Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die "Buddenbrooks"-Filmpremiere in Lübeck: Der Hype, Klappe, die l…
> Es ist ein roter Teppich von einiger Länge. Ausgelegt auf dem Bürgersteig
> verläuft er entlang der Fassade eines Backsteinhäuschens - eines jener
> Häuser, die mitverantwortlich dafür sind, dass die Lübecker Altstadt zum
> UNESO-Welterbe gehört. Der Teppich führt in das Cinestar-Kino, in dem an
> diesem Freitag die Lübeck-Premiere des neuen "Buddenbrooks"-Films
> stattfindet.
Bild: Hauptdarsteller Armin Mueller-Stahl bei der Lübeck-Premiere.
Es ist ein roter Teppich von einiger Länge. Ausgelegt auf dem Bürgersteig
verläuft er entlang der Fassade eines Backsteinhäuschens - eines jener
Häuser, die mitverantwortlich dafür sind, dass die Lübecker Altstadt zum
UNESO-Welterbe gehört. Der Teppich führt in das Cinestar-Kino, in dem an
diesem Freitag die Lübeck-Premiere des neuen "Buddenbrooks"-Films
stattfindet.
Dass der Untergrund des roten Teppich ein Bürgersteig ist, passt gut zu
diesem Abend. Es ist das vorerst letzte Bild des "Buddenbrooks"-Hypes, das
die Welt jenseits der Lübecker Stadtmauern zu Gesicht bekommen wird. Der
ganze große Rest - Stadtführungen zu den Drehplätzen, Ausstellungen von
übermalten Drehbuchseiten, Vorträge und Fotobände - wird erst mal in Lübeck
bleiben. Dafür kommt der Film ab dem 25. Dezember bundesweit in die Kinos.
Der Teppich muss so lang sein, weil er nicht nur für die Stars, sondern
auch für die anderen knapp 900 Premierengäste gedacht ist. Etliche dieser
Gäste haben irgendwie an Heinrich Breloers Verfilmung von Thomas Manns
Roman mitgewirkt - sei es als Statist, wohlwollender Hausbesitzer oder
aufgeschlossener Beamter. Die Dreharbeiten des Films im Sommer 2007
dauerten sieben Wochen und führten zu umgeleiteten Verkehrsströmen und
historisch kostümierten Menschen in der Stadt. Lübeck soll an jenen Tagen
wie ein Freilichttheater gewirkt haben. Für Lübeck war das die Hauptphase
des Hypes.
Bei der Premiere am Freitag war dagegen nur eine Straße gesperrt, und das
auch nur zur Hälfte. Dafür steckte in der Lübecker Premiere die Demütigung,
dass sie keineswegs die Deutschland-Premiere war. Die war bereits am
Dienstag vergangener Woche, und zwar in Essen. Schlicht aus dem Grund, dass
in Essen das größte Kino Deutschlands mit über 1.200 Plätzen steht.
Die knapp 900 Premierengäste in Lübeck müssen sich dagegen auf vier Säle im
Cinestar-Kino verteilen. Die Vorstellungen beginnen leicht zeitversetzt,
dass die Schauspieler überall ihre Aufwartung machen können.
Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist auch da, er passt mit seinem
leicht angeknitterten Sakko nicht recht zum Glamour der Filmwelt. Dass er
und seine Redenschreiber nicht oft auf Filmpremieren sind, merkt man auch
am Timing seines Grußworts: Noch bevor er den Film gesehen hat, spricht
Carstensen von einem "filmischen Meisterwerk", das mit dem Prädikat
"besonders wertvoll" eine "verdiente Anerkennung" bekommen habe.
Carstensen sitzt in Saal drei, wie auch die anderen Politiker. Nach dem
Schlussapplaus lässt Hauptdarsteller Armin Mueller-Stahl wissen, dass das
Filmteam in Saal Vier Standing Ovations bekommen habe. Der Erste, der zum
Klatschen aufsteht, ist Carstensen.
Überhaupt treibt der Hype, der um diese vierte "Buddenbrooks"-Verfilmung
entstanden ist, seltsame Blüten. Regisseur Heinrich Breloer spricht
einerseits mit dem Gestus des Germanisten, andererseits sagt er den Leuten,
was sie am liebsten hören wollen - etwa, dass die eigentliche
Hauptdarstellerin des Films die Stadt Lübeck sei. Oder, dass sein Film sich
im Gegensatz zu den anderen "Buddenbrooks"-Verfilmungen nicht so sehr auf
das Familiäre konzentriere, sondern auf das Wirtschaftliche - Stichwort
"Globalisierung".
Tatsächlich ist der Film eine Ausstattungsorgie und Ministerpräsident
Carstensen schätzt ausdrücklich, dass der Film "für Lübeck wirbt".
Inhaltlich geht es in Breloers Streifen vor allem darum, wie die drei
Buddenbrook-Geschwister sich zum Familienerbe und den damit verbundenen
Erwartungen verhalten. Brav die Geschäfte des Vaters und damit seinen Beruf
übernehmen? Oder Flucht nach Hamburg mit einer Frau unter dem eigenen
Stand? Auf heutige Probleme gemünzt hat der Film mehr mit dem Thema
"Zwangsheirat" als mit dem Thema "Globalisierung" zu tun. (Eine Kritik
erschien in der taz vom Samstag.)
Als die Gäste nach langen 150 Filmminuten aus dem Kino kommen, ist der
Sound der Diskussionen bildungsbürgerlich. Aber nicht nur. "Ich gehe jetzt
in die Kneipe", sagt einer der Gäste zu seiner Begleitung. "Meinen Frust
wegsaufen, dass ich im Film nicht zu sehen bin."
21 Dec 2008
## AUTOREN
Klaus Irler
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.