# taz.de -- Wolfgang-Langhoff-Biografie: Disziplin und Theater | |
> Eine Biografie von Ideologie befreien: "Den Kommunismus mit der Seele | |
> suchen" heißt Esther Slevogts erschreckend genaues Buch über Theatermann | |
> Wolfgang Langhoff. | |
Bild: Vater und Sohn: Regisseur Thomas Langhoff neben der Büste seine Vaters W… | |
Das Ende der DDR, das Scheitern des Kommunismus hat Persönlichkeiten wie | |
Wolfgang Langhoff in Vergessenheit geraten lassen. Jüngeren ist er heute, | |
wenn überhaupt, als Verfasser des KZ-Berichts "Die Moorsoldaten" bekannt. | |
Womit man schon mittendrin ist im Leben des Wolfgang Langhoff: Nach | |
überstandener KZ-Haft und Exil prägte er als Regisseur und Intendant des | |
Deutschen Theaters in Berlin fast zwei Dekaden lang DDR-Theater. | |
Langhoff war einer der prominenten Emigranten, die wie Bertolt Brecht nach | |
dem Krieg in die DDR gegangen sind. Esther Slevogt hat ihm nun eine sehr | |
lesenswerte Biografie gewidmet, die ein Leben nachzeichnet, das von den | |
politischen Hoffnungen, Irrtümern und Schrecken des 20. Jahrhunderts | |
geprägt war. Langhoff war Künstler - und Kommunist, was für ihn wohl mehr | |
gezählt hat. Dennoch kam dem überzeugten Kommunisten Langhoff der Künstler | |
Langhoff immer wieder in die Quere. | |
Am 3. März 1933 wird Wolfgang Langhoff, damals bereits ein bekannter | |
Schauspieler mit Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus, von der Gestapo | |
verhaftet und ins KZ Börgermoor gebracht. 1928 ist er der KPD beigetreten | |
und hat seitdem eine Art öffentliches Doppelleben geführt, im Übrigen nicht | |
zum letzten Mal: hier der charismatische und stets elegant auftretende | |
Schauspieler, der die großen Bühnenrollen spielt; dort der Kopf der | |
Agitprop-Truppe "Nordwest ran", mit der er in und vor die Betriebe zieht. | |
Auch privat lebt Langhoff für die damalige Zeit ungewöhnlich: in einer Art | |
Wohngemeinschaft, zu der seine Frau sowie in wechselnder Besetzung gute | |
Freunde und Genossen gehörten. | |
Ostern 1934 kommt Langhoff frei; die Erfahrungen im KZ werden ihn | |
lebenslang an die Kommunistische Partei binden. Der hohe Organisationsgrad, | |
die Solidarität der Genossen halfen ihm zu überleben; fortan würde er das | |
Kollektiv und damit auch die Parteidiszplin über alles stellen. | |
Für die Fehler des stalinistischen Prinzips und Regimes hatte er keinen | |
Blick mehr: "So bedingt die Erfahrung des einen totalitären Regimes in | |
dieser Biografie die Affirmation eines anderen", schreibt die Autorin. Für | |
das Leid anderer - sozialdemokratischer oder jüdischer Leidensgenossen im | |
KZ - brachte er verhältnismäßig wenig Empathie auf. | |
## Freikorps und SED | |
Die Berliner Journalistin und taz-Autorin Esther Slevogt hat sich intensiv | |
in die Vita Langhoffs eingearbeitet und ist dabei auf viele geschönte | |
Stellen und Legenden gestoßen. Sie behandelt Langhoffs Werdegang dennoch | |
mit viel Respekt und einem aufmerksamen Blick für die | |
politisch-persönlichen Verstrickungen jener Generation. Um seine | |
Lebensgeschichte aufzuschreiben, musste die Autorin sich durch verschiedene | |
Schichten und Versionen arbeiten und diese "vom Giftschlamm der Ideologien | |
reinigen". | |
Slevogt hat dabei erstaunliche Aspekte, Nuancen, Brüche zutage gefördert, | |
die sich zu einem spannenden gesamtdeutschen Geschichtsbild zusammensetzen. | |
Dass sich Langhoff, Jahrgang 1901, etwa als junger Mann zum Freikorps | |
verpflichtet hatte, jenen antidemokratischen, revanchistischen | |
Soldatenverbänden, die sich mit dem Friedensvertrag von Versailles nicht | |
abfinden konnten, ist eine der überraschenden Entdeckungen von Slevogt. | |
