# taz.de -- NSA-Affäre: Spionage in noch größerem Umfang | |
> Die NSA soll weit mehr Sektoren zur Spionage genutzt haben als | |
> angenommen. Das Bundeskanzleramt schweigt. Dabei warnte der BND schon | |
> 2008 vor Wirtschaftsspionage. | |
Bild: Hans-Georg Maaßen sorgt sich um die Zusammenarbeit mit den USA. | |
HAMBURG afp | Der US-Geheimdienst NSA hat einem Spiegel-Bericht zufolge in | |
größerem Umfang gegen deutsche Interessen spioniert als bislang bekannt. | |
Mehr als die Hälfte der rund 40.000 Suchbegriffe, die der | |
Bundesnachrichtendienst (BND) aussortiert habe, seien aktiv geschaltet | |
gewesen, berichtete das Magazin am Freitag. Die Linke reagierte empört und | |
forderte, die Bundesregierung müsse endlich für Klarheit sorgen. | |
Insgesamt wurden dem Bericht zufolge rund 25.000 Selektoren zur | |
Ausforschung auch von Behörden, Unternehmen und anderen Zielen in Europa | |
verwendet. Die sogenannten Selektoren - also Suchkategorien - waren vom | |
US-Geheimdienst NSA an den BND übermittelt worden. Auf deren Grundlage | |
gewonnene Erkenntnisse wurden vom BND dann wiederum an die NSA | |
weitergeleitet. Darunter waren offenbar auch Daten über deutsche Bürger und | |
Unternehmen. | |
In einem Testat an das Bundeskanzleramt hatte der BND dem Spiegel-Bericht | |
zufolge Ende April nur über 12.000 Selektoren informiert, die im August | |
2013 im „aktiven Profil“ der NSA entdeckt worden seien. Dass bei einer | |
weiteren Suche zusätzlich 13.000 Selektoren in der 4,6 Millionen | |
Suchbegriffe umfassenden NSA-Spionageliste gefunden worden seien, sei dem | |
Papier nicht zu entnehmen. | |
## Forderungen nach Aufklärung | |
„Der Spionageskandal um BND und NSA wird Woche für Woche größer, doch | |
Bundesregierung und BND unterlaufen weiter die parlamentarische Aufklärung | |
und verstecken sich hinter der US-Administration“, kritisierte der | |
Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn (Linke). | |
„Wenn die NSA mit Hilfe des BND mit über 20.000 Selektoren gegen deutsche | |
und europäische Interessen spioniert hat und damit deutsches Recht | |
zehntausendfach gebrochen wurde, muss die Bundesregierung endlich die | |
Karten auf den Tisch legen, falls ihr ihr Amtseid noch irgendwas bedeutet.“ | |
In der turnusmäßigen Regierungspressekonferenz wollte sich | |
Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag nicht zu den erst | |
wenige Minuten zuvor veröffentlichten Informationen des Spiegel äußern. | |
Über die Liste der Selektoren wird seit Tagen heftig diskutiert, Opposition | |
und SPD fordern ihre Veröffentlichung. Die Bundesregierung verhandelt | |
darüber derzeit mit der US-Regierung. | |
## Warnungen wurden ignoriert | |
Der Spiegel berichtete am Freitag vorab aus seiner neuen Ausgabe außerdem, | |
dass der BND das Bundeskanzleramt schon Anfang 2008 eindringlich vor | |
amerikanischer „Wirtschaftsspionage“ und „damit einhergehenden möglichen | |
Schäden für die europäische Wirtschaft“ gewarnt habe. Die Mahnung sei im | |
Kanzleramt jedoch als übertrieben bewertet worden, berichtete das Magazin | |
unter Berufung auf interne Regierungsdokumente. | |
Ende 2007 hatte demnach der oberste Geheimdienstkoordinator der USA in | |
Berlin dafür geworben, die Zusammenarbeit an einem Datenknotenpunkt in | |
Frankfurt am Main zu vertiefen. In einem Vermerk an den damaligen | |
Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) hieß es dem Bericht zufolge, die | |
US-Seite bestehe darauf, „alle (ungefilterten) Informationen zu erhalten“. | |
Dies bedeute auch Gefahren für europäische Konzerne, warnte der BND das | |
Kanzleramt demnach schriftlich. | |
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen äußerte angesichts der | |
anhaltenden Veröffentlichungen in der NSA-Affäre die Sorge vor Folgen für | |
die Zusammenarbeit mit den USA. “Wenn seit Monaten immer wieder geheime | |
Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen habe ich die Sorge, dass die | |
Amerikaner zögerlicher werden mit der Zulieferung von Informationen“, sagte | |
Maaßen dem SWR. „Das kann zu Erkenntnis- und Sicherheitsdefiziten in | |
Deutschland führen.“ | |
In der Spionageaffäre dringt die Opposition derweil auf eine rasche | |
Vernehmung von Thomas de Maizière vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. Grüne | |
und Linke hätten für kommenden Freitag (22.) eine Sondersitzung mit der | |
Vernehmung des früheren Kanzleramtschefs beantragt, sagte die Linke-Obfrau | |
Martina Renner am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. | |
15 May 2015 | |
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