrankheit“, habe plötzlich Erklärungen und moder…
Diagnostik verlangt. „Da habe ich ihm natürlich erst mal eine reingehauen“,
erklärt der Doktor. „Was vor achtunddreißig Jahren gut war, kann heute
nicht schlecht sein.“ Seither sei ihr Verhältnis etwas belastet gewesen.
Der nächste Patient wartet schon vor der Tür. Es ist eine bekannte
Schwimmerin. Sie klagt über Schmerzen in der Brust und einen
Leistungsabfall in den letzten Jahren. „Ich schreibe Ihnen mal meine
Nahrungsergänzungsmittel auf“, grinst Müller-Wohlfahrt und lässt den Stift
flitzen. „Die bringen zwar nichts, aber ich verdiene gut daran. Und wegen
Ihrer Leistung kommen Sie in meine Spezialsprechstunde, da verabreiche ich
Ihnen dann etwas Richtiges.“
Der Trubel der letzten Tage ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, ja
Müller-Wohlfahrt wirkt vital, ist regelrecht aufgeblüht: „Mag sein, dass
die Bayern Pep haben, aber ich bin peppiger. Diesen Bayern-Arschlöchern
werd ich zeigen, was noch an Saft in mir altem Schinken steckt!“
Das ist er, der Wunderheiler, von dem so viele schwärmen, der Kämpfer, der
einen Patienten erst aufgibt, wenn dessen Konto leergeräumt ist. Viele
glauben nicht daran, dass sein Abgang schon das letzte Wort in dieser Sache
war. Bislang ist er noch immer zurück zu seinem Verein gekommen.
„Seien wir ehrlich, eigentlich geht es doch um etwas ganz anderes“,
resümiert Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nachdenklich. „Pep Guardiola ist
einfach neidisch auf meine Frisur, die ich mir damals von Winnetou
ausgeliehen habe. Wenn er das endlich zugibt, ist die Sache für mich
erledigt.“ Hinter der Praxis fällt die Tür klingelnd ins Schloss. Aus dem
Kassenpatientenschacht dringt leises Wimmern.
21 Apr 2015
## AUTOREN
Valentin Witt
## TAGS
Sportmedizin
Pep Guardiola
Terror
Anthropologie
Hamburg
Flugzeug
Griechenland
Masern
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