Langhoff selbst hat darüber geschwiegen und nur in seiner SED-Kaderakte der | |
Partei darüber Auskunft gegeben. | |
Langhoffs Umfeld und die historischen Begleitumstände wurden von der | |
Autorin genau recherchiert. Erschreckend genau. All die Genossen Langhoffs, | |
Mitarbeiter, Freunde, die im KZ verschwanden, emigrieren mussten, ihrer | |
politischen Überzeugung auch nach 1945 treu blieben und dafür, ob im Westen | |
oder im Osten, oft erneut mit Isolation, Gefängnis, Gulag büßen mussten: | |
elende Schicksale. | |
Langhoffs Lebensgeschichte spiegelt die ganze grimmige Geschichte des 20. | |
Jahrhunderts; sie handelt unter anderem vom Idealismus derer, die nach dem | |
Zusammenbruch der alten Ordnung am Ende des Ersten Weltkriegs nach einer | |
besseren Gesellschaft verlangten. Besonders das Theater, die | |
ästhetisch-moralische Anstalt schlechthin, diente als Experimentierstätte. | |
Und "gerade dieser Glaube", so Slevogt, "machte die Theaterkünstler in | |
besonderem Maße anfällig für die Ideologien, die in jenen Jahren mit | |
Konzepten für Erlösung und eine neu zu ordnende Welt handelten". | |
## Erst begehrt, dann suspekt | |
1946 folgt Langhoff dem Lockruf aus Ostberlin. Er macht das Deutsche | |
Theater zur wichtigsten Spielstätte des sozialistischen Deutschlands. | |
Angegiftet von der Westpresse, interpretiert er Klassiker neu und zeigt | |
Uraufführungen aus der sozialistischen Produktion, Müller, Kipphardt, | |
Hacks. Bald gerät er in den Strudel von Stalinismus und Kaltem Krieg; in | |
Ungarn und der Tschechoslowakei gibt es Schauprozesse, und auch die | |
DDR-Intellektuellen bleiben von Säuberungen nicht verschont. | |
Was Westemigranten wie Langhoff einst so begehrt gemacht hat, macht sie nun | |
suspekt. Der Kontakt zu einem US-Agenten während des Krieges im Schweizer | |
Exil, dessen man sich mit Billigung der Partei bedient hatte, wird mehreren | |
Freunden Langhoffs zum Verhängnis, er selbst verliert alle Ämter, nur das | |
Theater darf er am Ende behalten. Und das Theater ihn. | |
Hat Langhoff nie gezweifelt? Bestimmt, aber Zweifel mussten unterdrückt | |
werden, auch weil es den Kommunisten im Westen an den Kragen geht. | |
Langhoffs Düsseldorfer Freunde und Genossen, die wie er das KZ oder in der | |
Emigration überlebt haben und nach 1945 in der rheinischen Metropole in | |
politische Ämter und Leitungspositionen kommen, werden alsbald | |
kaltgestellt. | |
Und als 1956 die KPD verboten wird, müssen einige sogar ins Gefängnis. So | |
erzwang der Antikommunismus im Westen die Loyalität der Kommunisten im | |
Osten und umgekehrt. Die Repression traf in beiden Fällen, das ist die | |
bittere Ironie, die Slevogt herausarbeitet, andersdenkende Kommunisten. | |
1963 wird Langhoff aufgrund seiner Inszenierung des Stücks von Peter Hacks | |
"Die Sorgen und die Macht" geschasst. Die DDR war kleinkariert, aber sie | |
war vor allem klein. Und weil sie so klein war, konnte sie so schöne | |
Anekdoten produzieren, wie die von der Beerdigung Renate Langhoffs auf dem | |
Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. | |
Helene Weigel, die Brecht-Witwe, soll den trauernden Ehemann und die Söhne | |
Matthias und Thomas vom Friedhof weg in ihre Wohnung nebenan geführt haben, | |
wo sie ihnen heißen Tee serviert. "Das müsst ihr jetzt nicht", erklärt sie | |
den Herren und rettet sie vor den offiziellen Kondolenzerklärungen der | |
DDR-Nomenklatura. Drei Jahre später stirbt auch Wolfgang Langhoff. | |
14 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Sabine Seifert | |
Sabine Seifert | |
## TAGS | |
Stasi-Unterlagen | |
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