# taz.de -- Verdacht auf Kannibalismus in Berlin: Sägen und Blutspuren gefunden | |
> Ein 41-jähriger Berliner steht unter Verdacht, einen seit langem | |
> vermissten Mann ermordet und zumindest teilweise aufgegessen zu haben. | |
Bild: Anfang November: Berliner Polizisten suchen nach einem vermissten Mann | |
BERLIN dpa | Es klingt wie in einem Gruselkrimi: Zwei Männer um die 40 | |
verabreden sich über eine Dating-Plattform in Berlin zum Rendezvous. Später | |
finden Spaziergänger beim Gassigehen mit dem Hund im Wald Knochen. | |
Menschliche Knochen. Den Rest hat einer der Männer aufgegessen – nach einem | |
Sexualmord. | |
Berliner Ermittler gehen davon aus, dass dieses Szenario so oder so ähnlich | |
Wirklichkeit geworden sein könnte und ein 44-jähriger Monteur auf diese | |
Weise Opfer eines Verbrechens wurde. Seit Anfang September wurde der Mann | |
vermisst, seit Donnerstag sprechen die Ermittler von einer tragischen Wende | |
– und von Mord. Es gebe Hinweise auf Kannibalismus. Ein Verdächtiger aus | |
Pankow ist in Untersuchungshaft. | |
„Einschlägige Werkzeuge“ wie Messer und Sägen sowie Blutspuren seien in d… | |
Wohnung des 41-jährigen Verdächtigen gefunden worden, berichtet Martin | |
Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Freitag. Der Tatverdächtige, | |
ein Deutscher, der Lehrer sein soll, habe zu Kannibalismus im Internet | |
recherchiert und sei auf einer Dating-Plattform mit dem Opfer in Kontakt | |
gewesen. | |
Ihm wird nun Sexualmord aus niederen Beweggründen vorgeworfen. Hintergrund | |
sei nach Erkenntnissen der Ermittler die Befriedigung des Geschlechtstriebs | |
gewesen, sagte Steltner. Andere Motive, wie Raub oder Hass, seien nicht | |
erkennbar. Es gebe bislang keinerlei Hinweise darauf, dass die Tat im | |
Einvernehmen mit dem Opfer begangen wurde. | |
## Extrem seltene Tat | |
Sexueller Kannibalismus sei extrem selten, sagt der Kriminalpsychologe | |
Rudolf Egg. Aber es gebe ihn als eine besondere Form der Sexualität. „Der | |
körperliche Akt lässt sich als die Vereinigung zweier Körper beschreiben. | |
Sie werden eins.“ Das sei natürlich nur eine geringe und kurzzeitige | |
Vereinigung. „Aber zu Ende gedacht wäre es, wenn man einen Menschen | |
vollständig in sich aufnehmen könnte.“ So wie man sagt: Ich hab dich zum | |
Fressen gern. „Aber das meint natürlich niemand wörtlich.“ | |
Bei dieser Form von Kannibalismus gehe es um das Aufessen als Zeichen der | |
Sexualität. Und es gebe sexuellen Sadismus, also die Freude daran, jemanden | |
zu quälen. „Das sind beides sexuelle Abweichungen, die weit von der Norm | |
entfernt sind.“ Kannibalismus liege an einem sehr bizarren Ende einer | |
solchen Abweichung. „Natürlich ist es hochgradig gestört, jemanden | |
umzubringen und aufzuessen“, sagt Egg. Das könne eine homosexuelle Ebene | |
haben. „Aber es gibt auch heterosexuellen Kannibalismus.“ | |
Als spektakuläres Verbrechen in Deutschland ist der Fall des „Kannibalen | |
von Rotenburg“ bekannt geworden. Dieser Mann, ein Computertechniker, hatte | |
sein späteres Opfer über eine Kontaktanzeige in einem Internet-Forum | |
kennengelernt. Er schnitt im März 2001 seinem Berliner Internet-Bekannten | |
auf dessen ausdrückliches Verlangen hin zunächst den Penis ab. Später | |
erstach und zerlegte er ihn und aß große Teile des zwischenzeitlich | |
eingefrorenen Menschenfleisches. Das Landgericht Frankfurt verurteilte den | |
Mann 2006 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. „Er war der | |
freundliche Mann von nebenan“, erinnerte sich sein Verteidiger. Niemand | |
habe ihm das zugetraut. | |
## Ein Taxifahrer half bei der Aufklärung | |
Auf die Spur des neuen mutmaßlichen Täters kommen die Ermittler in Berlin | |
auch mit Hilfe eines Taxifahrers: Er habe sagen können, wohin die letzte | |
Fahrt des Vermissten führte, berichtet Steltner. Mantrailer-Hunde, die für | |
ihre sehr feinen Nasen bekannt sind, hätten die Beamten zur Wohnung des | |
Verdächtigen geführt. Von dort bis zum Fundort der Knochen in Berlin-Buch, | |
ganz im Norden an der Grenze zu Brandenburg, brauche man eine gute | |
Viertelstunde mit dem Auto. | |
Als Spaziergänger diese Knochen entdeckten, dachten viele Beobachter noch | |
nicht an einen Zusammenhang mit dem Vermisstenfall. Dann fanden | |
Leichenspürhunde weitere kleinere Knochenfragmente. Sie hätten eindeutig | |
dem Vermissten zugeordnet werden können, sagt Steltner. Beweismittel und | |
Indizien reichten schließlich für einen Haftbefehl. | |
Das Opfer lebte im Berliner Osten, Bezirk Lichtenberg. Es ist ein | |
Plattenbau in einer einfachen Wohngegend jenseits des S-Bahn-Rings. Hier | |
kennt nicht jeder jeden. An der Tür der Wohnung, in der der Monteur in | |
einer Wohngemeinschaft gewohnt haben soll, klebt ein durchbrochenes | |
Polizeisiegel. Der Mitbewohner habe noch ein paar Dinge holen können, sagt | |
eine Nachbarin. Sie wirkt erschrocken, dass dem unauffälligen Mann so etwas | |
passiert sein soll. | |
Kurz vor Mitternacht hatte er im September seine Wohnung verlassen und | |
blieb seitdem spurlos verschwunden. Das passte nicht ins Bild, denn der | |
44-Jährige galt als zuverlässig. Ende September machte die Polizei den Fall | |
erstmals publik und veröffentlichte ein Foto. | |
20 Nov 2020 | |
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