# taz.de -- Postkarten von Thomas Mann: „Wohlschmeckend und abführend“ | |
> Das Buddenbrookhaus in Lübeck präsentiert 81 Postkarten, die Thomas Mann | |
> seinem Bruder Heinrich schrieb. Dabei geht es unter anderem um, huch – | |
> Joghurt. | |
Bild: Alles von Thomas Mann wird wie ein Kultgegenstand aufgenommen. Selbst Pos… | |
„Ich habe nicht ganz wenig zu erzählen. Die Sachen stehen traumhaft. Ich | |
glaube, ich werde gesprächig sein.“ Diese Worte schreibt Thomas Mann im | |
Jahr 1904 an seinen älteren Bruder Heinrich. | |
Und diese Worte stellen eine kleine Sensation dar. Denn das Buddenbrookhaus | |
in Lübeck konnte nach zähen Verhandlungen nun endlich 81 Briefpostkarten | |
des jüngeren Mann-Bruders ankaufen, die dieser in den Jahren 1901 bis 1914 | |
und 1922 bis 1928 geschrieben hatte. Und es konnte diese Postkarten | |
erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. | |
So kann die Wissenschaft nun die Reisen von Thomas Mann genauer | |
rekonstruieren, und sie kennt noch mehr Details aus seinem Leben, von dem | |
man dachte, es sei bereits restlos erschlossen. Und, wer weiß, vielleicht | |
sind diese Karten der Vorschein auf weitere sensationelle | |
Thomas-Mann-Funde. Die Feuilletons sind bereits voller Vorfreude. Denn es | |
kann gar nicht genug von Thomas Mann geben. | |
## Wenig Interessantes | |
Dabei, man muss es ehrlich zugeben, erhellen diese Postkarten nur wenig | |
Interessantes aus dem Leben des Literaturnobelpreisträgers – und noch | |
weniger für sein Werk. Aber, wir wissen, in Deutschland verstellt das Leben | |
eines großen Künstlers immer sein Werk, über Kafkas Vater und seine | |
Geliebten wissen wir mehr als über den „Hungerkünstler“ oder den | |
„Verschollenen“. Also lesen wir neugierig, was der Großschriftsteller | |
Thomas Mann Neues mitzuteilen hat. | |
1909 teilt er dem Bruder, dem alleinigen Adressaten aller Postkarten, der | |
schon zuvor ein erfolgreicher Autor war, mit, was dieser mal probieren | |
solle: „Ich vergaß, zu schreiben, daß ich jetzt immer Yoghurt trinke und es | |
Dir, wenn Du’s noch nicht probiert hast, sehr empfehlen kann. Er ist | |
wohlschmeckend und leicht abführend.“ | |
## Frühe Geliebte | |
Unter einem gezeichneten Porträt Napoleons schreibt der damalige Monarchist | |
Mann, dass er eine Wohnstatt in Florenz zu nehmen gedenke, und bei „Ma’m’ | |
Houdini“ Unterschlupf finden wolle – ob der Bruder glaube, dass das ginge. | |
Dann wieder zeichnet er ein Frauenporträt, über das nun gemutmaßt wird, es | |
zeige eine frühe Geliebte von Thomas Mann. Aha. | |
Von der berühmten Feindschaft zwischen den beiden Brüdern, von denen der | |
eine konservativ und national gesinnt, der andere linksliberal und | |
demokratisch dachte, von denen der eine an die ewigen Werte der Kultur | |
glaubte, derweil der andere zur Libertinage neigte, von denen der eine | |
schwülstig und klassisch schrieb, während der andere noch im hohen Alter | |
formale Experimente wagte, von diesem Konflikt ist auf den bisher bekannt | |
gewordenen Postkarten nichts zu lesen. | |
Der eine Bruder schreibt dem anderen Kurzmitteilungen auf Pappen mit | |
lieblichen Bildern, hier will er – anders als im bereits veröffentlichen | |
Briefwechsel zwischen den beiden – nur schnell Dinge klären, Verabredungen | |
treffen oder einfach grüßen. | |
## Schön – mehr nicht | |
Dazu gibt er sich nicht sehr viel Mühe, schreibt hastig und ungewohnt klar, | |
oft auch auf die bebilderte Vorderseite. Die Postkarten werden nun in die | |
Dauerausstellung des Buddenbrookhauses integriert. Das ist schön. Mehr ist | |
es nicht. | |
Dass aber nun in den Feuilletons großes Gewese um die Mitteilungen gemacht | |
wird, hat einen anderen Grund. Man hat Thomas Mann den | |
Nationalschriftsteller, der er in jungen Jahren sein wollte und der er nach | |
der Emigration gar nicht mehr unbedingt sein wollte, postum quasi | |
aufgezwungen. Nun wird alles von ihm – außer vielleicht seine | |
antifaschistischen Radioansprachen „Deutsche Hörer!“ – wie ein | |
Kultgegenstand aufgenommen. | |
Findet man demnächst einen Grundschulaufsatz von Thomas Mann? Der die | |
Germanistik erschüttern, die Literaturwissenschaft um Jahre nach vorn | |
werfen wird? Wir sollten gespannt sein! | |
23 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
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