# taz.de -- Prozessauftakt in Hamburg: Solar-Manager vor Gericht | |
> Ex-Chefs des Photovoltaik-Herstellers Conergy stehen jetzt in Hamburg | |
> wegen Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Insiderhandel vor Gericht. | |
Bild: Hat einmal das große Rad in der Solarbranche gedreht: Ex-Conergy-Chef Di… | |
HAMBURG taz | Es geht um einen Börsenstar der Nullerjahre, einen Hansdampf | |
in allen Gassen der norddeutschen Unternehmenslandschaft und um ein Kapitel | |
der Energiewende: Seit Dienstag müssen sich ehemalige Manager des | |
Photovoltaikanlagen-Herstellers Conergy vor dem Hamburger Landgericht | |
verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, 2006/2007 durch Bilanzfälschung den | |
Aktienkurs des Unternehmens manipuliert und sich durch Insiderhandel | |
bereichert zu haben. | |
Die 1998 gegründete Firma Conergy gehörte Mitte der Nullerjahre zu den | |
wichtigsten Playern der deutschen Sonnenstrombranche. Wegen der hohen | |
Förderung der Branche durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ab dem | |
Jahr 2000 hatte sich Conergy stürmisch entwickelt. 2005 ging das | |
Unternehmen an die Börse und erlöste dort 45 Millionen Euro. Allein von | |
2004 auf 2006 stieg der Umsatz von 275 auf 750 Millionen Euro. Es wurden | |
Tochtergesellschaften im Ausland gegründet und Hunderte von Mitarbeitern | |
eingestellt. | |
In eine erste Krise geriet das Unternehmen 2006/2007, die Jahre auf die | |
sich die aktuell verhandelten Vorwürfe beziehen. Sie richten sich gegen den | |
Unternehmensgründer und langjährigen Vorstandschef Hans-Martin Rüter sowie | |
dessen Onkel Dieter Ammer, der bis 2007 dem Aufsichtsrat vorsaß und danach | |
als Retter für drei Jahre den Vorstandsvorsitz übernahm. Mitangeklagt sind | |
die ehemaligen Vorstandsmitglieder Heiko Piossek und Nikolaus Krane. | |
Ammer hat sich in der norddeutschen Wirtschaft einen Namen gemacht. 1994 | |
hat er aus verschiedenen regionalen Herstellern die Nordzucker AG | |
geschmiedet, den zweitgrößten deutschen Zuckerhersteller. 1997 wechselte er | |
in die Geschäftsführung der Bremer Brauerei Beck. 2001 gelang es ihm, die | |
Brauerei für satte 1,8 Milliarden Euro an den Branchenriesen Interbrew zu | |
verkaufen. Zwei Jahre später übernahm er den Vorstandsvorsitz der Tchibo | |
Holding, die die Mehrheit an dem Nivea-Hersteller Beiersdorf erwarb. | |
## Vorwurf der Bilanzfälschung | |
Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und | |
den drei Ex-Vorständen vor, von Dezember 2006 bis April 2007 im Wissen um | |
eine gefälschte Bilanz selbst gehaltene Unternehmensaktien für insgesamt | |
rund 42 Millionen Euro brutto verkauft zu haben. Die Staatsanwaltschaft | |
hatte 2011 Anklage gegen die ehemaligen Konzern-Vorstände erhoben. In der | |
Bilanz für 2006 sollen die Konzernmanager unter anderem Umsätze mit | |
Tochtergesellschaften falsch ausgewiesen haben. Sie sollen in einer | |
Mitteilung an die Börse fälschlich behauptet haben, der Überschuss für das | |
Geschäftsjahr 2006 liege über dem des Vorjahres. | |
Den Ermittlern zufolge soll der ausgewiesene Jahresüberschuss von rund 32 | |
Millionen Euro jedoch allein auf unzulässige Bilanzierungen zurückzuführen | |
sein. Tatsächlich hätte das Unternehmen Verluste gemacht, erläuterte der | |
Ankläger. Zudem wirft die Staatsanwaltschaft den Ex-Vorständen vor, den | |
bereits im März 2007 vom Aufsichtsrat beschlossenen Rückzug des | |
Finanzvorstandes verspätet veröffentlicht zu haben. | |
## Vorwürfe zurückgewiesen | |
Ammer und der ehemalige Vorstandschef Rüter wiesen die Vorwürfe zurück. | |
„Ich habe auf das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer vertraut“, sagte Ammer. | |
Die Bilanz war von einer renommierten Prüfungsgesellschaft untersucht | |
worden. Diese sei insbesondere auf die jetzt monierte Verrechnung der | |
Ergebnisse von Tochtergesellschaften und eines Grundstücksgeschäfts in | |
Frankfurt (Oder) eingegangen. Er sei auf die Expertise der Prüfer | |
angewiesen gewesen, sagte Ammer. Ähnlich äußerte sich Rüter. | |
Ammer bestritt den Vorwurf des Insiderhandels: „Ich habe bei keinem meiner | |
Aktienkäufe oder verkäufe Insiderwissen verwendet“, beteuerte er. Dies wäre | |
seiner Darstellung nach auch absurd gewesen, habe er doch in den Jahren vor | |
2007 seinen Aktienanteil an Conergy allmählich von 40 auf zwölf Prozent | |
abgebaut. Bei dem angeblichen Insidergeschäft, das ihm zehn Millionen Euro | |
einbrachte, habe er nur 200.000 von 3,8 Millionen Aktien verkauft, und | |
damit 95 Prozent behalten. | |
22 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Prozess | |
Solarenergie | |
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