# taz.de -- Wirtschaft in China: Das Reich der Mitte boomt wieder | |
> Erstmals seit 2010 ist das Wirtschaftswachstum wieder gestiegen. Trotz | |
> weiter bestehender Grundprobleme dürfte der Aufschwung 2018 anhalten. | |
Bild: Im Hafen von Yangshan laufen Import und Export wie geschmiert | |
PEKING taz | Mit Chinas Wirtschaft ging es auch in den vergangenen Jahren | |
bergauf. Es wurde eifrig gebaut, die Löhne stiegen, ebenso Kaufkraft und | |
Industrieproduktion. Von einem Boom mit zweistelligen Wachstumsraten wie | |
die zwei Jahrzehnte davor konnte in den letzten Jahren aber keine Rede mehr | |
sein. 2016 lag es bei 6,7 Prozent, das kleinste Plus seit 26 Jahren. | |
Doch 2017 ist das chinesische Wirtschaftswachstum erstmals seit acht Jahren | |
höher ausgefallen als im Vorjahreszeitraum. Wie das Statistikamt in Peking | |
am Donnerstag mitteilte, legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 6,9 | |
Prozent zu. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wuchs damit im | |
vergangenen Jahr mehr als dreimal so schnell wie Europas Zugpferd | |
Deutschland, das auf 2,2 Prozent kam. „Die nationale Wirtschaft hat den | |
Schwung einer stabilen und soliden Entwicklung aufrechterhalten und die | |
Erwartungen übertroffen“, erklärten die Statistiker. | |
Die guten Konjunkturdaten dürften auch die chinesische Regierung überrascht | |
haben – doch keineswegs nur im positiven Sinne. Sie hatte für 2017 ein | |
Wachstum von 6,5 Prozent vorgegeben. Aus gutem Grund: Seit Jahren schwört | |
sie ihr Land auf langsameres Wachstum ein. Denn Chinas Boom in den Jahren | |
bis 2012 mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten war nicht zuletzt einer | |
investitionsgetriebenen Expansion geschuldet. | |
Diese Wirtschaftspolitik hatte zwar jede Menge neue Fabriken, Hochhäuser | |
und Autobahnen geschaffen. Sie trug allerdings auch zu Überkapazitäten, | |
Umweltverschmutzung, zu vielen leerstehenden Hochhäusern, einer zu | |
einseitigen Ausrichtung auf die Schwerindustrie und zur Verschuldung der | |
Kommunen und Provinzen bei. | |
## Skepsis gegenüber Konjunkturdaten | |
Von einer solchen wirtschaftlichen Entwicklung wollte sich China eigentlich | |
verabschieden. Stattdessen plante China den lange Zeit schwächelnden Konsum | |
im eigenen Land zu stärken, den Dienstleistungssektor auszubauen und auf | |
mehr Hochtechnologie zu setzen. Eine solche Schwerpunktsetzung hätte | |
automatisch das Wirtschaftswachstum verlangsamt. | |
Ökonomen bewerten die jüngsten Konjunkturdaten ebenfalls mit gemischten | |
Gefühlen. Zu den Wachstumsgaranten zählte 2017 zwar der private Konsum. | |
Der Einzelhandelsumsatz wuchs um 10,2 Prozent, während die | |
Industrieproduktion um 6,6 Prozent zunahm. Der Plan der Regierung, die | |
Binnenwirtschaft zu stärken, scheint damit aufzugehen. Zudem profitiert | |
China nach Ansicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, von „der | |
anziehenden Weltwirtschaft“. | |
Doch zugleich warnt der Ökonom: „So gut die Wachstumszahl des Jahres 2017 | |
aussieht, Probleme gibt es ebenso.“ Vor allem Chinas hohe Schulden bereiten | |
ihm und anderen Ökonomen Sorge. Die gesamte Schuldenlast der Volksrepublik | |
liegt nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bei | |
inzwischen 256 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. | |
Vieles davon steckt in Überinvestitionen, die sich auf absehbarer Zeit | |
nicht rentieren werden. „Der Schuldenberg des Privatsektors, insbesondere | |
der Unternehmen, nimmt schwindelerregende Ausmaße an“, warnt Gitzel. Auch | |
der Internationale Währungsfonds hat zuletzt gewarnt, Chinas starkes | |
Wachstum werde durch neue Schulden erkauft. | |
Ökonomen zufolge stellt dieser hohe Schuldenwert ein Risiko für die gesamte | |
Weltwirtschaft dar. Denn kommt es zu Zusammenbrüchen von Unternehmen, | |
drohen Banken Zahlungsausfälle, was wiederum zu einer globalen Finanzkrise | |
führen könnte. Um das zu verhindern, müssten viel mehr unrentable Betriebe | |
vor allem des riesigen Staatssektors geschlossen werden. Doch das scheut | |
die chinesische Führung – offenbar aus Furcht vor sozialen Verwerfungen. | |
Chinas Wachstum dürfte denn auch im Jahr 2018 hoch bleiben. Denn die | |
Weltwirtschaft bleibt robust. Und tiefgreifende Reformen bleiben weiter | |
aus. | |
19 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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