# taz.de -- Buch „Ärger mit der Unsterblichkeit“: Lebende Fische, toter Ha… | |
> Andreas Dorau, die Legende der Neuen Deutschen Welle, spricht mit Sven | |
> Regener über sein Leben. Die Geschichten sind umwerfend komisch. | |
Bild: Gruppenbild mit Hase: Regener, Dorau. | |
Als Andreas Dorau vor Kurzem in Japan gastierte, überreichten ihm Fans als | |
Zeichen der Verehrung schöne Geschenke, flaschenweise Alkoholika etwa oder | |
leckere Torten. Die Flaschen bekam er nicht durch den Zoll, aber eine Torte | |
schaffte es bis zu ihm nach Hause. „Die hat sehr gut geschmeckt“, erzählt | |
der Hamburger Musiker. Er sieht zufrieden dabei aus. | |
Grund dafür ist auch die Veröffentlichung seines Buchdebüts „Ärger mit der | |
Unsterblichkeit“, für das man ihn auch hierzulande reich beschenken sollte. | |
Und nicht nur ihn, denn verfasst hat das wunderbare Werk Sven Regener, Kopf | |
der Band Element of Crime und Bestsellerautor („Herr Lehmann“). Die beiden | |
kennen sich seit mehr als 30 Jahren und trafen sich für das gemeinsame | |
Buchprojekt während anderthalb Jahren immer mal wieder in Regeners Wohnung. | |
Dorau erzählte Anekdoten aus seinem Leben, Regener tippte mit und brachte | |
diese Storys in Form. „Mir ist wichtig, dass es sich dabei nicht um eine | |
Biografie handelt“, betont Dorau im Interview. „Biografien sind langweilig. | |
Niemand interessiert sich für die glückliche Kindheit bei Tante Mimmi. | |
Unser Buch besteht aus autobiografischen Erzählungen. Kurze, knackige | |
Geschichten. Sven bezeichnet das Ganze auch als eine Art Schelmenroman, | |
aber dazu kann ich nicht viel sagen, er hat von Literatur mehr Ahnung als | |
ich.“ | |
## „Fred vom Jupiter“ | |
Der 51-jährige Dorau galt schon früh als Sonderling. 1981 komponierte er | |
als Teenager im Rahmen eines Schulprojekts den Song „Fred vom Jupiter“, der | |
zu einem der größten Hits der Neuen Deutschen Welle wurde. | |
Da lief aber bereits die Ausverkaufsphase dieses Genres und zu Doraus Leid | |
wurde er mit Mainstream-Künstlern wie Hubert Kah in eine Schublade | |
gesteckt. Später absolvierte er ein Studium an der Filmhochschule in | |
München, versuchte sich im Filmgeschäft und veröffentlichte regelmäßig | |
Alben, die ihrer Zeit entweder weit voraus oder vollkommen aus der Zeit | |
gefallen waren. | |
Dorau arbeitete als einer der Ersten in Deutschland mit Samples, | |
kombinierte Clubsounds mit Popelementen und legte kleine Meisterwerke mit | |
grandios-bizarren Texten vor. Vieles davon fand unter Ausschluss der | |
Öffentlichkeit statt, nur mit „Girls in Love“ landete er 1997 erneut einen | |
Hit. | |
## Eigensinnige Kuh | |
Der Nonkonformist ist stets darauf erpicht, Klischees zu vermeiden und | |
seine ganz eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Dass er dabei oftmals gegen | |
Wände läuft, nimmt er in Kauf. Doraus überbordende Kreativität paart sich | |
mit sympathischer Dickköpfigkeit und Prinzipienreiterei. Wozu diese | |
Kombination führte, wie er sich bislang durch den Kulturbetrieb | |
wurschtelte, auch davon erzählen die Kapitel des Buches. | |
Beim Lesen schüttelt man immer wieder fassungslos den Kopf und liegt | |
lachend auf dem Boden. Etwa, wenn er von seiner Zeit an der Filmhochschule | |
berichtet: Er will Filme machen, kann aber Schauspieler nicht leiden, | |
deshalb dreht er seinen ersten Übungsfilm ohne sie. Beim zweiten Versuch | |
verzichtet er außerdem auf Handlung, Beleuchtung und Geräusche. Wenn er bei | |
seiner Minioper „Die Überglücklichen“ lebende Fische auf die Bühne werfen | |
lässt, bei der Aufführung mit kurzem Rock und ohne Unterhose auftritt und | |
am nächsten Tag drei Anzeigen am Hals hat. Wenn er für seinen Kinofilm „Die | |
Menschen sind kalt“ Szenen mit einer eigensinnigen Kuh dreht, was die | |
Produktionskosten in die Höhe schnellen lässt. | |
Es gibt interessante Einblicke in jene historische Epoche, in der die | |
Plattenfirmen noch Geld hatten und Händler mit sogenannten | |
Chartpowergimmicks versorgten: So lässt Dorau zur Bewerbung seiner Single | |
„Stoned Faces Don’t Lie“ zweihundert Steine von einem Künstler mit | |
Gesichtern bemalen und verschickt sie zu horrend hohen Portokosten per | |
Express an Plattenläden. | |
## Aus Versehen Hamster gekillt | |
Gebracht hat das alles nichts. Auch Schicksale aus Doraus Kindheit gelangen | |
erstmals an die Öffentlichkeit: Mit fünf bringt er aus Versehen seinen | |
Hamster um, einmal beißt ein Dackel dem kleinen Andreas vor Freude in den | |
Hodensack. Wer diese Anekdoten nicht komisch findet, findet gar nichts | |
komisch. Immer, wenn man glaubt, die Gedankenwelt dieses Mannes besser | |
verstanden zu haben, folgt die nächste irritierende Episode. Erzählt wird | |
das mit dem Mut zur Lücke. „Geschichten von sich zu erzählen, ist ja | |
relativ eitel“, erklärt Dorau. „Allein hätte ich das niemals gemacht, das | |
hätte mich beim Schreiben gequält und beschämt.“ | |
Eine bestimmte Leserschaft hatte Dorau nicht im Sinn: „Das ist wie bei | |
meiner Musik: In erster Linie muss es mir selber gefallen. Mir war unter | |
anderem wichtig, dass wir nicht in chronologischer Reihenfolge erzählen, | |
dass auf dem Cover kein Foto von mir erscheint und dass es keine | |
Geschichten aus den Jahren von 2000 bis heute zu lesen gibt, zu denen habe | |
ich noch nicht den nötigen Abstand.“ | |
In den nächsten Wochen präsentieren beide das Buch in einigen deutschen | |
Städten. „Sven kann gut lesen, und ich kann gut Dias und Filme zeigen. Ich | |
spreche dabei zwar auch, aber Sven verwendet über den Abend verteilt mehr | |
Silben als ich.“ | |
5 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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