# taz.de -- Untersuchung des Wirecard-Skandals: Null Skandal entdeckt | |
> Der Untersuchungsausschuss zu Wirecard hat bisher wenig gebracht – von | |
> einigen interessanten Details abgesehen. Denn der Betrug bei Wirecard war | |
> dumm. | |
Bild: Wenn die Kontrolleure schnarchen: Untersuchungsausschuss im Bundestag zum… | |
Bisher war es weitgehend eine Nullnummer. Der Untersuchungsausschuss zu | |
Wirecard geht in die Weihnachtspause, aber Sensationen hat er nicht | |
hervorgebracht. | |
Zwar kamen einige Details ans Licht. So weiß man nun, dass | |
Ex-Verteidigungsminister [1][zu Guttenberg] stattliche 760.000 Euro von | |
Wirecard kassiert hat, um in politischen Kreisen zu antichambrieren. Das | |
kann man abstoßend finden – verboten ist es nicht. Guttenberg sollte | |
erreichen, dass die Kanzlerin 2019 auf einer Chinareise für Wirecard wirbt | |
– was sie brav getan hat. Auch dies ist kein Skandal: Merkel fährt ständig | |
nach China, um den deutschen Export anzukurbeln. Die Kanzlerin ist | |
Deutschlands oberste Handelsbeauftragte. | |
Die Causa Guttenberg ist typisch für den Untersuchungsausschuss: Echte | |
Versäumnisse der Regierung oder ihrer Aufsichtsbehörden konnten bisher | |
nicht ermittelt werden. | |
Dies gilt auch für einen anderen vermeintlichen Skandal: Mitarbeiter der | |
Finanzaufsicht Bafin haben mit [2][Wirecard-Aktien] spekuliert, während ab | |
Februar 2019 in der Financial Times zu lesen war, dass der Konzern | |
Scheingewinne in Asien verbucht. In der Tat ist es etwas seltsam, wenn | |
Aufseher privat mit Aktien handeln – aber auch dies war damals erlaubt und | |
ist erst jetzt verboten worden. | |
Für Neid gibt es übrigens keinen Anlass: Die meisten Bafin-Beschäfigten | |
haben Verluste eingefahren, denn sie hofften bis zum Schluss, dass sich der | |
Wirecard-Kurs erholt. Stattdessen sind die Aktien nun wertlos. | |
Die Finanzaufseher konnten sich nicht vorstellen, dass sie es mit einem | |
gigantischen Betrug zu tun hatten. Dieser Mangel an Fantasie ist | |
bedauerlich, aber zur Wahrheit gehört, dass die Bafin für Wirecard nicht | |
richtig zuständig war. | |
Nur einen Knaller hat die Bafin zu verantworten: Im Februar 2019 verbot sie | |
Leerverkäufe von Wirecard-Aktien. Börsianer konnten also nicht mehr auf | |
einen Kursverlust spekulieren. Die Bafin glaubte nämlich, dass die | |
Journalisten der Financial Times den Aktienmarkt „manipulieren“ wollten, | |
als sie über Wirecards Scheingewinne berichteten. Also schob die Bafin auch | |
noch eine Anzeige gegen die Journalisten nach. | |
Das war ein Fehler – aber diese Vorgänge waren öffentlich. Es braucht | |
keinen Untersuchungsausschuss, um im Nachhinein festzustellen, dass die | |
Bafin geschnarcht hat. | |
## Alle haben geschnarcht | |
Zudem haben alle geschnarcht. Vorneweg die [3][Wirtschaftsprüfer] von EY, | |
die zehn Jahre lang Wirecard kontrolliert haben. Auf ihre Testate haben | |
sich Aufseher, Banken und Aktionäre verlassen. Denn nur Wirtschaftsprüfer | |
haben einen Einblick in die Konten, und wenn sie versagen, lässt sich | |
Betrug kaum entdecken. | |
Der Untersuchungsausschuss kann also nur aufbereiten, was sowieso bekannt | |
ist: Es gab große Lücken in der Kontrolle. Ein Wunder ist das nicht. | |
Gesetze reagieren auf Erfahrungen der Vergangenheit. Einen Betrug wie | |
Wirecard hat es aber noch nie gegeben – weil er so dumm war. | |
Zwar mögen die fingierten Kontenbewegungen raffiniert wirken, aber faktisch | |
war es ein Schneeballsystem: Wirecard war nicht profitabel und verbrannte | |
das Geld der Banken und Aktionäre. Ständig musste man neue Kredite | |
aufnehmen, damit der Schwindel nicht aufflog. Schneeballsysteme brechen | |
garantiert zusammen, fragt sich nur, wann. Da gibt es lukrativere | |
Betrugsmethoden. | |
Zudem sind die persönlichen Kosten sehr hoch: Wirecard-Chef Braun sitzt in | |
Untersuchungshaft, Finanzchef Marsalek musste nach Russland fliehen. Zwar | |
dürfte er einige Hundert Millionen Euro beiseitegeschafft haben, aber er | |
ist jetzt beliebig erpressbar durch seine Helfershelfer. | |
Um ein zweites Wirecard zu verhindern, hat die Regierung am Mittwoch einen | |
Gesetzentwurf beschlossen, der die Kompetenzen der Bafin erweitert und die | |
Haftung der Wirtschaftsprüfer erhöht. Ob dies reicht, muss das Parlament | |
diskutieren. Aber dafür ist der Finanzausschuss zuständig, nicht der | |
Untersuchungsausschuss. | |
18 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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