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# taz.de -- Tanz von Trisha Brown in Berlin: Wenn die Zeit rückwärts läuft
> Von der radikalen Avantgarde zum leisen Abschied: Die Trisha Brown
> Company aus New York zeigte in Berlin zum letzten Mal frühe Stücke.
Bild: Trisha Brown in Paris, 2011
Was für ein fröhlicher Abschied! Leicht, flirrend und verspielt sind die
vier Tanzstücke, mit denen die Trisha Brown Company aus New York in der
Akademie der Künste in Berlin gastiert. Beinahe scheinen die Tänzer zu
fliegen, werden gehoben und durch die Luft geschoben, steigen über Knie und
Schultern der anderen aufwärts und abwärts.
Hier trat Trisha Brown vor beinahe vierzig Jahren das erste mal in
Deutschland auf, als ihre radikal reduzierte Tanzsprache als Körper
gewordene Skultptur vor allem bildende Künstler begeisterte. Eingeladen
hatte sie damals schon Nele Hertling, die auch jetzt wieder Initiatorin des
Gastspiels ist. Kommendes Jahr wird Trisha Brown achtzig Jahre alt, neue
Stücke choreografieren kann sie seit ein paar Jahren nicht mehr. Deshalb
zeigt ihre Company 2015 einige frühen Stücke zum letzten Mal auf der Bühne,
um sie danach nur noch in Museen oder site specific Situationen
aufzuführen. Sicher keine einfache Entscheidung.
Wie gut ihre Arbeiten aber in den Kontext der künstlerischen Aufbrüche der
frühen siebziger Jahre in New York eingebettet sind, wird auch in den
Filmausschnitten klar, die im Foyer der Akademie noch bis zum Ende des
Gastspiels am 26. April zu sehen sind. Tänzer umkreisen Bäume an einem
Seil; sie erproben, sich zu halten, auf der Straße; ein Tänzer gar läuft in
die Waagerechte gekippt die Fassade eines Hochhauses herab.
## Gekippt, gedreht, gefaltet
An der Schnittstelle zum öffentlichen Raum entstanden so Erkundungen eines
Bewegungsvokabulars, das teils ungeheuer einfach war, wie gehen, stehen,
liegen, das aber, aus der Senkrechten gekippt, der Auftakt zur Entwicklung
komplexer Choreografien war, die sich mit Verschiebungen, Drehungen, Kippen
vielfach ausdifferenzierten.
„Everyone reverse“, die letzte Sequenz rückwärts tanzen, ruft einer der
Tänzer in „Solos Olos“ (von 1976) seinen Kollegen zu. Was nach trockener
technischer Anweisung klingt, entfacht Bewegungswitz und Konzentration, der
wie ein Funke von den jungen Tänzern auf das Publikum überspringt. Als ob
die Zeit selbst plötzlich rückwärts laufen könnte. Dass Strukturen keine
bloße Formen sind, sondern Modelle sozialer Regelwerke, macht den Tanz so
spannend.
Etwas hört auf. Etwas anderes fängt an. Trisha Browns Kunst lebt von solch
klaren Setzungen. Die frühen Tänze ab jetzt im Kontext der Kunst zu zeigen
und sich der Historisierung zu stellen, ist solch eine Entscheidung, die
bei aller Wehmut auch mutig anmutet. Man muss die Company dafür bewundern.
Etwas hört auf, etwas anderes fängt an. Wie schwer das doch oft zu
akzeptieren ist; die Gedanken schweifen in der Berliner Aufführung ab zu
der Aufregung um Chris Dercon, den designierten Intendanten der Volksbühne
in Berlin ab 2017. Der leise Rückzug von Trisha Brown wirkt da aufeinmal
wie ein Symbol, sich von den alten Avantgarden zu verabschieden.
24 Apr 2015
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Tanz
Tanz
Akademie der Künste Berlin
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